Mein Europa? Dein Europa? Unser Europa!


Europäische Politik erscheint einem als fernab jeder Realität – weit weg in Glaspalästen in Brüssel oder Straßburg. Mehr Klischee als wirkliche Sachlage bestimmen den öffentlichen Diskurs über europäische Politik in den EU-Ländern.
Ins Schlaglicht der Presse kommt die EU in letzter Zeit nur durch ihre Außenpolitik im Nahen Osten, Handelsstreitigkeiten mit den USA oder interne Zerreißproben durch Blaue Briefe an Haushaltssünder, das klägliche Untergehen der europäischen Verfassung und Streitigkeiten mit den neuen Partnern am Tisch aus dem Osten sowie Süden des Kontinents.
Zu der verbreiteten Unwissenheit kommt oft eine Unterschätzung und damit Geringschätzung der politischen Eingriffsmöglichkeiten per EU in die staatlichen Gefüge der Mitgliedsländer.

Denn tatsächlich bestimmen die Entscheidungen der Europäischen Kommission im Zusammenspiel mit dem Europäischen Parlament (EP) und dem Rat der EU (Ministerrat) per Verordnungen und Richtlinien 80% des alltäglichen Lebens der Unionseinwohner und greifen tief in die Souveränität der nationalen Parlamente. Da EU-Recht deutsches Bundes- und Landesrecht bricht, haben die Parlamente oft nur noch einen engen Spielraum für die eigene Ausgestaltung der Gesetze. Durch Bestimmung des Rahmens in dem die Gesetzgebung liegen darf, will die EU in jedem Mitgliedstaat eine Angleichung der Standards erreichen. Eigentlich eine gute Idee, wenn wir die gleiche Drogenpolitik wie die Niederlande, die gleiche Sozialpolitik wie Schweden, die gleiche Einwanderungspolitik wie in Frankreich usw. überall hätten. Leider sieht die Realität anders aus.

Die innere Struktur der EU
Diese Einflussnahme der EU auf die politischen Prozesse der Mitgliedsstaaten läuft mehr oder weniger demokratisch ab, die Rechte der einzigen demokratisch gewählten, also von den Unionsbürgern legitimierten, europäischen Institution, dem EP hängen vom Inhalt des Gesetzes ab.
Die Mitentscheidungsrechte des EP sind auf die 1.Säule der EU beschränkt, hierbei handelt es sich z. B. um Asyl- und Einwanderungspolitik, (Aus-)Bildun, Außenhandel, Binnenmarkt, Beschäftigung- und Gesundheitswesen, Kultur- und Sozialpolitik, Umwelt und Verkehr.
Doch auch hier kann das EP nur mitentscheiden, es hat kein Gesetzinitiativrecht, darf also keine eigenen Gesetzesvorschläge einbringen, sondern kann nur vorgelegte Gesetze, zusammen mit dem Ministerrat, verändern und beschließen.

Nur die als „Hüterin der Verträge“ deklarierte EU-Kommission darf Gesetzentwürfe, für die Bereiche in denen die EU tätig werden kann, vorlegen. Sie bestimmt daher die Art und Weise und den Zeitpunkt der Entwicklung der Union.
Doch die Zusammensetzung der Kommission kann der Unionsbürger nicht mitbestimmen, dies entscheiden allein die nationalen Regierungen, die seit der Erweiterung zum Mai 2004 jeweils eineN KommissarIn nominieren dürfen.
Das EP kann nur über die gesamte Kommission abstimmen und auch nur die gesamte Kommission abwählen.
Auch der Ministerrat, der eigentlich aus 16 Kombinationen von Fachministerräten besteht, hat wesentlich mehr Einfluss und Befugnisse auf die politisch wirksame Ausgestaltung der zusammenarbeitenden Staaten.
So muss sich das EP in allen Bereichen die die 1. Säule der EU betreffen mit ihm absprechen und der Ministerrat kann allein endgültige Entscheidungen in der Agrarpolitik, im Wettbewerbs- und Steuerrecht und bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (2. Säule der EU) treffen.

Die 3. Säule der EU, die Innen- und Justizpolitik, ist weiterhin Angelegenheit der einzelnen Staaten, die für sich handeln, sich aber abstimmen und mögliche Leitlinien koordinieren und umsetzen.

