Kultur: Jugendtheater "Monoblock"

Hallo Nazi!

In der Nacht vom 22. 09 – 23. 09. 2005 zertrümmerten rechtsorientierte Jugendliche die Scheiben des Glaspavillons in der Cottbusser Innenstadt. Anlass war das provozierende Theaterstück: „Hallo Nazi!“.

Das Publikum sitzt rings um eine dreieckige Spielfläche mit Metallboden - der Untersuchungszelle. Ein Radio dudelt Schmusesongs, der behäbige Polizist Erich (Matthias Manz) freut sich auf den Feierabend und stellt sein Bier bereit. Doch mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei, als er zwei heikle Insassen zusammen in einer Zelle bewachen muss: den wegen Schwarzarbeit festgenommenen Polen Jan (Ljubisa Lupo Grujcic) und den Rechtsradikalen Rudi (Felix Constantin Voigt), der mit einer Gruppe von Rechtsextremen eine Kfz-Werkstatt mit polnischen Arbeitern überfallen hat. Zwischen ihnen entbrennt ein Kampf, Mann gegen Mann, genährt von Vorurteilen, Unwissenheit, Unsicherheit und Angst. Felix Constantin Voigt spielt den großmäuligen Mitläufer, der die Parolen seiner Führer nachplappert, aber plötzlich auch interessiert zuhört, als der Pole erzählt, wie er in seiner Autowerkstatt aus Schrott schnieke „Schlitten“ zaubert.

Die Uraufführung des Theaterstücks entstand in Zusammenarbeit mit dem Grips-Theater Berlin. Dafür sah sich das Autorenteam „Monoblock“ im rechtsradikalen Umfeld von Berlin und Dresden um. Die Künstler waren bestrebt, ein Zeichen für den Einsatz „Gegen Rechts“ zu setzen. Bevor diese Tournee durch Schulen und andere Einrichtungen startet,

sollte „Hallo Nazi“ einige Male in öffentlichen Aufführungen gezeigt werden. Darum suchte sich das Staatstheater den leerstehenden Pavillon. „Der Raum, in den 110 Stühle passen, war bei der Premiere übervoll. Auch die zwei öffentlichen Hauptproben waren schon gut besucht“, berichtet Bernd Weinrich, der Pressereferent des Staatstheaters.

Geplante Aktion? Das die Zerstörung nach einem Plan erfolgte, dafür spricht nach Auskunft der Polizei die Tatsache, dass die Täter nicht zufällig herumliegende Steine benutzten, sondern extra mitgebrachte Ziegel und Schottersteine von einem Bahndamm. Zudem war es sehr verwunderlich, dass die Nachrichtensendung im rbb-Sender unterbrochen wurde, als der Vorfall geschildert worden ist.

Anschläge und Übergriffe von Neonazis sind in Cottbus nichts Neues. Zuletzt wurde im Mai dieses Jahres der Jugendclub „Fragezeichen“ von 20 Neonazis angegriffen. Die Angreifer stürmten vermummt, mit Baseballkeulen und Eisenstangen bewaffnet in den Club und schlugen wahllos um sich. Der Angriff deutet auf einen gewissen Organisierungsgrad der Neonazis hin. Drei Anwesende wurden damals verletzt, Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente zerstört. Lokale Gegner der Neonazis vermuten, dass die Kameradschaft „Sturm Cottbus“ und ihr Umfeld hinter den jüngsten Attacken stecken. Der Angriff, der vermutlich im Zusammenhang mit einer im Jugendclub „Fragezeichen“ geplanten Informationsveranstaltung über die rechte Szene stand, wird als der brutalste der vergangenen Jahre bezeichnet. In diesem Jahr gab es nach Angaben des Vereins „Opferperspektive“ bisher sieben gewalttätige Übergriffe auf Migranten, Linke oder Einrichtungen in Cottbus.

Die Polizei sieht indes keine organisierte Neonaziszene. „Es gibt in Cottbus keine Kameradschaft“, sagt Berndt Fleischer, der Pressesprecher der Cottbusser Polizei. Es handle sich lediglich um lose Verbindungen, und man kenne „sich halt von früher“. Josef Pf ingsten, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Cottbus, sagt, dass es zum Anschlag auf den Kulturpavillon noch keine Fahndungsergebnisse gäbe. Jedoch werde weiter von einem rechten Tathintergrund ausgegangen.

