Zum 70. Todestag des Dichters Erich Mühsam

Am 10.Juli 1934 wurde der Dichter Erich Mühsam Im Konzentrationslager Oranienburg von den Faschisten ermordet.
Verhasst war er den braunen Machthabern nicht nur als Antifaschist, als Jude, als Dichter des Klassenkampfes und als ein geistiger Führer der Münchner Räterepublik, sondern auch, weil er als Anarchist bis zur Machtergreifung der Nazis für die Einheit der Arbeiterklasse eingetreten war trotz der moskauhörigen KPD, die den Kampfgeist des Proletariats in die „reine“ Lehre und den Revisionismus sortierte, trotz der kleinbürgerlichen SPD mit ihren faulen Kompromissen mit der Reaktion.
Zeit seines Lebens (geb.1878) lebte Erich Mühsam für die Utopie einer befreiten Menschheit.



Der Gefangene (1918)

Ich hab`s mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen:
Sich fügen heißt lügen!

Ich soll? Ich muß? – Doch will ich nicht
nach jener Herrn Vergnügen.
Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht.
Rebellen kennen beßre Pflicht,
als sich ins Joch zu fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Der Staat, der mir die Freiheit nahm,
der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram
mich noch in Fesseln fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Stellt doch den Frevler an die Wand!
So kann`s euch wohl genügen.
Denn eher dorre meine Hand,
eh ich in Sklavenunverstand
der Geißel mich sollt fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Doch bricht die Kette einst entzwei,
darf ich in vollen Zügen
die Sonne atmen – Tyrannei!
Dann ruf ich`s in das Volk: Sei frei!
Verlern es, dich zu fügen!
Sich fügen heißt lügen!