60. Jahrestag, 50 Jahre rechts um!

In diesem Jahr feiern wir den 60. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Leider gibt es da noch einen anderen Jahrestag, den 50. Geburtstag der Bundeswehr. Als größter Gewaltapparat der BRD bedarf die Bundeswehr einer besonderen zivilen Kontrolle, die aus unserer Sicht bisher nicht ausreichend umgesetzt wird, denn die Bundeswehr steht im Schatten der Wehrmacht. Ehemalige Wehrmachtssoldaten und Generäle, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, gehörten zu den Gründungsvätern der Bundeswehr. Schon immer gab es rassistische und rechtsextremistische „Besondere Vorkommnisse“ bei der Bundeswehr. Die Bundeswehr wurde von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen aufgebaut, die in ihrer militärischen Funktion Teil des NS-Regimes und verantwortlich für den Vernichtungskrieg waren. Dies schien auch notwendig, denn nur die alten Frontkämpfer und die alte Generalität hatten das Know-how innerhalb kürzester Zeit eine Armee mit entsprechender Mannstärke für den damals beginnenden Kalten Krieg aus dem Boden zu stampfen. Zu diesem Zweck wurde im Vorlauf und auf Verlangen der Wehrmachtsangehörigen für eine bundesdeutsche Wiederbewaffnung auch die Ehre der Deutschen Soldaten wieder hergestellt.

Militär, Uniformen, Waffen und strenge Führungsstrukturen haben auf Rechtsradikale und Rechtsextremisten eine besondere Anziehungskraft. Sie wollen die Bundeswehr im Sinne „nationaler Positionen“ beeinflussen und haben Interesse am Erwerb von Kenntnissen im Umgang mit Waffen. So werden entsprechende Umtriebe zumindest immer wieder durch den Wehrbeauftragten erklärt. Wie viele „Besondere Vorkommnisse“ in den vergangenen beiden Jahren in der Bundeswehr dokumentiert wurden, wollen wir kurz darstellen. Was an dieser Stelle nicht geleistet wird, ist eine Analyse und/oder Qualifizierung/Quantifizierung der Vorfälle. Von offizieller Seite gibt es diese ebenfalls nicht, beziehungsweise solche Analysen werden, wenn es sie gibt, nicht veröffentlicht. Meist wird nur von einem Anstieg oder Rückgang der Vorkommnisse berichtet. Außen vor bleibt ebenfalls, ob es eine Abhängigkeit zwischen Vorfällen und der Anzahl der dienenden Soldaten gibt, oder ob es zeitweise eine höhere Sensibilität gibt, solche Fälle zu melden.

Jahresbericht des Wehrbeauftragen 2004
Letztes Jahr wurden 134 „Besondere Vorkommnisse“ mit Verdacht auf rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Hintergrund gemeldet. Der Wehrbeauftragte listet einige Beispiele auf, die sich mit Propagandadelikten (Zeigen des Hitlergrußes, Feiern des „Führergeburtstags“ am 20.04. etc.) befassen (Jahresbericht S.40). Laut Wehrbeauftragtem handelt es sich zu 97 % um Propagandadelikte. (Jahresbericht S. 41)

Nicht thematisiert werden schwerwiegende Vorfälle, über die zum Teil in den Medien berichtet wurde. So griff in der Nacht zum 18. Juli 2004 in Brandenburg/Havel ein Oberfeldwebel der Bundeswehr einen Kenianer mit einer Glasscherbe an und fügte diesem eine lebensgefährliche Schnittwunde am Hals zu (Die Welt: 09.?02.?05). In einem weiteren Fall wird einem 23 jährigen Bundeswehrsoldaten ein Mordversuch an einem Autofahrer vorgeworfen. Weil der Autofahrer auf den „Sieg Heil“-Ruf des Soldaten mit „Petri Heil“ antwortete, wurde er aus dem Auto gezerrt. Der Soldat und ein weiterer Schläger prügelten und traten den Autofahrer krankenhausreif (Berliner Zeitung 26.07.?04).

Der 2003 entlassene Ex-General Günzel des Kommando Spezialkräfte agiert mittlerweile im offen rechtsextremen Milieu (ND 26.11.04). Der „Kameradenkreis“ der „Gebirgstruppe“ trifft sich weiterhin mit alten Kameraden zu Pfingsten, um die Heldentaten des Zweiten Weltkriegs abzufeiern (www.nrw.vvn-bda.de/texte/hearing_angreifbare_tradpflege.htm). Weiterhin bahnte sich im Jahr 2004 der Streit um die Traditionswürdigkeit des Namenspatrons des Jagdgeschwaders 74 „Mölders“ und der Mölders-Kaserne in Visselhövede an, der zur Zeit das Verteidigungsministerium beschäftigt. Mölders war während der NS-Zeit Mitglied der „Legion Condor“, die im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Faschisten gekämpft hatte, und wurde mit seinen 117 Abschüssen als Flieger-As verehrt. Nun regt sich in der Bundeswehr der Widerstand gegen die Umbenennung der beiden Standorte. 116 „Bewunderer“, darunter hochrangige ehemalige Bundeswehroffiziere, schalteten demonstrativ eine „Todesanzeige“ für Mölders in der FAZ.

Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2003
„Im Berichtszeitraum wurden 139 „Besondere Vorkommnisse“ mit Verdacht auf rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Hintergrund gemeldet.“ Nach den Angaben des Wehrbeauftragten handelt es sich ausschließlich um so genannte Propagandadelikte. Bei den Tätern handelt es sich etwa zu 70% um Grundwehrdienstleistende oder freiwillig zusätzlich Wehrdienst leistende Soldaten. Unterteilt nach Dienstgradgruppen lag der Anteil der Mannschaften bei etwa 83%, der Anteil der Unteroffiziere bei 16% und der Anteil der Offiziere bei 1%. (Jahresbericht des Wehrbeauftragten S.34)

Ob es sich bei dem Einen Prozent um die Wortmeldung des KSK-Chefs und Brigadegenerals Reinhard Günzel handelt, der dem Reserveoffizier und CDU-Abgeordneten Martin Hohmann wegen dessen geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Ansprache die Stange hielt, bleibt offen. Unklar bleibt auch, ob die Äußerung Günzels aus dem Jahre 1995 (damals war er noch bei der Panzergrenadier­brigade 37) Einzug in den 1995er Jahresbericht fand. 1995 gab es angeblich auch nur einen Offizier, der rechtsradikal auffiel. Günzel sagte damals jedenfalls, er erwarte von seiner Truppe „Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS“ (Süddeutsche Zeitung, 06.11.2003).

Ohne Erwähnung bleibt auch wieder der Kameradenkreis der Gebirgstruppe, der, 1952 gegründet, in Mittenwald zu Pfingsten zum 46 ten mal ein Traditionstreffen zwischen alten und neuen Kameraden aus Wehrmacht und Bundeswehr zelebrierte. Das Pfingsttreffen der ehemaligen und aktiven Gebirgsjäger wird seit jeher aktiv von Bundesregierung und Bundeswehr unterstützt. Alle Jahre wieder wird durch die Bundeswehr ein Kranz der Bundesregierung am Ehrenmal auf dem Militärgelände, dem Hohen Brendten, niedergelegt. Oft halten Politiker und aktive Soldaten die Ehrenreden.

Aus dem kurzen Überblick wird deutlich, dass rechtsextreme Traditionspflege und zum Teil darauf beruhende Gewalttaten im 50. Jahr der Bundeswehr nicht verschwunden sind. Der braune Sumpf erstreckt sich von der Generalität bis zu den Mannschaften.


Michael Behrend