Keine Berührungsängste mit den Diktatoren:
Oben: US-Außenminister Powell mit Kameruns Paul Biya
Unten: Chirac mit General Gnassingbe Eyadema (Togo)

 

Im folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus Jean Zieglers Buch „Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher“, aus dem wir schon in der letzten Ausgabe zitierten. Eben ein wirklich tolles Buch. Die Überschrift für den Ausschnitt ist von uns formuliert.


Die Tyrannen der globalen Herrscher

Sehen wir uns um: Lassen globalisierte Wirtschaft, Freiheit des Handels und die fortschreitende Errichtung eines einheitlichen Weltmarkts wirklich die Despoten stürzen? Verhindern sie Kriege?
Genau das Gegenteil bewirken sie. Sehen wir uns zunächst bei den Despoten um!

Guinea
Aufgrund ihrer Aluminiumbergwerke in Fria ist die Republik Guinea (Hauptstadt Conakry) eines der am festesten in den globalisierten Handel eingebundenen Länder der Dritten Welt.
Das Land wird von einem unbedeutenden Brigadegeneral tyrannisiert. Sein Name: Lansana Conte. Für die Belange des Rechtsstaats legt er eine gesunde Verachtung an den Tag. Er verkündet: „Menschenrechte? Keine Ahnung, was das sein soll!“

Tschad
In N‘Djamena, der Hauptstadt der Republik Tschad, lässt der gegenwärtige Staatschef in den Verliesen unter seinem Präsidentenpalais politische Gefangene foltern – in der Regel, bis sie tot sind. Idriss Deby setzt damit nur eine schöne Tradition fort, die sein Vorgänger, der General und abgesetzte Präsident Hissene Habre, begründet hat. Dieser war vom Untersuchungsrichter in Dakar der Verbrechen gegen die Menschheit beschuldigt worden, doch wurde das Verfahren später abgebrochen. Heute genießen Habre und sein Hofstaat einen glücklichen Ruhestand auf der Corniche, dem eleganten Viertel entlang der Atlantikküste in Dakar.
Idriss Deby ist ein Musterschüler der Herrscher der Welt. Er setzt gewissenhaft die verschiedenen Strukturanpassungsprogramme des IWF um und bedient die Staatsschulden auf Heller und Pfennig. Er hat den Binnenmarkt liberalisiert, das Steuersystem den Erfordernissen der transnationalen Gesellschaften angepasst, den öffentlichen Sektor privatisiert und eine Investitionsordnung verkündet, welche die ausländischen Kapitalisten erleichtert aufseufzen lässt.
Die Weltbank vergilt es ihm königlich. Sie hat im Tschad ihre größte Investition auf dem gesamten Kontinent getätigt; namentlich finanziert sie die Ausbeutung der Erdölfelder von Doba sowie eine tausend Kilometer lange Pipeline, die von hier durch den Urwald von Kamerun bis zum Atlantik führt.

Togo
In Togo lässt General Gnassingbe Eyadema, Ehrenpräsident der Organisation der afrikanischen Einheit (OAU), Studenten, mit Handschellen gefesselt, bei lebendigem Leib aus Hubschraubern in die Lagune von Be bei Lome werfen. Mithilfe seiner Stammesarmee, die er mehrheitlich aus seinem eigenen Volk, den Kabye, rekrutiert hat, behauptet Eyadema seit 1967 seine absolute Macht.
Der am 22. Februar 2001 vorgestellte Bericht der Internationalen Untersuchungskommission der UNO und der OAU zur Lage in Togo kommt zu dem Ergebnis, dass in Togo „eine Situation systematischer Menschenrechtsverletzungen“ bestehe. Der Bericht prangert Verbrechen der Folter, der Vergewaltigung und der außergerichtlichen Hinrichtung an. Er weist außerdem auf zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie die unmenschlichen Bedingungen hin, unter denen bestimmte Inhaftierte leben müssen.

Kamerun
In Kamerun erließ Präsident Paul Biya einen „Einsatzbefehl für die Spezialsicherheitskräfte“. Laut Kardinal Tumi, Erzbischof von Douala, wurden auf diesen Befehl hin zwischen Februar 2000 und Februar 2001 über 500 Jugendliche ermordet, die im Verdacht „oppositioneller Umtriebe gegen das Regime“ standen.

China
Und wie steht es mit China? In diesem riesigen Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern wird das Volk von einer korrupten und totalitären Partei tyrannisiert. Gleichzeitig haben die an der Macht befindlichen Bürokraten die Wirtschaft bis zum Äußersten liberalisiert, die Reichtümer verschleudert, „Zonen freier Produktion“ errichtet, die Löhne gedrückt und ein Steuersystem ganz nach dem Herzen der ausländischen Kapitalisten geschaffen.
In Peking, Kanton, Schanghai herrscht die wüsteste Immobilienspekulation. Auf dem Lande leiden Hunderte Millionen von Familien an Unterernährung, während die roten Krösusse immense persönliche Vermögen anhäufen. Die Wachstumsrate in China lag im Jahre 2000 bei 6%. Im November 2001 wurde das Land in die WTO aufgenommen.

Fazit
Überlang ist die Liste von mörderischen Regimes, die auf unserem Planeten wüten, obwohl sie durch Privatisierung und den freien Strom von Kapital und Waren angeblich geeint und reformiert sind. Den Despoten geht es glänzend – von Usbekistan bis Irak, von Honduras bis Tadschikistan, von Georgien bis Burma, von Burkina-Faso bis Liberia, von China bis Nordkorea.

Wie steht es um die Gemetzel, die Massaker und brudermörderischen Schlächtereien auf jenen Kontinenten, die der Gnade der Privatisierung und Liberalisierung teilhaftig geworden sind? Die Parole „World peace through world trade“ (Weltfriede durch Welthandel) wirkt da eher wie ein makabrer Scherz. Anstatt die kriegerischen Gelüste zu dämpfen, reizen die Privatisierung staatlicher Funktionen und die Liberalisierung des Handels die Menschen an und treiben sie zu Verbrechen.

Ein besonders schlagendes Beispiel ist die Rolle, die der freie Diamantenverkehr in den Bürgerkriegen in Angola, Liberia, Guinea und Sierra Leone spielt.
Fode Sankhol, Chef der Revolutionary United Front (RUF) von Sierra Leone, lässt Diamantenarbeitern, die ihm ihre Produktion nicht ausliefern wollen, Hände und Arme abhacken. Charles Taylor, Blaise Campaore, Gnassimbe Eyadema und andere regierende Diktatoren in den Staaten Westafrikas, wo die Blutdiamanten zirkulieren, fördern aktiv die Austragung von Bürgerkriegen, in denen es einzig und allein um die Herrschaft über die Diamantenfelder geht. Nicht anders in Angola: Seit einem Jahrzehnt überlebt die UNITA, die aufständische Bewegung der Ovimbundu, nur dank der von Jonas Savimbi geschaffenen illegalen Kanäle zur Kommerzialisierung der Diamanten.

Ohne das auf dem Spotmarkt von Rotterdam frei verkaufte Erdöl und ohne den Streit der Erdölgesellschaften um den Verlauf von Pipelines gäbe es die Kriege nicht, die gegenwärtig Usbekistan, Afghanistan, Tschetschenien zerrütten.
Im Jahre 2002 wüteten auf unserem Planeten 23 mörderische internationale Kriege oder innerstaatliche Konflikte. Fazit: Praktisch alle fundamentalen Aussagen der Ideologie der Herrscher befinden sich in flagrantem Widerspruch zur Realität.