Berlin ist einen Palast wert

Berlin ist eine fantastische Stadt. Leider nicht aufgrund der romantischen, alten Gässchen oder des hohen Lebensstandards der Bevölkerung, sondern wegen der vielen Gegensätze, die vieruig Jahre Teilung und unterschiedliche Entwicklung, verschiedene Auffassungen von Kunst und Ausdrücke von Architektur im Stadtbild hinterlassen haben. Manchmal hört man, Berlin sei die Stadt der Kunst oder zumindest der Künstlerinnen und Künstler. Kunst ist, was mehr ist. Musik besteht aus mehr, denn aus aufeinanderfolgenden Tönen. Literatur besteht aus mehr, denn aus aneinandergereihten Buchstaben. Architektur, das sind nicht nur Steine und Mörtel oder, wie im Fall des Palasts der Republik, 20 000 Tonnen Stahl.

In der architektonischen Kunst drückt sich der Anspruch von Gesellschaften aus. Der Palast der Republik sollte ein Volkspalast sein, ein öffentlicher Raum für alle. Doch diesem Anspruch gerecht zu werden, hat er vor der Wende nicht schaffen können. Es gab im Palast über ein Dutzend Gaststätten, ein Lichtermeer an Lampen und kulturellen Aufführungen. Dazwischen tagte die Volkskammer. Nicht nur die bestellte, auch die erste frei gewählte der Deutschen Demokratischen Republik. Aber ein Labor für neue Ideen durfte der Palast nicht werden. Nach der Wende geschlossen, dann für sehr viel Geld von Asbest saniert, soll er jetzt für eine unbekannte Summe, Schätzungen gehen von 20 bis 60 Millionen Euro aus, verschwinden.

Als Gnadenakt gestattete die Politik in der allerletzten Lebensphase des Palasts die Zwischennutzung. Junge Künstler, Architekten, Schauspieler und Musiker, Berliner und Gäste der Stadt entdeckten dieses Gebäude neu. Und die unheimlichen Möglichkeiten, die dessen riesige Nutzfläche inmitten der Hauptstadt für Kunst und Projekte jeder Art bietet. Sie sind es, die sich dem Abriss jetzt in den Weg stellen. Damit handeln sie außerordentlich politisch. Sie erkennen, dass hinter dem Palast mehr steht als Beton und Stahl. Sie kämpfen um die Erhaltung öffentlichen Raums.

Vorläufig konnten sich die Palastabreißer am 4. Juli 2002 im Bundestag durchsetzen. Sie galten als visionär und haben nicht die Zerstörung, sondern die Schaffung eines Kulturraums namens „Humboldtforum“ in der äußeren Gestalt eines preußischen Verwaltungsschlosses propagiert. Inzwischen hat die Veröffentlichung der geheimgehaltenen Machbarkeitsstudie die Argumente dieser falschen Visionäre unwillentlich zerpflückt. Der Neubau wird nur einen Teil der Nutzfläche des Palasts besitzen. Das an seiner Stelle geplante fiktive Schloss wird in Wirklichkeit ein realexistierendes Luxushotel für Betuchte sein und trotz privater Betreiber den Staat bis zu 1 200 Millionen Euro kosten. Und deswegen wahrscheinlich nie gebaut werden.

Der Palast steht für die Moderne. Dieser Architekturform des 20. Jahrhunderts mussten in ostdeutschen Städten historische Stadtzentren weichen. Das ist bedauerlich. Aber der Moderne verdanken viele Städte auch die Lebendigkeit ihrer Zentren. Tausende Wohnungen durchschnittlich verdienender Menschen direkt am Alexanderplatz. Grosse Kinos und Theater mitten in den Städten und in unmittelbarer Nähe der dort Lebenden. Die den Palast abreißen wollen, mögen die Moderne nicht. Sie haben Vorstellungen von Stadtzentren, die sich an Leitbildern des 19. Jahrhunderts orientieren. Wir haben die Aufgabe, die Pluralität einer so unterschiedlich gewachsenen Stadt wie Berlin zu verteidigen, da sich in unterschiedlicher Architektur unterschiedlich leben lässt. Berlin darf in seinem Zentrum nicht auf Potsdamer Platz und schicke Hotels Unter den Linden reduziert, seine Vorstädte nicht zu Hartz-IV-Ghettos werden. Berlin muss sich die Moderne und die Alternative in seinem Herzen bewahren. Dafür brauchen wir den Palast. Doch vorher braucht der Palast Dich: www.palastbuendnis.de.

Sascha Wagener

 

 

Kunst im Palast

Durch das Projekt „Volkspalast“ kommen internationale Künstler nach Berlin und nutzen kreativ die Möglichkeiten des Palastes.

Das vom norwegischen Künstler Lars Ø Ramberg initiierte Projekt „Palast des Zweifels“ war eine von Januar bis Mai 2005 zu sehende Installation aus skulptural geformten Neon-Buchstaben.

Gedacht als Beitrag zum öffent­lichen Diskurs zu Fragen der Identität in einer globalisierten Welt, steht es exemplarisch für viele spannende Kunstprojekte.

Aktuelle Aktionen unter:

www.volkspalast.com

 

 

Erinnerungen an den Palast der Republik

von Stefan Lippianowski

Es war einmal ein Land, das einen Palast in der Hauptstadt Berlin gebaut hat, 1976. Im Sommer 76 war ich mit meiner Mutter im Alter von elf Jahren in dem Palast. Wir waren beeindruckt von seiner Höhe und von seiner Schönheit. Wenn man hineinkam, sah man über 1000 Lampen an der Decke. Und überall war Marmor an den Seiten. Darauf hingen Bilder von DDR-Künstlern, die mich stark beeindruckt haben.

Dass auf dem Gelände des Palastes das alte Stadtschloss stand, habe ich damals nicht gewusst Ich kann es nicht gut heißen, dass man das alte Stadtsschloss zerstört hat.

Der Palast war nicht nur ein Parlamentshaus, sondern auch immer ein Kulturhaus. Von da wurden im Fernsehen Veranstaltungen übertragen. In dem Großen Saal war auch eine Wasserbühne. Am 7. Oktober 1989 wurde in dem Haus 40 Jahre DDR gefeiert, aber nur mit Einladung. Draußen hat das Volk demonstriert. Michail Gorbatschow war da und er hat gesprochen. Zwei Tage später wurde das Ende der DDR eingeleitet. 1990 wurde im Haus der Beitritt der DDR an die BRD beschlossen. Bald darauf wurde das Haus geschlossen, wegen Asbest. Das war jedoch nur ein Vorwand. Heute geht es mit dem Abriss des Palastes nur um die Auslöschung der DDR-Geschichte. Am 19. 11. 2005 fand eine Demonstration für den Erhalt des Palastes statt.