IWF und Weltbank demokratisieren!
Nichts erregte in den letzten Jahren die Gemüter der globalisierungskritischen Bewegung derart wie die Politik von IWF und Weltbank. Die Diskussion ebbt nicht ab, es zeigt sich, wie unüberschaubar die beiden Institutionen eigentlich sind.
Was sind „IWF“ und „Weltbank“?
Zu den einflußreichsten Akteuren in der globalen Finanz– und Weltwirtschaftsarchitektur
zählen die Internationalen Finanzinstitutionen „Internationale Währungsfonds“
(IWF) und die „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“
(Weltbank), die zusammen mit der Welthandelsorganisation (=WTO) die Säulen
der Weltwirtschaft bilden.
Der IWF verfolgte als Institution zur Errichtung eines stabilen Währungssystems
und zur Hilfe bei der Überwindung von Zahlungsbilanzdefiziten zwei Prinzipien;
das Prinzip der festen Wechselkurse und das der freien Tauschbarkeit aller Währungen.
Die Regeln des IWF verpflichtete die Staaten auf feste und anpassungsfähige
Wechselkurse ihrer Währungen, um den internationalen Handel so zu befördern,
daß sie diese von Wechselkursrisiken weitgehend befreien konnten. Die
Wirtschaftssubjekte konnten daher internationalen Handel betreiben, ohne stetig
schwankenden Bewertungen von Währungen befürchten zu müssen.
Die „Weltbank“ setzte zunächst ihre Kredite überwiegend
zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Nachdem aber im Frühjahr
1948 der sogenannte Marshall–Plan in Kraft getreten war, der Westdeutschland
an den Westen und die 1949 gegründete NATO (BRD-Beitritt: 1955) band, widmete
sie sich ab 1950 überwiegend der wirtschaftlichen Förderung und Unterstützung
der Entwicklungsländer.
Die Diskussion um die Beurteilung ihrer Arbeit wird bis heute kontrovers geführt
und verläuft immer noch quer durch alle traditionellen politischen Lager.
So gibt es nicht nur Befürworter, für die IWF und die Weltbank eine
Verlagerung wirtschaftspolitischer Kompetenzen auf die internationale Ebene
verkörpern, indem sie einen Rahmen für den globalen Handel und Finanzverkehr
bereitstellen, sondern spätestens seit den Tagungen in Seattle, Prag, Kopenhagen
und Genua eine sich medienwirksam formierende „globalisierungskritische
Bewegung“, die vor allem die Politik der Bretton–Woods–Organisationen
für nicht reformierbar hält und für ihre Abschaffung plädiert.
Kritikpunkte an der Politik von IWF und Weltbank
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Aufgaben und die Projekte des
IWF und der Weltbank zunehmend verändert. Als Währungspuffer ursprünglich
angedacht und im Rahmen der 1982 um sich greifenden Verschuldungskrise der Dritte–Welt–Länder
überflüssig geworden, versuchte der IWF mit Sicherstellung von Krediten
dieselben finanziell zu stützen. Mit der Sicherstellung von Krediten ging
es bei Schuldenkrisen darum, die betreffenden Mitgliedsländern finanziell
in der Art und Weise zu fördern, daß sie ihrem Schuldendienst weiter
nachkommen konnten(!). Zeitgleich überdachte aber auch die Weltbank ihr
Programm zu schrittweisen Beseitigung von Entwicklungsungleichheiten. Zusammen
mit dem IWF wurde daher als Antwort auf die Verschuldungskrise 1982 die Strategie
der „Strukturanpassung“ ins Leben gerufen, mihilfe derer die Kreditwürdigkeit
der verschuldeten Entwicklungsländer so schnell wie möglich wieder
hergestellt werden sollte. Mit ihnen wollte der IWF sicherstellen, daß
der Kreditnehmer weiterhin seine Schulden bezahlen kann.
Die Hauptproblematik hierbei lag darin, daß die verschuldeten Entwicklungsländern
erstens den Strukturanpassungen von Weltbank und IWF beinahe schon (wieder)
kolonialistisch unterworfen waren und zweitens mit einem zu exzessiven Eifer
versucht wurde, ein wirtschaftliches Idealbild zu erreichen, ohne die politischen
und sozialen Faktoren in den jeweiligen Ländern zu berücksichtigen.
Die Strukturanpassungsprogramme legten sowohl finanz–, handel– und
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen fest und griffen somit tief in die Innenpolitik
ihrer Klienten ein. Die zahllosen und zum Teil sehr detaillierten Vorgaben der
Strukturanpassungsprogramme beschnitten die Regierungen der kreditnehmenden
Länder in ihren Möglichkeiten, eigenständige Arbeits– und
Sozialpolitik zu gestalten. Von ihnen waren daher in den die Ärmsten der
Armen betroffen, die in den einzelnen Regierungen der Entwicklungsländer
über keine wirkungsvolle Lobby verfügen und als Konsequenz überproportional
von den staatlichen Einsparungen getroffen wurden. Die geplanten Strukturanpassungen
berücksichtigten daher weder spezifische lokale Bedingungen noch die Frage
nach der politischen Durchführbarkeit!
