Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus einem Brief der Bürger von Falludscha an UN-Generalsekretär Kofi Annan. Er wurde im Oktober, kurz vor der Großoffensive der Besatzer, verfasst.

»... eine Unterrichtsstunde in amerikanischer Demokratie?«


Euer Exzellenz,
es ist sehr offensichtlich, dass die amerikanischen Streitkräfte jeden Tag im Irak Völkermordverbrechen verüben. Jetzt, während wir an Eure Exzellenz schreiben, verüben die amerikanischen Streitkräfte diese Verbrechen in der Stadt von Falludscha. Die amerikanischen Kampfflugzeuge werfen ihre mächtigsten Bomben auf die Zivilbevölkerung, die Hunderte von unschuldigen Leuten töten und verletzen. Zur gleichen Zeit greifen ihre Panzer die Stadt mit schwerer Artillerie an.
Wie Sie wissen, gibt es keine militärische Präsenz in der Stadt. Es gab keinerlei Aktionen seitens der Falludscha-Widerstandsbewegung in den vergangenen Wochen, weil die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Stadt und der Regierung gut voranschritten. In dieser Atmosphäre geschahen die neuen Bombardements der Amerikaner, während die Bevölkerung von Falludscha sich auf das Ramadan-Fest vorbereitete.
Nun sind viele von ihnen in den Überresten ihrer zerbombten Häuser eingeschlossen, wie in einer Falle und niemand kann ihnen helfen während die Angriffe weitergehen.
In der Nacht des 13. Oktobers allein haben amerikanische Bombardements 50 Häuser zerstört mit ihren Bewohnern darin. Ist das ein genozidales Verbrechen oder eine Unterrichtsstunde in amerikanischer Demokratie? Es ist offensichtlich, dass die Amerikaner Terrorakte gegen die Bevölkerung von Falludscha begehen nur aus einem Grund: Die Weigerung, ihre Besatzung zu akzeptieren.
Euer Exzellenz und die ganze Welt weiß, dass die Amerikaner und ihre Alliierten unser Land zerstört haben, unter dem Vorwand, es existierten Massenvernichtungswaffen. Jetzt, nach all der Zerstörung und der Tötung von Tausenden von Zivilisten, haben sie zugegeben, dass keine Waffen gefunden wurden. Aber sie haben dann nichts gesagt zu all den Verbrechen, die sie begingen. (...)
Wir wissen, dass wir in einer Welt leben, die mit zweierlei Maß misst. In Falludscha, haben sie ein neues, vages Ziel erschaffen: AL ZARQAWI: Das ist der neue Vorwand, um ihre Verbrechen zu rechtfertigen, das Töten und das tägliche Bombardement von Zivilisten. Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem sie diesen neuen Vorwand erfunden haben und jedes Mal, wenn sie Häuser, Moscheen und Restaurants zerstören und Kinder und Frauen töten, sagen sie »Wir haben eine erfolgreiche Operation gegen Al-Zarqawi durchgeführt.« Sie werden niemals sagen, dass sie ihn getötet haben, weil es eine solche Person nicht gibt. Und das bedeutet, dass das Töten von Zivilisten und der tägliche Genozid weitergehen wird.
Die Bevölkerung von Falludscha versichert Ihnen, dass diese Person, falls sie existiert, nicht in Falludscha ist und wahrscheinlich nirgendwo im Irak. Die Bevölkerung von Falludscha hat viele Male angekündigt, dass jede Person, die al-Zarqawi sehen würde, ihn töten solle. Nun kann aber jeder erkennen, dass dieser Mann nur eine hypothetische Figur ist, die von den Amerikanern erschaffen wurde. Gleichzeitig haben die Vertreter von Falludscha, unsere Stammesführer, bei vielen Gelegenheiten, das Kidnapping und Töten von Zivilisten angeprangert und wir haben keine Verbindung zu irgendeiner Gruppe, die solch inhumanes Verhalten praktiziert. (...)
Die Stadt war sehr ruhig und friedlich, als ihre Einwohner sie wieder selbst verwalten konnten. Wir haben keine Unruhen in der Stadt gehabt. Die zivile Verwaltung ging gut, wenn man ihre begrenzten Möglichkeiten in Betracht zog.
Wir haben einfach die Besatzungsmacht nicht Willkommen geheißen. Das ist unser Recht gemäß der UN-Charta., dem internationalem Recht und den Normen der Humanität. (...)
Hochachtungsvoll

Kassim Abdullsattar al-Jumaily
Präsident des Studiumzentrums für Menschenrechte und Demokratie
Für die Bevölkerung von Falludscha und für den Falludscha Shura Rat (Anm. der Übersetzerin: Stadtrat), die Juristenvereinigung, die Lehrervereinigung, den Rat der Stammesführer, das Haus der Fatwa und religiösen Erziehung