Die globale Monarchie der Konzerne
oder die Enteignung des politischen Raums

Das Ende des Nationalstaates
Transnationale Konzerne agieren in ihrem ökonomischen und damit auch politischen Handeln weit über nationale Grenzen hinaus. Ihr Interesse gilt der Deregulierung und Privatisierung aller Bereiche in den nationalen Volkswirtschaften, in denen sie schon wirken oder künftig wirken wollen. Die fortschreitende Verschmelzung der einzelnen nationalen Wirtschaften, die bislang noch vom kulturellen Erbe, besonderen Handlungs- und Vorstellungsweisen ihrer Bevölkerung geprägt waren, zu einem einheitli-chen Weltmarkt bezeichnet man mit dem Schlagwort Globalisierung (siehe: Jean Ziegler, „Herrscher der Welt“, München 2003). Die gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen der einzelnen Staaten werden zerstört und den Konzernen verfügbar ge-macht. Die Reste nationaler demokratischer Instanzen verlieren immer mehr an politi-schem Einfluss. Waren die multinationalen Konzerne noch als deutsche, US-amerikanische oder japanische Unternehmen anzusprechen, die zwar weltweit produzieren ließen aber einen nationalen Standort hatten, so sind transnationale Konzerne solche, die jede staatliche Anbindung verloren haben und beispielsweise ihr Steuerbüro in Irland, ihre Abrechnungsstelle auf den Kaiman-Inseln, ihr Service Center in Südkalifornien und ihre Briefkastenadresse in Liechtenstein haben.
Auf globaler Ebene (UNO) gibt es keine regulierenden demokratischen Kontrollgremien, keine Schutzmechanismen, die mit einem ordnenden gesetzgeberischen Handeln die ungebremst agierenden wirtschaftlichen Gewinn- und damit Machtinteressen der ökonomischen Multis bändigen. Die heute rund 45000 transnationalen Konzerne – vor 20 Jahren waren es nur 7000 – beherrschen das politische Kräftespiel auf allen Ebenen. 200 der führenden transnationalen Unternehmen sind so mächtig, dass ihr gemeinsamer Jahresumsatz die wirtschaftliche Gesamtleistung von 182 der 191 Län-der der Erde übertrifft. Zu den 100 größten Wirtschaftseinheiten der Welt gehören 53 Konzerne und nur 47 Staaten. Wal Mat, der zweitgrößte Konzern der Welt, besitzt ein größeres Wirtschaftsvolumen als die Volkswirtschaften von 178 Ländern.

Die neue politische Klasse
In der Vergangenheit versuchte die politische Klasse, einen Konsens zwischen den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen herzustellen. Zu diesen Gruppen gehörte auch die Wirtschafts-elite, die eine der mächtigsten Gruppen im Spiel der Kräfte war. „Wo der Markt seiner Eigengesetzlichkeit überlassen ist, kennt er nur Ansehen der Sache, kein Ansehen der Person, keine Brüderlichkeits- und Pietätspflichten ...Sie alle bilden Hemmungen der freien Entfaltung der nackten Marktvergemeinschaftung“ (Max Weber). Im Prozess der Konsensbildung übte deshalb die politische Klasse ihre ordnungspolitische Macht aus. Sie regulierte durch Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik, durch öffentliche Investitionen sowie mit Hilfe von Gesetzen im Arbeitsschutz und auf dem Gebiet des Umweltschutzes das Wirtschaftsgebaren der Unternehmen.
Der Neoliberalismus als Marktideologie plädiert für einen schlanken (schwachen) Staat und behauptet, der Markt sei der Ordnungsfaktor in der Gesellschaft; er reguliere nicht nur das wirtschaftliche Handeln, sondern auch die gesellschaftlichen Prozesse. Die transnationalen Konzerne kaufen sich in die mediale Öffentlichkeit ein, setzen mit Hilfe von Bestechung, Parteienfinanzierung und angebotener Medienpräsens ihre Wirtschaftslobbyisten an die Schalthebel von Politik und Gesellschaft. Sie denunzieren die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit als Neid-Agitation, die den Kollektivneid auf die Leistungsträger der Wirtschaft schürt. Die neue Klasse von Politikern stammt selbst aus der Wirtschaftselite. Politiker wie George W, Bush, der erst mit Hilfe der Ölkonzer-ne an die Macht gelangte, wie Silvio Berlusconi, der vor seiner politischen Karriere schon Führer eines Wirtschaftsimperiums war oder wie der mexikanische Präsident Vincente Fox, der als Vize-Präsident von Coca Cola fungierte sind beredte Beispiele dafür, dass diese neue politische Klasse allein im Interesse einer gesellschaftlichen Gruppe, nämlich der Wirtschaftselite, Politik betreibt. Die Repräsentanten dieser Elite haben es auf Grund ihrer Herkunft, ihrer eigenen ökonomischen Machtposition oder der hinter ihnen stehenden Wirtschaftskraft nicht mehr nötig, einen Konsens zwischen den Interessengruppen innerhalb des Staates herzustellen. Der demokratische Ausgleich zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitik ist nicht mehr von Nöten. Die Arbeitnehmer, die Arbeitslosen und Rentner sind im
politischen Gefüge machtlos geworden. Der Sozialstaat behindert nur die Gewinnmaximierung der Konzerne.

