“They are watching” – Marc-Oliver Lattemann / photocase.com – License-ID: 4685738

 

 

Kontrollstaat BRD

Um Bürgerrechte einzuschränken braucht es Feindbilder. Diese sind absolut austauschbar: Vor 1990 mussten die Bürger vor dem jeweils gegenerischen System (Kommunismus/Imperialismus) beschützt werden, danach war es die organisierte Kriminalität und seit dem 11. September 2001 dient der islamistische Terrorismus als Legitimation. Doch gerade die verheerenden Anschläge in London machen deutlich: Die neuen Kontroll- und Überwachungstechniken, deren Einsatz in Großbritanien schon weit fortgeschritten ist, sind ungeeignet blutigen blutigen Terror zu verhindern.
Trotzdem wurde unter Rot-Grün die Entwicklung hin zu einem Überwachungsstaat vorangetrieben. Insbesondere Bundesinnenminister Otto Schily profiliert sich mit einer Politik des »Law and Order« und überholt selbst konservative Eiferer wie den bayrischen Innenminister Günter Beckstein rechts.
Hier eine kurze Auflistung der bedenklichen Auswüchse dieser »Sicherheitspolitik«.

Der neue »ePass«

Ab dem 1. November wird der neue Reisepass eingeführt. Personenbezogene Daten werden auf sogenannten RFID-Chips (Radio Frequency Identification) gespeichert. Die RFID Technik wird von vielen Datenschützern als zu unsicher eingestuft, denn es gibt noch keine konkreten Sicherheitskonzepte, die den Missbrauch der Technik verhindern. In den USA wird die RFID Technik schon seit einigen Jahren verwendet und es gibt im Bundesstaat Kalifornien bis jetzt schon 39?000 geschädigte Opfer der Technik. Denn die Geräte zum Auslesen der Pässe und Ausweise sind für jeden auf dem internationalen Markt frei erhältlich. Die Daten wurden zum Überziehen und Eröffnen von neuen Bankkonten, die Bestellung von teuren Waren usw. missbraucht. Inzwischen hat der Senat von Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das es Staat und Kommunen verbieten würde, Ausweise und Führerscheine mit einem RFID Chip auszugeben.

Der Große Lauschangriff

Auch die Telefonüberwachung hat in der BRD Hochkonjunktur, es waren im letzten Jahr insgesamt 40?973 Anschlüsse davon betroffen, dass ist ein Fünftel mehr als 2003. Der große Lauschangriff ist ein weiteres Segment zur Totalüberwachung, denn er schränkt das Grundrecht auf die Unverletzbarkeit der Wohnung massiv ein. In Niedersachsen ging man noch einen Schritt weiter: Das dortige Polizeigesetz sieht eine »vorbeugende Telefonüberwachung« vor, d. h. auch ohne konkreten Tatverdacht kann die Polizei mithören. Erst das Bundesverfassungsgericht unterbrach diese Willkür.

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen

Auch der neu eingeführte §129a zur Terrorabwehr wird genutzt, um unerwünschtes Protestverhalten der Bevölkerung zu unterbinden, wie dies ein Beispiel aus Hamburg zeigt. Im dortigen Schanzenpark soll aus einem alten Wasserturm ein Luxushotel werden. Ein Hauptgrund für den Widerstand ist, dass eine private Nutzung des Turms die Bewegungsfreiheit im Park einschränken würde. Die Baustelle am Wasserturm wird mit Flutlicht angestrahlt und rund um die Uhr von der Polizei bewacht, weil Absperrgitter und Bauzäune umgestoßen wurden und weil bei einem Mövenpick-Hotel in Lübeck Scheiben zertrümmert und Farbe verschüttet wurde. Die Täter wurden gefasst, die Hamburger Staatsanwaltschaft leitete umgehend ein Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Strafgesetzbuch ein. Daraufhin wurden elf Wohnungen durchsucht, mehrere Personen vorrübergehend festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und ihnen zum Teil gegen ihren erklärten Willen DNA Proben entnommen. Wegen Gefahr im Verzug kam es zu Anschlussdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung. Die Medien feierten die absurde Großrazzia als „Schlag gegen den Hotel-Terror“ und taten ihr übriges zur Kriminalisierung des Widerstands.

Einsatz von V-Männern

Ein Fall aus Hamburg: Der Mann nannte sich Christian Trott und war Ende 2003 in die linke Szene eingeschleust worden. Regelmäßig beteiligte er sich an Demonstrationen, Treffen und Aktivitäten verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel bei der Anti-Hartz-Gruppe und der Kampagne „Hamburg umsonst“. Zuletzt bemühte er sich um Kontakt zum AStA der Hamburger Uni und zu Attac, sowie um ein Zimmer in einer politischen Wohngemeinschaft. Während einer Aktion wurde er von einer Bekannten als Kristian K. aus Lütjenburg bei Kiel erkannt und ist seitdem Verschwunden. Es bestehen erhebliche rechtliche Zweifel an diesen V-Mann Einsätzen, denn eigentlich dürfen verdeckte Ermittler nur zur Verhinderung schwerster Straftaten oder im Bereich der organisierten Kriminalität eingesetzt werden.