Ein Beispiel
Dadurch, dass so wenig von den Entscheidungen auf europäischer Ebene und ihrem Entstehungsprozess, zu uns durch dringt, fällt es den nationalen Politikern leicht, bei auftretenden Problemen bei der Umsetzung von Richtlinien oder ungenehmen Gesetzesinitiativen der Kommission, auf Brüssel zu schimpfen und alle Verantwortung von sich zu schieben. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die wesentliche Ausrichtung der Politik der EU von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten bei den Treffen des Europäischen Rates sowie durch ihre Minister in den Ministerräten bestimmt wird. Und nicht selten spielen hier die Staatsvertreter ein anderes Spiel als sie es, dann wieder in der Heimat angelangt, gerne zugeben.

Ein Beispiel dafür liefert das deutsche Gezerre um ein Zuwanderungsgesetz, dass Rot-Grün ja als wesentlichen Durchbruch der progressiven Flüchtlingspolitik durch Aufnahme von geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe etc. verkaufte. Die Bundesregierung schiebt die bisher eher klägliche Bilanz des Gesetzgebungsverfahrens (sicherlich nicht ganz falsch) der rechten Opposition im Bundesrat von CDU/CSU/FDP in die Schuhe.

Dabei wäre es so einfach, denn die Asyl- und Einwanderungspolitik ist eine Gemeinschaftskompetenz der EU, das heißt hier könnte Herr Schily im Innenministerrat der EU zusammen mit den anderen Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Rahmen abstecken, der dann u.a. einen ausdifferenzierten Katalog der Zuwanderungsgründe enthielte, und in nationales Recht umgesetzt werden müsste.

Jetzt könnte man Herrn Schily zu Gute halten, dass er das alles ja versucht, aber am Widerstand der anderen Unionsstaaten gescheitert ist. Weit gefehlt, ohne den enormen Widerstand von Deutschland in den letzten Jahren, hätten wir schon längst eine einheitliche, weit liberalere Asylgesetzgebung, als im Moment diskutiert wird.
Stattdessen werden sich nun die von Schily unterstützen Hardliner durchsetzen und die Festung Europa weiter ausbauen, der angebliche grüne Reformmotor wurde einfach aus Brüssel abgewürgt...

Aber warum dann bitte noch wählen gehen?
Na dass ist doch sonnenklar, weil’s vom zugucken auch nicht besser wird, sondern die EU von innen, von den Fraktionen des EP, verändert werden, und das minimale Gestaltungspotential einer linken Fraktion gestärkt und damit ausgebaut werden muss.

Das EP hat eine lange Zeit gebraucht um sich wirklich zu entwickeln und von einer langweiligen und sinnlosen Laberbude zu einem sich selbst ernst nehmenden und selbstbewusst agierenden Parlament zu werden, und dass ist gut, denn nur mit engagierten und fordernden Parlamentariern kann der Druck für demokratische und linke Reformen verstärkt werden.
Ein Vorteil des EP ist es, dass die Mehrheitsfraktionen keine Regierung stützen und daher konform den Vorschlägen der Kommission zustimmen müssen, sondern sich bei jeder neuen Sachlage neue Allianzen bilden und bei vielen Themen die besten Argumente sich durchsetzen können.

Daher hat es auch die nur viertstärkste Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken geschafft eigene Gedanken in Gesetzen fest zu schreiben und Erfolge aufzuweisen, die sich sehen lassen und Mut auf mehr machen.
Die im Konventsentwurf der europäischen Verfassung festgelegten Verbesserungen der Rechte des EP müssen ebenso endlich umgesetzt und weiter ausgebaut werden, wie die Einführung von europäischen Volksentscheiden.
Wie die zukünftige EU-25, also die erweiterte Union mit 25 Mitgliedern, funktionieren soll, wissen noch nicht mal die Regierungschefs, es gibt zahllose ungeklärte Fragen wie die Anzahl der Kommissare, die Sitz- und Stimmenverteilung im EP sowie Ministerrat uvm.

Der Erweiterungs- und Vertiefungsprozess der EU ist am 1. Mai 2004 also mitnichten abgeschlossen, sondern verschärft eher den Druck endlich funktionierende und allen Mitgliedsstaaten gerechte Strukturen im Haus Europa zu etablieren.
In diesen Prozess kann immer noch eingegriffen werden, und damit sich Europa mehr in die linke, demokratische Seite verändert und sich nicht die Abschottungs- und Militarisierungsfreunde durchsetzen muss die linke Kraft im EP gestärkt werden.

Deshalb, wer ein friedliches und sozial gerechtes Europa mit mehr Demokratie und mehr Einfluss der BürgerInnen will sollte die PDS wählen, damit die europäische Linkspartei und deren Fraktion im EP sowie die gesamte Bewegung linker Internationalisten gestärkt werden kann.

Oskar Krüger