Auf dem Internetportal „Mut gegen rechte Gewalt“ des Stern und der Amadeu-Antonio-Stiftung wird berichtet, dass derartige Angriffe in den vergangenen Jahren zwar immer wieder stattfanden, aber seltener geworden seien. In den letzten Monaten drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass sich organisierte Überfälle und Anschläge auf Linke und Jugendclubs häufen. Erinnert sei etwa an den Sprengstoffanschlag auf den Jugendclub „Dosto“ im brandenburgischen Bernau im Januar vorigen Jahres, an den von der Polizei vereitelten Angriff auf einen Jugendclub in Premnitz im Havelland, an Übergriffe auf den Jugendklub „Horte“ in Strausberg oder an mehrere Vorfälle in Potsdam in diesem Sommer.

Zwar ist seit Jahren zu beobachten, dass die Anzahl rechter Übergriffe jeweils in den Sommermonaten ansteigt; der Organisationsgrad der Täter scheint jedoch eine neue Qualität zu haben. „Die Phase der blöden Rechten ist vorbei“, sagte im Mai dieses Jahres der Cottbusser Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rupieper. Für ihn sei der Überfall auf den Jugendclub „Fragezeichen“ ein Anzeichen dafür, dass sich in der rechten Szene ein „gefährlicher Wandel“ vollziehe. Selbst im Brandenburger Innenministerium, das bis vor kurzem rechtsextreme Straftaten notorisch herunterspielte,

ist man inzwischen dieser Erkenntnis näher gekommen. Wolfgang Brandt, der stellvertretende Pressesprecher im Innenministerium Brandenburg, sagt: „Es gibt in Cottbus Ansätze rechtsextremer Strukturierungen, die allerdings eine geringe Halbwertszeit haben.“ Insgesamt könne in Brandenburg kein Anstieg der organisierten Gewalt gesehen werden. „Lediglich bei den Auseinandersetzungen in Potsdam im Sommer waren es Aktionen, bei denen man von einem gewissen Organisierungsgrad sprechen kann.“

Auch aus anderen Städten wird zum Ende des Sommers von anwachsender rechter Gewalt berichtet. In Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern überf ielen Ende August drei Rechte einen Jugendlichen bei ihm zu Hause. Wie der Verein „Lobbi“, eine Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, bekannt gab, schlugen die Angreifer auf den Jugendlichen ein, nachdem er die Tür geöffnet hatte und drohten ihm weitere Gewalt an. Er erlitt bei dem Angriff Verletzungen im Gesicht und Prellungen am Hinterkopf. Der Jugendliche sei bereits im Sommer von Neonazis angegriffen, beschimpft und geschlagen worden. Danach habe es immer wieder Drohungen und Hakenkreuzschmierereien am Haus der Familie gegeben. Die „unverhohlenen Drohungen und Einschüchterungen“ seien ein Zeichen dafür, dass sich die rechte Szene in Wolgast sicher zu fühlen scheine, sagt Katrin Bredeke von „Lobbi“. „Seit der NPD-Funktionär Christian Deichen in Wolgast ein Internetcafé eröffnet hat, gibt es einen neuen Treffpunkt für die rechte Szene.“ Es stelle ein sehr großes Problem dar, „dass immer mehr Rechte kommen und die alternativen Jugendlichen aus Wolgast wegziehen“. Für die gibt es kaum Angebote.

In Cottbus haben die Täter ihr Ziel jedoch nicht erreicht. Durch die nächtliche Attacke will man sich nicht entmutigen lassen. „Aufgeben wäre das Falscheste, was wir tun können. Dann hätten die ja ihr Ziel erreicht“, meint Theaterpädagogin Dreko. „Wir lassen uns von rechtem Pack nicht unterkriegen“, pflichtet Rathaus-Sprecher Michael Schlick bei. Am Tag nach der Attacke auf den Kulturpavillon fand wie geplant die nächste Vorstellung statt.

Stellt euch dem Stück! Das Thema ist hochpolitisch, spielt in der ostdeutschen Gegenwart und handelt von rechtsradikaler Stimmung aus Gewalt, Unsicherheit und Hass.

Cornelia