Lautstark stören, sonst schlafen die Jungs noch ein!

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GelöbNIX auch in diesem Jahr erfolgreich!

Auch in diesem Jahr ist das zentrale Gelöbnis der Bundeswehr in Berlin gestört worden. Mehr als 800 Menschen beteiligten sich an der GelöbNIX-Demonstration. Die Kundgebung am Rande des hermetisch abgesicherten militärischen Sperrgebiets war lautstark und deutlich hörbar auf dem rund 300 Meter entfernten Gelöbnisplatz zu vernehmen. Im Innenkreis stürmten zwei AktivistInnen genau in dem Augenblick in die Gelöbnisaufstellung, als die Rekruten den Gelöbnisschwur sprechen sollten.

In diesem Jahr, dem 60. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler, wollte die Bundeswehr nach dem Motto „größer, besser, sicherer“ das militärische Zeremoniell unter den Blicken von Bundeskanzler und Bundespräsident feiern. Mehr als 500 Rekruten des Wachbataillons waren auf dem Appellplatz hinter einem meterhohen Metallzaun, abgeschirmt von 1 000 Polizisten und mehreren hundert Feldjägern, angetreten. Trotz höchster Sicherheitsstufe ist es drei AktivistInnen der Berliner Naturfreundejugend und der Brandenburger JungdemokratInnen/Jungen Linken gelungen, sich Zutritt zum Gelöbnis zu verschaffen. Unter dem Vorwand, an einer Studienarbeit zum Thema „Rituale und öffentlicher Raum“ zu arbeiten, erhielten zwei von ihnen offiziell Zugang und wurden auf der Pressetribüne platziert. Da diese Tribüne durch Feldjäger nicht hermetisch umstellt ist, konnten sie ungestört im feierlichsten Moment des Gelöbnisses, beim Sprechen des ersten Satzes der Gelöbnisformel, auf den Platz rennen. Sie riefen antimilitaristische Parolen, sorgten für Verwirrung und für eine „ausgesprochen peinliche Unterbrechung“ der Zeremonie, so der Berliner Tagesspiegel. Nachdem sie von Feldjägern eingefangen und abgeführt worden waren, wurde das Gelöbnis fortgesetzt. Ein dritter Aktivist wurde als „Mitarbeiter der Protokollabteilung des Bundespräsidialamtes“ akzeptiert, konnte aber die Zuschauertribüne nicht verlassen.

Unter dem Motto „Deutschland abschwören – Europa einheizen! Radikal gegen Militarisierung und Krieg!“ hatten mehr als 20 Gruppen und Organisationen zur Demonstration gegen das Gelöbnis der Bundeswehr aufgerufen. Die Polizei vor Ort wurde nervös, da sie „von oben“ mehrfach die Order erhalten hatte, dafür zu sorgen, dass die Kundgebung leiser werden müsse. Sie drohte den Einsatz von Wasserwerfern und die Erstürmung des Lautsprecherwagens an. Die DemonstrantInnen ließen sich nicht einschüchtern, trillerten weiter, skandierten Parolen und tanzten vor den Polizeiketten.

Seit 1999 findet das Gelöbnis am Jahrestag des 20. Juli und am Bendlerblock, dem Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministers, statt. Die Bundesregierung unter Schröder und Fischer, gestählt aus der Beteiligung der Bundeswehr am Angriffskrieg gegen Jugoslawien, hat diesen Termin und Ort bewusst gewählt, um der „neuen“ Bundeswehr einen positiven Bezug zur Wehrmacht zu geben. Der militärische Widerstand sei „Sinnbild und Symbol des deutschen Widerstands“ gegen die NS-Diktatur. Folgerichtig steht seit 1999 nicht mehr die mittels Gelöbnissen bezweckte Militarisierung der Gesellschaft im Mittelpunkt der Kritik, sondern der Traditionsbezug zum 20. Juli und die Militarisierung der bundesdeutschen Politik. Mit der Inszenierung des Mythos 20. Juli wird nicht nur der konsequente und frühe Widerstand anderer ausgeblendet, sondern auch unterschlagen, dass es nicht zuletzt die Militärs waren, die die Machtübertragung auf Hitler im Januar 1933 ermöglicht haben. Ohne Militärs hätte es nicht nur den 20. Juli 1944 nicht gegeben, sondern auch nicht die Aufrüstung der Wehrmacht und nicht den Angriffs- und Vernichtungskrieg, der am 1. September 1939 begann. Die Attentäter haben über lange Jahre gehorsam gedient, den Krieg bejaht und, mehr als das, selbst Befehle im national-sozialistischen Krieg erteilt. Und genau dies ist der eigentliche Grund, warum die Bundeswehr in ihnen Vorbilder sieht: Sie waren überzeugte Militaristen, bereit, für Deutschland Krieg zu führen, beseelt vom Nationalismus.

Ralf Siemens
Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär