Pablo Neruda
Am 12. Juli wäre der chilenische Nobelpreisträger 100 Jahre alt geworden. Der große lateinamerikanische Dichter, der mit einer nie versiegenden Flut von Worten Geschichte und Natur seines Subkontinents besang, aber auch scheinbar unbedeutendes in Verse goss wie die Ode an die Zwiebel oder an den Stuhl, verfolgte als ein Teil seines chilenischen Volkes die Politik seines Landes.
Er war der eigentliche Botschafter der Allende-Zeit und starb kurz nach dem von der CIA unterstützten Putsch der Reaktion unter General Pinochet am 23. September 1973.

 

Ode an die Gärtnerin
Pablo Neruda

Liebe, so auch
schenkte
deine Hand
aus Wasser,
dein Herz aus Erde
meinen Gesängen Fruchtbarkeit
und Kraft.
Du rührst
in meinem Schlaf
an meine Brust,
und meinem Traum
entknospen die Bäume.
Aufgewacht, öffne die Augen ich:
du hattest in meinem Innern
schattige Sterne
gepflanzt,
die nun aufsteigen
mit meinem Gesang.

So ist es, Gärtnerin:
Irdisch ist
unsere Liebe,
dein Mund des Lichtes Gewächs, seine Blütenkrone,
mein Herz aber wirkt in den Wurzeln.

Ich wusste wohl, dass deine Hände
die blühende Levkoje waren, die Lilie
von Silber:
irgend etwas hattest du
mit dem Erdreich,
dem Blühen der Erde zu tun,
doch
als
ich dich graben sah und graben,
kleine Steine auslesen
und Wurzeln in deine Hände nehmen,
da wusste ich auf einmal,
geliebte Gärtnerin,
nicht deine Hände
allein,
auch dein Herz
war aus Erde,
und dass du
deiner Arbeit
dort nachgingst,
an nasse
Pforten
rührtest,
durch die
die
Samenkörner
wandern.

Also
das Antlitz
befleckt
von einem Kuß
des Lebens,
gingst du
von einer frisch gesetzten
Pflanze
zur andern
und kehrtest,
blühend, zurück,
du gingst dahin,
und aus deiner Hand
erhob der Stiel
der Inka-Lilie
seine einsame Zartheit,
der Jasmin
schmückte
das Dunkel deiner Stirn
mit Sternen
aus Duft und Tau.
Dein ganzes
Wesen wuchs,
drang
in die Erde,
wurde
unmittelbares
grünes Licht,
Laubwerk und Fülle.
Du ließest es teilhaben
an deinen Samen,
Geliebte,
du meine rotblühende Gärtnerin:
deine Hand
und die Erde
sie nannten einander du,
und sie, deine Hand, war augenblicks
helles Wachsen.