Land unter im Pazifik!

„Diese Palmen standen vor ein paar Jahren noch nicht im Wasser“, sagt Bobo Ahtack aus dem Dorf Rukuruku im Nordwesten der Insel Ovalau, die zu den Fidschi Inseln gehört. Er guckt besorgt auf den schwarzen Sandstrand seines Dorfes. Hier hat der Pazifik die vorderen Palmenbäume schon so weit umspült, dass ihre Wurzeln frei liegen. Sie drohen umzustürzen. Ein Wurzelstumpf ragt schon aus dem Wasser. „Wenn das so weiter geht, stehen die ersten Häuser bald im Meer und die Menschen verlieren ihr Zuhause. Beim letzten Cyclon im vergangenen Jahr mussten die Bewohner bereits in die Berge fliehen.“ Bobo wohnt seit 50 Jahren in Rukuruku und merkt, dass sich etwas in seinem Lebensumfeld dramatisch verändert: Der Meeresspiegel steigt an, die Küstenerosion verstärkt sich, wegen der Wassererwärmung sterben die Korallen ab und die extremen Wetterphänomene wie Dürren oder Regenfluten nehmen zu.

Drei Inselstaaten sind besonders betroffen: Die Marshall Islands, Kiribati und Tuvalu. Diese Inselgruppen haben eine durchschnittliche Erhebung über dem Meeresspiegel von gerade mal zwei Metern. Zum Vergleich: Die Niederlanden, deren Land zu 27 Prozent unter dem Meeresniveau liegt, erheben sich immer noch durchschnittlich elf Meter über dem Meeresspiegel. Das macht deutlich, wie verletzlich die flachen Inseln des Pazifiks sind. Schmilzt das westantarktische Eisschild – wovon nach den neusten Messungen bei gleichbleibender oder wachsender atmosphärischer Verschmutzung auszugehen ist –, so wird der Meeresspiegel um drei bis fünf Meter in den nächsten 100 Jahren steigen. Viele der pazifischen Inselstaaten verschwänden komplett auf der Landkarte.

Das ist aber nicht nur ein rein theoretisches Gedankenspiel der fernen Zukunft. Für die Inseln im Pazifik ist es aktuelle Realität. Die Erhebung Tebua Tarawa diente zur Orientierung von Fischern in Kiribati – sie ist heute nicht mehr zu sehen. Sie liegt knietief unter Wasser. Bei Sturmfluten können sich viele Menschen auf Grund der geographischen Gegebenheiten nicht auf Berge flüchten. Das Thema Klimaveränderung ist für die sieben Millionen Pazifiker wirklich ein Thema, das über Leben und Tod entscheidet. Oder zumindest darüber, ob sie ihr Stück Land verlieren, das für viele Generationen das Zuhause ihrer Familie gewesen ist.

Diese gravierenden Folgen allen pazifischen Staaten und der Weltgemeinschaft vor Augen zu führen, hat sich u. a. das pazifische Büro des Weltkirchenrates zur Aufgabe gemacht. „Wir wollen erreichen, dass die Kirchen im Pazifik mit einer starken vereinten Stimme sprechen und die weltweite ökumenische Familie zur Solidarität mit ihnen auffordern. Denn schließlich sind wir nicht die Verursacher des Klimawandels. Die pazifischen Staaten produzieren nur einen verschwindend geringen Anteil der Treibhausgase. Sie sind aber die Hauptleidtragenden des Treibhauseffektes. Die Verantwortung liegt bei den großen Industrienationen. Wir fordern die Kirchen dieser Staaten auf, das Leiden von uns Pazifikern vor ihren Regierungen laut werden zu lassen und auf Veränderungen zu pochen. Wir müssen erkennen, dass wir uns auf der Erde gegenseitig schnell verletzen können, auch wenn wir tausende Kilometer voneinander entfernt sind. Deshalb sind wir auch verantwortlich füreinander. Das bedeutet Veränderung aller im Konsumverhalten und in der Energienutzung. Wir brauchen Solidarität mit den pazifischen Menschen!“

„Komm, Heiliger Geist, heile und versöhne!“ Dieser Appell der Athener Weltmissionskonferenz
im Mai 2005 drückt genau diese Solidarität aus, von der Fe‘iloakitau Tevi (Pazifikbewohner) spricht. Es ist eine Solidarität zwischen allen Menschen, aber auch zur Mutter Erde. Uns zu Solidarität bekennen und aktiv zu werden, sei es im Glauben oder aus fester Überzeugung und Verantwortung gegenüber unseren Ressourcen und Lebensräumen, ist absolut notwendig und erfordert einen schärferen Blick über den Tellerrand hinaus.

Aufmerksamkeit und Widerspruch gegenüber ausbeutenden Industrien hilft uns, einer klimatischen Katastrophe entgegenzutreten. Fragen stellen, wie „Wie fliege ich am schnellsten und günstigsten zu den sonnigen Inseln“ dürfen nicht mit zu schnellen Antworten gefüllt werden. Es geht nicht primär um Zeit, Geld (z.B. Billigflüge), Schnelligkeit und Bequemlichkeit, sondern um den Erhalt dessen, dass unser Leben überhaupt möglich macht. Das ist saubere Luft, Wasser, Nahrung und ein Klima, welches Vorrausetzung für unseren Organismus ist. Solidarisch sind wir, wenn wir nicht in ein Flugzeug steigen, bei dem die Auswirkungen des Kerosins in keinem Verhältnis zu unserem Schnäppchenpreis liegen. Wenn wir nicht einfach die Tür hinter uns schließen und die Klimaanlage einschalten, sondern wenn wir unsere Zeit, unser Geld und unser Streben nach Zufriedenheit in Technologien, Innovationen und Kommunikation stecken, die uns und vielleicht auch einmal unseren Kindern Perspektiven erlauben, die den Bestand dessen sichern, für den unsere Eltern bereits die Grundlagen geschaffen haben -ansonsten steht auch uns bald das Wasser bis zum Hals.

Cornelia Freitag