Berlin: Über die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte

Uniformiert und anonym

»Zur Förderung von Bürgernähe und Transparenz werden – wie in Großbritannien und den USA seit langem bewährt – Berliner Polizeibeamte ein individualisierbare Kennung gut sichtbar an ihrer Uniform tragen.«, heißt es in dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS der Berliner Regierung aus dem Jahr 2001. Wer an Demonstrationen teilnimmt, dem wird sich die Notwendigkeit dieser sogenannten Kennzeichnungspflicht für Polizisten schnell erschließen: Seit Mitte der 90er Jahre wurden in Berlin jährlich etwa 1000 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt registriert. Dabei dürfte die Dunkelziffer weit höher liegen, da nicht jeder Übergriff überhaupt zu einer Anzeige gegen einen Polizisten führt.

Dass nur ein Prozent der Anzeigen zu Anklagen führen, liegt neben dem Korpsgeist der Polizeibeamten an der Anonymität der Täter. Die Uniformierten sind unter ihren Helmen mit Gesichtsschutz äußerst schwer zu identifizieren. Auch vermummte Beamte habe ich schon oft auf Demonstrationen erlebt. Wie wichtig die Identifizierungsmöglichkeit bei Auseinandersetzungen ist, zeigt das generelle Vermummungsverbot für die Demonstrant(inn)en. Hier haben schon im Winter zu hoch gezogene Schals oder Kostümierungen ausgereicht, um Demonstrant(inn)en festzunehmen.

Auch durch den Schutz der Anonymität begünstigt, habe ich selbst auf friedlichen Demonstrationen genügend Polizeiübergriffe erlebt. Von kleinen Schubsereien im Vorbeilaufen gegen herumstehende Schülerinnen bis hin zu Prügelexzessen quer durch den Demonstrationszug. Ein Vorfall auf der Protestdemonstration gegen den Großen Zapfenstreich der Bundeswehr am 26. Oktober 2005 ging Ende letzten Jahres durch die Presse: Ein Zivilpolizist prügelte mit einem teleskopartig ausziehbarem Mehrzweckschlagstock (Tonfa), mit dem die Berliner Polizei neu ausgestattet wurde, ohne Grund auf Menschen ein. Als Augenzeuge der Situation weiß ich jedoch, dass er damit bei weitem nicht der einzige prügelnde Polizist war. Nur dass die uniformierten Kollegen nicht zu identifizieren waren. So hält auch der 'Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin'»anlässlich von Demonstrationsbeobachtungen, ... eine individuelle Kennzeichnung jedes Beamten für den Rechtsschutz der Betroffenen und die Transparenz des polizeilichen Handelns für unverzichtbar«.

Leider wird das wichtige Vorhaben der Kennzeichnungspflicht für die Berliner Polizei bis zu den Berliner Wahlen am 17. September 2006 nicht mehr umgesetzt werden. Lediglich ein freiwilliger Modellversuch wurde begonnen. Dazu erklärte der Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer: „Die Linkspartei in Berlin will die Kennzeichnungspflicht weiterhin. Sie setzt darauf, dass auch Sozialdemokraten und Polizei das Positive sehen, das mit der Kennzeichnung verbunden ist. Dabei geht es nicht einmal nur um Demonstrationen. Es ist einfach auch für das Selbstverständnis der Beamten wichtig, dass sie als Ansprechpartner in der Stadt wahrgenommen werden und nicht als anonyme Bedrohung.“ Da sich auch die Grünen durch eine Gesetzesvorlage vom 1. September 2005 für die Kennzeichnungspflicht ausgesprochen haben, scheint eine Umsetzung der Forderung auch in der nächsten Legislaturperiode möglich. Wir sollten aber nicht vergessen, die politisch Verantwortlichen an ihre politischen Zielstellungen zu erinnern und die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Polizei verstärkt zu fordern.

■ sk