Pankower Kreuzzüge

Die NPD hat sich das Ziel gesetzt, bei den Berliner Wahlen am 17. September in die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) einzuziehen. Dem Kommunalparlament BVV unterstehen die Kontrolle der bezirklichen Verwaltung sowie der bezirkliche Haushalt. Für den Einzug in die BVV reichen drei Prozent der abgegebenen Stimmen. Somit ist das Ziel der NPD durchaus nicht unrealistisch. Doch nicht nur die heiße Wahlkampfphase wollen die Neofaschisten dazu nutzen, seit Jahren ergreifen sie jede Chance sich auf den Straßen ihren Raum zu erkämpfen – so auch in Pankow-Heinersdorf.

Die islamische Ahmadiyya-Gemeinde will auf dem verwahrlosten Gelände einer ehemaligen Sauerkrautfabrik in der Tiniusstraße eine Moschee errichten. Schon seit Wochen und Monaten verschärft sich die Auseinandersetzung. Die »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger« (ipahb) mit circa 150 Mitgliedern hat sich mit dem Ziel gegründet, den Bau unter allen Umständen zu verhindern. Die Argumente: »Kein Mitglied der Gemeinde lebt in Heinersdorf«, »Stau, Lärm, Parkplatznot«, »Der muslimische Stützpunkt gefährdet den sozialen Frieden«, »Keine Verhältnisse wie im Wedding oder Irak«.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die genannten Argumente der »ipahb« nichts als heiße Luft sind. Die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde Berlin leben im gesamten Stadtgebiet verteilt, der Standort der Moschee ist somit zweitrangig. Und bei 200 Gläubigen, so viele sind es in Berlin, scheint die Sorge, dass die Pankow-Heinersdorfer Infrastruktur zusammenbricht, etwas übertrieben zu sein.
Seit 18 Jahren betet die Gemeinde in einem Reinickendorfer Einfamilienhaus, ohne dass Reinickendorf Gefahr lief in Chaos und Gewalt zu versinken. Im Gegenteil, die Gemeinde ist für ihre friedliche Ausrichtung bekannt: Das Haus steht für alle Interessierten offen, gepredigt wird in deutscher Sprache. »Gastfreundschaft ist Teil des islamischen Glaubens«, so Imam Abdul B. Tariq, Vorsitzender der Ahmadiyya-Gemeinde; »Liebe alle Menschen und hasse keinen« ist das Leitbild der Gläubigen.

Religionsfreiheit ist seit der Auf­klärung vor circa 300 Jahren in Europa Zeichen der Toleranz und auch hohes Verfassungsgut der Bundesrepublik. Dieser Religionsfreiheit entspricht es, wenn eine Gemeinde ein Gotteshaus in Berlin errichtet. Weiterhin wird eine Berliner Realität deutlich: Es gibt zahlreiche muslimische Berlinerinnen und Berliner, die zum Großteil in der deutschen Hauptstadt geboren wurden.

Die Kampagne der »ipahb« appelliert an die niedersten Instinkte des Menschen: Angst vor Fremdem, Selbstherrlichkeit und ein hohes Maß an Dummheit und Ignoranz. Und nicht nur die neofaschistische NPD, sondern auch die CDU springt auf diesen Zug auf. Das die Nazis hier ein Wahlkampfthema entdeckt haben, leuchtet absolut ein. Die CDU hingegen liefert nur abermals einen Beweis ihrer provinziellen Miefigkeit.

So ließ einem der Anblick, der sich am 7. Juni in Pankow bot, mit dem Kopf schütteln. Die »ipahb« hatte zum Protestmarsch aufgerufen und wir als GegendemonstratInnen rechneten mit ungefähr 500 TeilnehmerInnen. Gegen 19 Uhr standen uns jedoch über 1000 »brave« Bürger gegenüber, die mit wehenden Deutschlandfahnen und Transparenten mit Sprüchen wie »Demokratie statt Islam« bestückt waren. Ganz vorne mit dabei war die Lokalprominenz der CDU. Richtig gruselig wurde es aber, als die Demonstration von knapp zwei Dutzend stadtbekannten NPD-Mitgliedern und rechtsradikalen Kameradschaftlern angeführt wurde. Die »ipahb«als Veranstalterin hatte offensichtlich wenig Berührungsängste mit den Faschisten in ihren Reihen.

Vor dem Pankower Rathaus endete die Demonstration mit einer Kundgebung. In der Nachbarschaft fanden wir dutzende NPD-Aufkleber. Als wir diese abkratzen oder überkleben wollten, wurden wir von der Polizei und wiederum »braven« Bürgern verjagt, die mit großer Mühe unsere Aufkleber entfernten. Die Kundgebung vor dem Rathaus endete mit einem Sprechchor junger Menschen: »Rechts, rechts, rechts wollen wir stehen!«

Ebenso bemerkenswert war aber auch das Verhalten von Teilen des Antifabündnises, dass zur Gegendemonstration mobilisierte. In Sprechchören und auf Plakaten wurden die Heinersdorfer pauschal als »Wendeverlierer« tituliert. Mit dieser Einstellung, bleibt man nicht nur destruktiv, sondern spielt den Nazis direkt in die Hände. Mit dieser Art von Pseudo-Antifaschismus, der zunächst alle beschimpft, um dann durch die Reaktion scheinbar bestätigt zu werden, muss endlich Schluss sein. Wir setzen im Kampf gegen Engstirnigkeit andere Akzente.

Zunächst gilt es, den Einzug der NPD in die BVV zu verhindern – Ein Grund mehr am 17. September zur Wahl zu gehen. Außerdem wird es weiterhin Demos geben, die sich den Pankower Kreuzzüglern in den Weg stellen. Beteiligt Euch und setzt selbst Akzente mit Transpis und Aktionen.

['solid]Pankow (pankow@solid-berlin.org)
MH & SK


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