»Das ist nur der Anfang...!«
über die Europäische Linkspartei
Nachdem wir in der vorletzten Ausgabe über die anstehende EU-Wahl berichtet hatten und die PDS mit ihrem besten Bundesergebnis von 6,2% wieder in das Europaparlament einzog, widmet sich der nun folgende Artikel der im Mai 2004 in Rom gegründeten „Europäischen Linkspartei“. 15 Parteien, darunter die PDS, aus allen Teilen des Kontinents mit mehr als 500000 Mitgliedern vollzogen den Zusammenschluss. Doch, warum wurde dieser notwendig? Und wie ist die Europäische Linkspartei aufgebaut?
Das Europaparlament hat sich konstituiert. Für die Linke wird es schwieriger werden, europäische Gesetzgebung und Politik zu beeinflussen, denn es gibt eine Machtverschiebung zu Gunsten konservativer und rechtspopulistischer Parteien. Die potenziellen Partner bei Beschlüssen mit sozialer Dimension – die europäischen Sozialdemokraten und Grünen – konnten sich nur knapp behaupten, während die Linksfraktion kleiner wurde. Erste Konsequenz ist die Wahl des Irak-Kriegs-Befürworters José Manuel Barroso zum neuen Präsidenten der EU-Kommission, dessen erster Kommissionsvorschlag auf erheblichen Widerstand des Europäischen Parlamentes gestoßen ist. Das anschließende Auswechseln zweier nominierter Kommissare stellt jedoch keine wesentliche Veränderung dar. Das lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten.
Die Notwendigkeit einer „Europäischen Linkspartei“
Doch es scheint, als ob in Europa nach den Wahlen zum Europäischen Parlament
trotzdem wieder Hoffnung aufkeimen kann. Hoffnung, dass eine Vision immer mehr
Europäer zu großen Aktionen des Widerstandes gegen die Durchsetzung
einer dem Weltmarkt unterworfenen Globalisierung, mit der die Bevölkerung
in die Falle neuen sozialen und kulturellen Rückschritts gelockt werden
soll, vereint. Neuer starker Widerstand ist im Entstehen, sei es nun in Deutschland
gegen die Hartz-Gesetze, in Italien gegen die Beeinflussung der Justiz durch
Berlusconi oder in Frankreich gegen neoliberale Sozialreformen. Dadurch ergeben
sich neue Möglichkeiten, das Leben der europäischen Bevölkerung
zu verändern, die von der kapitalistischen Logik der Weltwirtschaft mehr
und mehr betroffen ist.
Auch nach dem Ende des Kalten Krieges lässt die Theorie des permanenten
Krieges, wie sie gegenwärtig in der Bush-Doktrin zum Ausdruck kommt, den
Strudel von terroristischer Gewalt, die von diesem Krieg genährt wird sowie
Ungleichheiten wachsen und das Feld für Demokratie schrumpfen. In allen
europäischen Ländern leiden die Menschen heute unter der Politik des
globalisierten Kapitalismus, den die Regierungen im Interesse ihrer eigenen
Volkswirtschaft und den damit verbundenen Lobbygruppen durchsetzen. Diese untergräbt
die Solidarität und die sozialen Errungenschaften, die in jahrelangen schweren
Kämpfen erreicht wurden. Wir erleben momentan daher nicht nur in der Bundesrepublik
einen Generalangriff auf die Rentensysteme, den Abbau und die Privatisierung
der sozialen Sicherungssysteme, die Einführung der Marktgesetze für
wesentliche öffentliche Dienstleistungen und Bereiche wie Bildung, Gesundheit,
Kultur, aber auch für Gemeinschaftsgüter wie Wasser und andere Naturressourcen,
die Deregulierung des Arbeitsmarktes und vor allem die Ausbreitung ungeschützter
Arbeitsverhältnisse. Gegen Gewerkschaften wird zunehmend härter vorgegangen,
Immigranten werden kriminalisiert, oder es werden Gesetze erlassen, die aus
der Europäischen Union eine abgeschottete Festung zu machen scheinen.
Alles – von der Arbeit bis zum Alltagsleben – wird zur Ware. Im
Europa von heute nehmen Arbeitslosigkeit, Militarisierung nach außen –
wie im Balkan, Afghanistan und Irak-Krieg demonstriert – und nach innen
durch repressive, Freiheit raubende Gesetze, immer mehr zu.