Die Diktatur der Ökonomie
Mit der neuen politischen Klasse haben sich auch die politischen Inhalte verändert. „Denn mehr als jemals zuvor bestimmen heute die transnationalen Unternehmen die Inhalte der Politik. Das führt so weit, dass die hervorragend organisierte Wirtschaftslobby den Regierungen ihr Regierungsprogramm diktiert. Die transnationalen Unternehmen regieren über die Konferenzen der Welthandelsorganisation (WTO) de facto bis in nationale Parlamente hinein“ (Maude Barlow, Leiterin des International Forum on Globalisation im dlf am 07.03.04). Die kanadische Ökonomin Maude Barlow gibt dafür ein Beispiel: Auf der internationalen Konferenz für nachhaltige Entwicklung und Um-weltschutz im Sommer 2003 in Südafrika sorgte die Allianz zwischen transnationalen Unternehmen, Unternehmer-Politikern und der internationalen Handelsbürokratie dafür, dass internationale Regeln für einen weltweiten Umweltschutz und für Nachhaltigkeit letztendlich unter den Tisch fielen. „Unter dem Schlagwort von der »Freiheit des Marktes« und dem »Freien Handel« werden Deregulierung, Privatisierung und der Verkauf gesellschaftlichen bzw. staatlichen Eigentums an transnationale Unternehmen betrieben. Dies sind die eigentlichen inhaltlichen Ziele dieser neuen »globalen Monarchie«“ (M. Barlow, ebenda). Diese Ziele werden mit Hilfe ihrer Lobbyisten in Weltbank, WTO und Weltwährungsfonds durchgesetzt. Beispielsweise räumt das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) den transnationalen Konzernen bei einer Behinderung von Investitionen das Recht ein, den Unterzeichner-Staat zu verklagen. Kanada verbot aus Gründen der Gesundheitsvorsorge und des Umweltschutzes den grenzüberschreitenden Handel mit MMT (einem giftigen Zusatz in Kraftstoffen). Der Herstellerkonzern verklagte den Staat Kanada auf mehrere Millionen Dollar Schadenersatz für entgangene Profite. Der kanadische Staat nahm das Verbot zurück und nimmt in Kauf, dass das Gift MMT das Grundwasser verunreinigt. Für das eine Jahr unter dem Handelsverbot erhielt der Konzern zig Millionen Dollar Schadenersatz und der kanadische Premierminister musste einen offiziellen Entschuldigungsbrief an die Konzernleitung richten. Auf ähnliche Weise herrschen transnationale Agrarkonzerne über die Grundnahrungsmittelproduktion. Hatten bisher arme Länder wie Indien oder Ägypten bei guten Ernten Nahrungsmittel gespeichert, um in schlechten Zeiten ihre Bevölkerung ernähren zu können, verbietet die WTO in einem Abkommen das „Horten“ von Nahrungsmitteln. So sind diese Staaten bei schlechten eigenen Ernten gezwungen, auf dem Weltmarkt hinzu zu kaufen. Seither gibt es in diesen Ländern wieder Hungertote. In den Philippinen wurde die Regierung von Minenkonzernen gezwungen, ihnen Schürfrechte auf 25 Jahre einzuräumen, die erwirtschafteten Profite steuerfrei ins Ausland transferieren zu können und in den Minengebieten Polizeirechte durch ihren privaten „Wachschutz“ gegen Minenarbeiter und Eingeborene wahrzunehmen. Das alles kann mittlerweile die globale Monarchie der Konzerne bei ihren „Untertanen“ durchsetzen.


Klaus Körner