Jamaika - kein Paradies für Schwule und Lesben

»Ich sage: Bang, Bang / In einen Schwulenkopf. / Harte Jungs wollen keine ekligen Männer. / Sie müssen sterben, / Das ist keine große Sache. / Wenn mir einer zu nahekommt, muß seine Haut dran glauben. / Verbrennt ihn wie einen alten Autoreifen.«
Im Original klingt das so: »Me Say Boom bye bye / Inna batty boy head / Rude boy no promote the nasty man / Dem haffi dead / Dis is not a deal / Guy come near we / Then his skin must peel / Burn him up bad like an old tire wheel«.
Der –wenn auch 13Jahre alte- Text von Buju Banton steht exemplarisch für viele Dancehall/Reggae-Lyrics, die sich gegen Homosexualität aussprechen. Wozu hierzulande in den Clubs getanzt wird, ist in Jamaika brutale Realität für Schwule und Lesben.

Sunshine-Reggae, Entspannung am Sand­strand - das ist das gängige Klischee von der Karibikinsel Jamaika. Für Schwule und Lesben, die zu ihrer Identität stehen, sieht das Leben dort jedoch anders aus: Lynchmorde und massive Übergriffe der Bevölkerung, sowie willkürliche Verhaftungen und Folter durch die Polizei stehen auf der Tagesordnung. Keineswegs paradiesische Zustände herrschen auf der Karibikinsel Jamaika für Lesben, Schwule und Transgender: Nach jamaikanischem Recht ist einvernehmlicher Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenen Männern immer noch strafbar und kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit bestraft werden.
Das Gesetz wird allgemein so ausgelegt, dass jede Form von Intimität zwischen Männern, öffentlich oder privat, davon betroffen ist.
Diese Rechtslage erleichtert die Diskriminierung und schafft ein Klima der Gewalt, sowohl auf offizieller Seite, als auch in der Bevölkerung.Die Angst ist ein ständiger Begleiter in einem von Repressionen,Beschimpfungen und Gewalttaten geprägten Alltag.
In den letzten Jahren wurden immer wieder schwule Männer ermordet. Die Täter bleiben straffrei, weil diese Gewaltverbrechen nicht oder nur mangelhaft untersucht werden.
Kein Einzelfall ist der Tod eines jungen Schwulen, der auf der Treppe seiner Kirche, wo er Schutz suchte, von einem aufgebrachten Mob zu Tode geknüppelt wurde.Sein Freund, der bei der Polizei Hilfe suchte, wurde verhaftet; auf der Wache drohte man ihm, ihn zur „Vergewaltigungseinheit“ zu bringen.

„String them up and hang them up alive”
Seit den achtziger Jahren sind homophobe Texte in der Dancehall-Musikszene gang und gäbe. Wer Gewalt verherrlicht und Schwule und Lesben als „Battyman“ oder „Chi-chi-man/-gyal“ verhöhnt, gilt als cool. International bekannte Stars wie Buju Banton, Sizzla und Shabba Ranks machen keinen Hehl aus ihrer Homophobie, ist es doch das Schlimmste für einen jamaikanischen Mann, als schwul bezeichnet zu werden.
Zwar beschwichtigt die Musikpresse kritische HörerInnen gern damit, die Homophobie in den Reggae-Texten sei so ernst zu nehmen wie die Gewalt in einem James-Bond-Film, doch Zeilen wie „Battyboy, get up and run, a gunshot in the head, man” oder „Blaze the fire, make we burn them“ aus dem Song „Chi-chi-man“ von T.O.K. (acht Wochen lang die Nummer eins der World-Reggae-Charts) sprechen eine deutliche Sprache. Auch Capleton ruft in „Hang them up“ zur Lynchjustiz: „String them up and hang them up alive“, was bereits oft genug zur traurigen Realität wurde.

Asyl als einziger Ausweg
Kein Wunder also, dass jedes Jahr Hunderte von Lesben und Schwulen nach Großbritannien fliehen, um dort – zumeist als Wirtschaftsflüchtlinge – Asyl zu erhalten. Seit kurzem allerdings wird Homosexualität in Großbritannien als Fluchtgrund anerkannt: Vor einigen Wochen erhielt der erste Jamaikaner Asyl, weil er als Schwuler in seinem Heimatland um sein Leben fürchten muss und keinen behördlichen Schutz erwarten kann.
Immerhin gibt es auch für die, die ihre Heimat nicht verlassen wollen oder können, einen Hoffnungsschimmer: Auf Drängen von J-Flag (jamaikanische Schwulen und Lesben-Organisation), sowie durch Druck aus dem Ausland und nicht zuletzt durch den Einfluss von „amnesty international“ diskutiert das jamaikanische Parlament nun endlich die Forderung nach Aufhebung des homofeindlichen Gesetzes.
Ob das allerdings einen Umschwung der gesellschaftlichen Stimmung und damit in der Musikszene zur Folge haben wird, bleibt abzuwarten.


Aus: ourmunich Mai/2003