Nachruf

Am 30. Juli 2004 starb mit 74 Jahren der Politiker und Theologe Wolfgang Ullmann, einer der wenigen Bürgerrechtler, die ihrem ursprünglichen Anliegen, bei Ullmann möchte man sagen, ihrer Botschaft treu geblieben sind. Der Experte der „Thomas-Müntzer-Forschung“ gründete mit anderen im September 1989 die Bürgerbewegung „Demokratie jetzt“, in der er mit seinem provokantem Idealismus für einen Sozialismus eintrat, der „seine eigentliche demokratische Gestalt“ erst finden müsse.

Verbindlich im Ton, doch hart in der Sache kämpfte er 89/90 am „Zentralen Runden Tisch“ für eine demokratische Verfassung der DDR, die zwar noch verabschiedet, von der Regierung Lothar de Maizières (letzter Ministerpräsident der DDR) auf Wunsch der Bonner „Anschluss-Strategen“ nicht mehr ratifiziert wurde. Von Ullmann stammte auch die Plakatidee, mit der das Bündnis 90 in die Märzwahlen 1990 in der DDR ging: Ein großes Telefon, dazu der Text: Artikel 23, kein Anschluss unter dieser Nummer! Denn gegen Ullmanns energisches Engagement in der Volkskammer wurde unter Verletzung des Grundgesetzes die DDR wie das Saarland nach Artikel 23 an die BRD „angeschlossen“ anstatt nach Artikel 146, der für eine Vereinigung vorgesehen war und der von der BRD auch die Aufgabe ihrer Staats- und Rechtsordnung zu Gunsten eines Neuen verlangt hatte (z.B. eine neue Verfassung). Für eine solche gemeinsame deutsche Verfassung stritt er noch in der Bundestagskommission, deren Verwirklichung jedoch von der „Kohl-Mehrheit“ erstickt wurde. Ebenso stammt von Wolfgang Ullmann die Idee, das sog. Volkseigentum in der DDR in Volksaktien (Anteilsscheine) umzuwandeln statt es durch die Treuhand an westdeutsche oder ausländische Konzerne zu „verramschen“ (den Weg der Volksaktie ist man teilweise bei der Privatisierung in Polen gegangen).

Ullmann war von Herbst 90 bis 94 im Bundestag für Bündnis 90/DIE GRÜNEN und danach bis 1999 Europaabgeordneter. Als Gegner des Kosovo-Krieges und bitter gewordener Streiter für Volksabstimmung und Bürgerentscheid passte er nicht mehr in die neoliberale Politik- und Medienlandschaft. Seine energische Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen, keine Sachzwänge als „Gott gegeben“ zu akzeptieren und sein Traum von einer von ihren eigenen Bürgern regierten Demokratie bleiben eine Botschaft über seine Lebenszeit hinaus.


Klaus Körner