Für den europäischen Kontinent und die Europäische Union kann
das nur heißen, dass in der internationalen Politik ein Raum für
das Wiedererstehen des Kampfes um eine andere Gesellschaft wieder Priorität
haben muss. In Europa ist die Schaffung einer alternativen, radikalen, ökologischen
und feministischen Linken die Herausforderung der neuen Phase, die jetzt beginnt.
Der plurale Charakter der Bewegungen kann jetzt von dieser neuen politischen
durchdrungen werden, denn die „Europäische Linkspartei“ will
ein neues Verhältnis von Gesellschaft und Politik entwickeln.
Doch was ist das Besondere an einer neuen Partei, die sich der o.g. Themen auf
europäischer Ebene annimmt?
Struktur und Parteien der Europäischen Linkspartei
Wie jede andere Partei hat die EL einen Vorstand sowie einen Parteitag (bei
der EL: Kongress). Der Kongress wählt den Vorstand, berät und beschließt
den Aktionsplan sowie politische Stellungnahmen der EL. Er tritt mindestens
alle zwei Jahre
zusammen und tagt abwechselnd in den Mitgliedsländern der EL.
Aber es gibt auch noch ein drittes Gremium – den Rat der Vorsitzenden
(der Mitgliedsparteien), der über Mitgliedsanträge befindet und gegenüber
dem Vorstand ein Veto- sowie Initiativrecht hat.
Mitglied der EL mit allen Rechten und Pflichten können Linksparteien bzw.
politische Organisationen werden, die im Europäischen Parlament oder in
den nationalen oder regionalen Parlamenten und Versammlungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten
vertreten sind. Aber auch Parteien bzw. politische Organisationen aus Nicht-EU-Mitgliedsländern
können Mitglied werden.
Doch einmalig ist wohl das Experiment einer “Einzelmitgliedschaft“
in der EL, d.h. dass Einzelpersonen Mitglied werden können, ohne in einer
der beteiligten Parteien organisiert zu sein. In Ländern, wo Mitgliedsparteien
oder politische Organisationen der EL mit allen Rechten und Pflichten bestehen,
können einzelne Mitglieder Freundschaftskreise bei den EL-Parteien bilden.
Allerdings befindet sich dieses Projekt noch in der innerparteilichen Diskussion
und soll auf Zeit getestet werden.
Aber auch linke politische Vereine, Stiftungen, Gewerkschaften etc. können
sich in die EL einbringen.
Die Europäische Linkspartei soll die verschiedenen sozialistischen, kommunistischen,
ökologischen und anderen demokratischen Linksparteien Europas vernetzen,
zu einer besseren Zusammenarbeit beitragen und neue Kooperationsformen entwickeln.
Sie setzt sich zum Ziel die kapitalistischen Grundverhältnisse in der EU
zu durchbrechen und die linken Projekte und Ideen der Mitgliedsparteien verstärkter
zu kommunizieren und durchzusetzen. Andererseits will sie eine europäische
Öffentlichkeitsarbeit fördern, die die Bildung einer linken, emanzipatorischen
europäischen Identität aktiv unterstützt.
Auf der ersten Tagung ihres Vorstands hat die EL zahlreiche Aktionen beschlossen,
mit denen sie auf die Gestaltung einer linken Alternative für Europa Einfluss
nehmen will.
So fordert sie in einer besonderen Erklärung den Abriss der israelischen
Mauer auf palästinensischem Gebiet.
Die Eurolinke, die sich den sozialen und alternativen Bewegungen des Kontinents
sehr verbunden fühlt, nahm an allen sechs Achsen des Europäischen
Sozialforums im Oktober in London aktiv teil. Dort stellte sie einen Pakt für
Vollbeschäftigung und gegen Arbeits- und Lohndumping vor.
Der EU-Verfassungsentwurf wird sehr kontrovers diskutiert und überwiegend
abgelehnt, denn dem neoliberalen EU-Grundgesetz soll ein alternativer Gesellschaftsvertrag
entgegengesetzt werden.
Einig sind sich einig, dass nur die BürgerInnen der EU über eine Verfassung,
die ihr Leben nicht unwesentlich beeinflussen wird, entscheiden sollen. Dafür
wird nun europaweit geworben und Druck auf die Regionen ausgeübt.
Patrice & Oskar