Mai 1993

Deutschland - außer Verfassung

Man möchte meinen, die derzeitigen Grundgesetzänderungen hätten nichts miteinander zu tun. Auf den ersten Blick mag dies stimmen, dennoch, wenn wir genauer hinsehen, dann haben die Änderung des Asylrechts und die damit verbundene deutliche Einschränkung der Rechtswegegarantie, der geplante "große Lauschangriff' und schließlich auch die uns bevorstehenden Grundgesetzänderungen in Bezug auf "Blauhelmeinsätze" eine gemeinsame Konsequenz: Die politische Achse der Bun- desrepublik bewegt sich nach rechts. Mit diesen Grundgesetzänderungen soll letztendlich die Basis dafür geschaffen werden, daß die insgeheim schon immer betriebene reaktionäre Politik dieses Staates auch verfassungsrechtlich abgesichert wird und damit gegebenenfalls erweitert werden kann. - Deutschland will wieder wer sein!!! Die Bundesregierung beansprucht jetzt erst recht einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat als ständiges Mitglied. Die CDU/CSU gibt sich schon längst nicht mehr nur mit ,Blauhelmeinsätzen" unter Beteiligung der Bundeswehr zufrieden. Sie wollen mehr. Die Bundeswehr soll sich auch innerhalb anderer Bündnisse (NATO, WEU oder neu zu schaffender) mit Kampfeinsätzen beteiligen können. Die SPD rückt immer mehr ab. Erst strikt gegen "Blauhelme"; jetzt feine Trennung zwischen friedenerhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen. Auch Teile von Bündnis 90/Grüne halten sogenannte friedenserhaltende "Blauhelmeinsätze" unter Beteiligung der Bundeswehr für recht interessant. Für uns erscheint jedoch die Grenze zwischen friedenserhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen fließend. Bemerkenswert ist ja, daß UNO-"Blauhelm-Missionen"" nur in sogenannten Krisen- bzw. Kriegsgebieten stattfinden. Insofern fragen wir uns, wo dort Frieden erhalten werden soll. Es könnte sich doch dann nur um friedensschaffende Maßnahmen halten; d.h. Kampfeinsätze. Bestand der Sinn von "UNO-Blauhelmen" nicht einst darin, daß sich daran nur Armeen kleinerer Staaten beteiligen? Uns wird tagtäglich eingehämmert, nach der "Wiedervereinigung" trügen wir jetzt eine größere Verantwortung. Schließlich, so wird argumentiert, könnten die Amerikaner, Briten und Franzosen nicht ständig allein für uns alle die "Kastanien aus dem Feuer" holen. Wir fragen uns, welche Kastanien hier gemeint sind, und wieso sich gewachsene Verantwortung gerade in militärischer Präsenz ausdrücken muß. Die gleiche Heuchelei begegnet uns in der Asyldiskussion. Mit dem Hinweis darauf, man müsse die Probleme in den Fluchtherkunftsländern lösen, werden die Grenzen um Deutschland dichtgemacht. Allein die Tatsache, daß die Bundesrepublik nur 0,3% ihres Bruttosozialprodukts (die UNO fordert 0,7%) für .Entwicklungshilfe" einsetzte, unterstreicht die Verlogenheit in diesen Diskussionen. Aber noch eine andere Seite macht uns betroffen. Manche der ehemals Oppositionellen in der DDR, die berechtigt `68, `'79, `80 ihren Protest gegen geplante oder vollzogene militärische Interventionen einiger sozialistischer Staaten erhoben haben, haben scheinbar heute keine Probleme damit, daß die Bundeswehr in militärische Konflikte außerhalb der Grenzen Deutschlands verwickelt werden soll. Die Friedensbewegung der 80er Jahre ist deutlich geschwächt. Linke und demokratische Kräfte sind mehr und mehr an die Wand gedrückt. Wir werden ständig gezwungen bei jeder Grundgesetzänderung das schon dürftige Grundgesetz wenigstens zu erhalten. Darüber hinaus ist es aber notwendig, offensiv für eine neue demokratische Verfassung zu kämpfen! Die Bundesrepublik sollte die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik bekräftigen. Auf einer verfassungsrechtlichen Konferenz der Gruppe PDS/Linke Liste im Deutschen Bundestag wurde u.a. gefordert, daß in einer neuen deutschen Verfassung solche Normen festgeschrieben werden sollten,

* die die allgemeine und vollständige Abrüstung zum Staatsziel des Bundes erklären;

* durch die der Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomar, biologische und chemische Waffen entsprechend Art.3 Abs. l des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland auf die verfassungsrechliche Ebene gehoben und darüber hinaus das gesamte Bundesgebiet zu einer ABC - Waffenfreien Zone erklärt wird;

* die die Abschaffung der Streitkräfte anstreben, bis dahin deren ständige Verringerung vorschreiben und die Stationierung ausländischer Streitkräfte im Bundesgebiet verbieten;

* die auf die Einstellung jeglicher Rüstungsproduktion abzielen, bis dahin sozial- und ökologieverträgliche Konversion vorschreiben und den Export von Kriegswaffen und von zur Herstellung solcher Waffen bestimmten oder geeigneten Gegenständen, Stoffen, Organismen und Verfahren - wohin auch immer - rigoros verbieten.

Diese Forderungen sind gewiß nicht neu, angesichts der Kriegsgelüste einiger Herren in der größer gewordenen Bundesrepublik aber aktueller denn je. Das wäre unseres Erachtens ein echter und ehrlicher Beitrag zur deutschen Außenpolitik.

AG "Junge GenossInnen" Pankow