Bürokratie

Wegen eines Schreibfehlers saß der Hamburger Adam Kowalski 22 Tage in U-Haft. Trotz seiner Beteuerungen, dass es sich um einen Irrtum handelt, reagierte die Polizei nicht. Erst durch seine Mutter, die eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgab, wurde der Fall durch einen Anwalt aufgeklärt.

Repression auf Demonstrationen

Die massive Polizeipräsenz auf politischen Demonstrationen sorgt für die gezielte Einschüchterung der Teilnehmer. Im Vorfeld finden immer öfter Leibesvisitationen statt, auch Taschen und Rucksäcke werden von den Beamten durchwühlt. Der Demozug wird durch die Polizei abgefilmt, teilweise sogar mit speziell präparierten Einsatzwagen. Was mit dem Filmmaterial geschieht, entzieht sich jeglicher Kontrolle. Das Verhalten der Polizei geht soweit, dass Transparente der Demoteilnehmer mit dem Messer zerstochen werden, wie auf der Gelöbnix Demo 2005 geschehen. Diese Kriminalisierung von friedlichen Demonstranten hat System: Da das Recht auf Versammlungsfreiheit durch die Verfassung gesichert ist probiert man durch Abschreckung unerwünschtes Protestverhalten der Bevölkerung zu unterbinden.

Beugehaft

Das neue Hamburger Polizeigesetz ist ein weiterer Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Nach diesem können Personen nicht mehr nur zwei Tage, sondern auf richterliche Anordnung bis zu zwei Wochen in Gewahrsam genommen werden, wenn sie unter Verdacht stehen, Straftaten begehen zu wollen – ein Instrumentarium von dem die Polizei vor allem vor Großveranstaltungen Gebrauch machen wird. Juristen und Bürgerrechtsorganisationen kritisieren die Beugehaft als Disziplinierungsinstrument, dass dazu missbraucht werden kann Geständnisse und Zeugenaussagen zu erpressen.

Polizeigewahrsam

Der Tod eines Asylbewerbers in Dessauer Polizeihaft ist ein weiterer Beweis für den Repressionsstaat BRD. Denn der 21jährige Mann aus Sierra Leone war in seiner Zelle verbrannt, nachdem er trotz Fixierung an Händen und Füßen eine schwer entflammbare Matratze mit einem Feuerzeug angesteckt haben soll, das zuvor bei einer Durchsuchung übersehen worden war. Telefonprotokolle der Polizei offenbaren eine eklatante Geringschätzung des Afrikaners, auch hat sich erst bei einer zweiten Obduktion, die seine Mutter veranlasst hatte ergeben, dass er einen Nasenbeinbruch erlitten hat. Laut Aussage der Beamten soll er mehrfach mit dem Kopf gegen die Wand und Tische gestoßen haben. Die Untersuchung des Falls zeigt, wie die Staatsorgane diesen Vorfall zu vertuschen versuchen.

Vorschau

Die präventive Überwachung ersetzt weitgehend die Bedeutung des Tatverdachts als Ausgangspunkt für polizeiliche Ermittlungen. Um dies weiter zu forcieren wackelt das verfassungsrechtlich gesicherte Trennungsverbot zwischen Polizei und Nachrichtendienst. Polizeiarbeit bedient sich zunehmend geheimdienstlicher Mittel und Methoden. Auch andere Institutionen werden in solche Praktiken einbezogen: Kindergärten und Schulen sollen bei der Anmeldung überprüfen, ob die Eltern der Kinder sich legal in Deutschland aufhalten. Bildungseinrichtungen als verlängerter Arm der Behörden – bereits Praxis in Bonn, demnächst auch bundesweit? Steuerberater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer sollen künftig alle verdächtigen Geldtransfers melden, die zur Finanzierung des Terrorismus und der Geldwäsche dienen können. Diese zwei kleinen Besipiele zeigen es: Ermittlungsarbeit stützt sich auf Spitzel und Denunzianten. Auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, wie von der Union gefordert, stellt die Verfassung auf den Kopf. Dabei sollten die Mittel von totalitären Militärdiktaturen einer Demokratie unwürdig sein! Aber wenn es um die Hoheit über die Stammtische dieser Republik geht, ist den verantwortlichen Politikern das Grundgesetz egal und kein Vorschlag zu absurd. Bei der von Otto Schily vorgeschlagenen Hubschraubern-Jagd auf Gra­fitti-Sprayer drängt sich einem der sprichwörtliche Vergleich „mit Kanonen auf Spatzen schießen“ auf. Die Frage stellt sich, wie die »Scharfmacher« der Union dies toppen wollen. Panzerkrieg gegen Kaufhausdiebe?

Benjamin Otto

 

Der vorliegende Artikel basiert auf Informationen des „Chaos Computer Club“ (www.ccc.de) und dem Pressearchiv des „Neuen Deutschland“.