Die Wohlstandszombis

Zur Jubiläumsausgabe der taz

Ein großer Wurf, die Ausgabe zum 25 jährigen Bestehen der "Tageszeitung". 1978 war eine Zeitung mit alternativen Gedankengut, gesellschaftskritischem Impetus und frecher Kommentierung der bundesdeutschen Wohlstandsallüren eine echte Novität. Leider, wie so oft in Politik und Publizistik, landete das wie ein Tiger gestartete Un-ternehmen als Bettvorleger für arrivierte 68er in Armani-Outfit.
Die Krönung dieses Niedergangs stellt die Jubiläumsausgabe dar: Vergessen die Ideologiekritik an der Bürger verdummenden Rolle der Springer-Presse, an vorders-ter Front die Bild-Zeitung, vergessen die Analyseverdrossenheit der Spaßgesell-schaft, vergessen auch die Verpflichtung ernstzunehmender Zeitungsmacher zu Auf-klärung und Abwehr eines Häppchenjournalismus, der Halbwahrheiten und Platitü-den wohlfeil hält. Nein, fröhlich nach dem Slogan handelnd, kommt reiht Euch ein, wir wollen alle so spaßig wie Guido sein, übergab die Redaktion der taz das Zepter an den Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann und an andere erlesene Mei-nungsmacher. So konnten wir ein Interview mit Altkanzler Kohl lesen, dass sein Lieb-lingskommunist sein Mathematiklehrer gewesen sei. Nebenbei lernten wir vom Sau-magen-Gourmand etwas über linkes Versagen und linken Verrat. Dieter Bohlen schreibt einmal nicht über Geschlechtsteile irgendwelcher Hupfdohlen, sondern über seine Jusozeit. Hitler-Biograph Joachim C. Fest erklärt uns, warum Gröfaz (Größter Führer aller Zeiten) Adolf Hitler ein Linker war und am neuen Menschen sich abarbei-tete.
Das Gruselkabinett könnte man fortsetzen mit Eberhard Diepgen – leider spricht er nicht über die Berliner CDU und die Banken-Affäre - , mit Michael Glos, Jörg Schön-bohm, Hans-Olaf Henkel, Peter Boenisch, RTL-Chef Hans Mahr (Darf man sich als Grüner über Schumis Siege freuen?). Auch Gabi Zimmer will nicht fehlen und kriti-siert mutig munter – nach zwanzig Jahren stolz getragenem DDR-Maulkorb – Fidel Castro und Hugo Chavez.
Vielleicht hat der Chefredakteur der großbürgerlichen FAZ Frank Schirrmacher recht, wenn er in dieser Ausgabe schreibt, dass Taz-Leser Masochisten seien. Der Kolum-nist der Bildzeitung Franz Josef Wagner schildert süffisant, wie linke Politiker (damit meint er die grüngetünchten FDPler um J. Fischer) rechts leben: "Die Pflasterstein-werfer aus Frankfurt, Joschka und Co., landeten letztlich alle im besten Restaurant des Westends – bei Klaus Trebes im 'Gargantua' (Menü 50 bis 65 Euro, z.B. Kutteln mit Morcheln!)." Der große Irrtum der "Lieblingsfeinde", wie die taz ihr Jubiläums-Sudelteam selbst nennt, ist es, Joschka und Co., die Taz-Redakteure und andere Wohlstandszombis als Linke zu bezeichnen, denn schon diesen 68ern und den spä-ter Geborenen fehlt jede Berührung mit den Ausgebeuteten, Ausgegrenzten und Schwachen der Gesellschaft. Ihr Links-Sein war schick und modern, weiter nichts. Man hing die Toilettentüren aus, man war ja so frei in der Kommune, man stolzierte nackt durch die WG, rauchte seinen Joint und hielt das für revolutionär. So konnte bei einem Urbayern wie Michael Glos, der besser mit rechten Schmuddelecken ver-traut ist, der Eindruck entstehen, dies wäre eine "linke" Schmuddelecke, aus der die taz nun endlich herauskommen wolle. Quo vadis, ihr Wohlstandskinder?
Ein großer Wurf, diese Ausgabe zum 25 jährigen Bestehen der "Tageszeitung", ein Wurf in die große Mülltonne für solchen uns täglich von allen Seiten servierten Schund!

Klaus Körner