Mehr Mitsprachrecht innerhalb der beiden Organisationen!
In dem Maße, in dem sich die Defizite als auch die Konsequenzen der Strukturanpassungspolitik
in den Entwicklungsländern offenbaren, muss sich das Hautaugenmerk auf
die Entscheidungsstrukturen innerhalb der beiden Institutionen richten. Erst
hier wird sichtbar, wie angebliche
„Entwicklungspolitik“ betrieben wird, ohne die Entwicklungsländer
selbst in die Diskussion miteinzubeziehen. Da sowohl im IWF als auch in der
Weltbank das Stimmrecht der Mitgliedsländer direkt an den Geldbetrag gekoppelt
ist, den sie an die Organisationen zahlen, hat dies zur Folge, daß das
Land, das den höchsten Betrag einzahlt, vehementen Einfluß auf die
Entscheidungen hat oder gar wie die USA mit einer Sperrminorität bestimmte
Dinge verhindern und indirekt beeinflussen können. Von Demokratie,
wie sie in Institutionen mit einer derartigen Verantwortung erforderlich sei,
kann daher keine Rede sein, da die meisten Entscheidungen einer Mehrheit von
85% bedürfen und die USA durch ihren Stimmenanteil von 17% eine Sperrminorität
besitzen. Da es sich beim IWF und der Weltbank aber um Organisationen handelt,
in der die Regierungen der Mitgliedsländer die Politik bestimmen, bleibt
die Gewichtung der Stimmen von entscheidender Bedeutung. Um diese Asymmetrie
auszugleichen, muß daher ein Mechanismus geschaffen werden, der den Entwicklungsländern
mehr Mitspracherecht, und damit zumindest der Zwang zu gemeinsamen Kooperation
und der Konsensfindung aller Mitgliedsländer gewahrt wird.
Eine Stimmrechtsreform nach dem Prinzip „Ein Land – eine Stimme“
wäre allerdings ebenso unrealistisch wie auch dem Charakter beider Organisationen
nicht angemessen, da erstens die Stimme eines Landes seine reale ökonomische
Potenz bei weitem übertreffen würde und auch dies ein Demokratiedefizit
widerspiegeln würde; als Beispiel hätte dann die 72 000 Bewohner zählende
Karibikinsel Dominica dieselbe Stimm–Macht wie China mit seinen 1 149
500 000 Bürgern.
Um diesem Dilemma zu entgehen, muss die Reform früher schon, nämlich
bei den Kriterien zur Festlegung der Stimmen, greifen.
Eine Möglichkeit wäre, die ökonomische Potenz eines Landes nicht
komplett zu ignorieren, sie aber auch nicht zum alleinigen Maßstab zu
machen. Zu der ökonomischen Potenz sollte auch die qualitative Entwicklung
berücksichtigt werden, in dem neben Pro-Kopf-Einkommen auch Kriterien wie
Gesundheit und Bildung dargestellt werden. Wenn die relative Position der Mitgliedsländer
bei diesen Bezugsgrößen jeweils zu einem Drittel gewichtet würde,
ergebe sich ein größeres Stimmrecht der Entwicklungsländer,
ohne daß Industrieländer an den Rand gedrängt würden. Unter
den zehn Ländern mit den größten Stimmenanteilen befänden
sich nach dieser Reform die vier bevölkerungsreichsten Entwicklungsländer,
während die Industrieländer zwar nach wie vor in der Spitzengruppe
waren, aber zwischen einem Drittel und die Hälfte ihres Gewichtes verlieren
würden. Insgesamt würde die Neugewichtung zu einer gleichmäßigeren
Verteilung der Stimmen und der Entscheidungen führen und die gegenwärtige
drastische Dominanz der Industrieländer beenden. Diese Stimmrechtsreform,
gekoppelt mit einer Senkung der Mehrheitsentscheidungen von 85% auf 75% könnte
somit eine Struktur ergeben, die eine glatte Blockierung verhindert und den
Konsens innerhalb beider Organisationen fördern.
Eine grundlegende Reform von IWF und Weltbank sollte daher angesichts der Erfahrung
mit den neoliberalen und zerstörerischen Strukturanpassungen darauf gerichtet
sein, die Machtposition beider Organisationen zu begrenzen, ihre Funktionen
auf elementar notwendige und demokratisch legitimierte weltwirtschaftliche
Steuerungsaufgaben zurückzuführen und sie im Rahmen einer neuen internationalen
Wirtschafts- und Finanzordnung einer globalen Verantwortlichkeit im Sinne einer
nachhaltigen d. h. sozial verträglichen Entwicklung ebenso zu unterwerfen,
wie der Kontrolle durch die Öffentlichkeit der Mitgliedsländer
und der von ihr Betroffenen!
Patrice