Offener Brief vom Chef an Bundespräsident Horst Köhler,
a.k.a. „Super-Horst“

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Horst,
Am 15.März 2005 hast Du als höchster Repräsentant der Bundesrepublik in Berlin vor dem Arbeitgeberforum eine Rede mit dem bedeutungsschwangeren Titel „Die Ordnung der Freiheit“ gehalten. Und wie immer, wenn der Bundespräsident eine Grundsatzrede auf sein Volk loslässt, lauern die sogenannten Experten in der Nähe der Mikrofone, um über die “historische Einordnung” des Gesagten zu schwadronieren – bescheidener geht‘s leider nicht.
Wo wird also unser aller Horst in den Geschichtsbüchern Platz nehmen – Fußnote oder Kapitel?
Dein Gastgeber, Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt war jedenfalls sichtlich gerührt und stimmte ein fröhliches Gebell an: „Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Bundespräsident, dass Sie uns klar und eindringlich verdeutlicht haben: Das kann nur mit einer Ordnung der Freiheit gelingen!“ (gemeint ist die Ordnung, die die Ausbeuter und ihre Handlanger vor der grundgesetzlich verbürgten Sozialpflichtigkeit des Eigentums und der Gemeinwohlverpflichtung der Wirtschaft schützt)
„Ordnung der Freiheit...“ Erwähntest Du, was da überhaupt nicht in Ordnung ist: Jogurt-Müller und seine Steuerflucht in die Schweiz, Ackermanns 11 Millionen Jahresgehalt oder die hohen Gewinne der Konzerne bei gleichzeitigem Arbeitsplatzabbau? Freiheit für die ungebremste Profitgier der Börsenspekulanten statt Menschenrecht auf Arbeit?
Nein, Du hast zum wiederholten Male in der untersten Schublade der neoliberalen Rhetorik gefischt: Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, niedrigere Unternehmenssteuern, Umbau (sprich: Privatisierung) der Sozialsysteme, jammern über zuwenig Experten in der Jugend (bei gleichzeitigen Einfordern von Studiengebühren).
Zum Abschluss Deiner Rede hast Du noch ein As aus dem Ärmel geschüttelt – Die rührende Geschichte im Original: „John F. Kennedy hat oft Cape Canaveral besucht. Es wird erzählt, er habe dabei einmal einen Arbeiter angesprochen, der gerade eine Halle fegte. ‚Was ist Ihr Job?‘, fragte er ihn. Der Arbeiter antwortete: Einen Menschen auf den Mond bringen, Mr. President‘. Mancher mag darüber lächeln. Mich beeindruckt die Kraft, die hinter dieser Antwort steckt.“
Hmm... Was willst Du damit sagen? Alles eine Frage des Standpunktes? Der ausgebildete Lehrer, der jetzt dank Hartz IV für 1 Euro die Schule putzt, während seine Kollegen vor Klassen mit 30 Schülern unterrichten, arbeitet also hart für bessere Ergebnisse im Pisa-Test?
Tja, lieber Horst, Du siehst die vielen Fragezeichen. So wird das leider nichts mit den Geschichtsbüchern. Das reicht gerade noch für den Titel des „Super-Horst“ in der Bild-Zeitung. Wenigstens die Formulierungen müssten nicht ganz so bieder daherkommen. Die Rede Deines Vorvorgängers Roman Herzog war zwar genauso sinnfrei, aber zumindest hat die Floskel „Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen“ die Zeiten überdauert – als dankbare Steilvorlage fürs Kabarett.
Ach und noch was. Mit deinem Christentum, das Du stets wie eine Fahne vor dir herträgst, scheint nicht viel los zu sein. Deine Gattin hat Recht, wenn sie sagt, dass „in unserem Land zu wenig gebetet wird“. Zwar hilft das der Gesellschaftskrise kaum, der nützte nur die wirklich christliche „Option für die Armen und Ausgegrenzten“, aber für Dein Seelenheil ist beten wohl angebracht. Auf eine der zentralen Aussagen Jesu im Neuen Testament: Man könne nur einem Herrn dienen, Gott oder dem Mammon (Reichtum, Geld), hast Du in deiner Rede eindeutig auf den Mammon gesetzt. Denn, lieber Horst, eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich der Himmel eingeht!
Na ja, zumindest schmorst Du nicht ganz allein in der Hölle – Deine Kumpels vom Arbeitgeberforum sind bestimmt dann auch schon da.

Bis bald,
Dein Lutz Ifer