Die Linke im Baskenland - ein progressiver Patriotismus?

 

Bereits im 19. Jahrhundert tauchten erste Forderungen nach Autonomie des Baskenlandes auf. Diese müssen als Reaktion ländlicher Bevölkerungsschichten und des Mittelstandes auf die Folgen der Industrialisierung, z.B. die Zuwanderung von spanischen Arbeitern in das Baskenland, begriffen werden. Die 1895 gegründete Baskische Nationalpartei PNV versuchte dem Modernisierungsprozess mit völkisch – rassistischen und folkloristischen Forderungen zu begegnen.
Während des Spanischen Bürgerkrieges (1936 - 1939) kämpften die Baskinnen auf der Seite der Republikaner.
Nach dem Krieg rächten sich die Frankisten. Sie ließen das Baskenland v. a. im Sozialbereich und Bildungsbereich ausbluten. Baskisch wurde von der Zentralregierung unter harten Strafen verboten.
1959 gründeten Studierende aus dem Umfeld der PNV als Reaktion auf deren Untätigkeit die ETA (Euskadi ta Askatasuna = Baskenland und Freiheit), in der sich bis heute 10000 – 15000 Baskinnen engagiert haben. Die Ausrichtung der Organisation war linkspatriotistisch, antikapitalistisch und konsequent antifaschistisch. Ab 1967 ging die ETA zum Angriff auf Symbole des Systems, ab 1968 zur Stadtguerillataktik über. Das Regime reagierte äusserst hart, die Etarras aber hatten die Mehrheit der Basken auf ihrer Seite. Das linkspatriotische Lager umfasst heute verschiedene Parteien, Organisationen, Gruppen, Gewerkschaften sowie die H­aus­be­­setzerinnenszene.
Auch nach 1975, dem Todesjahr des Diktators, formierten sich, vermutlich auf Anweisung der Regierung, rechtsextreme Terrorbataillone, die zu einem guten Teil aus Polizisten bestanden, und eröffneten die Jagd auf Linkspatriotistinnen.
Mit dem Statut von Guernika, dem Statut des Baskenlandes, von 1979 wurden der baskischen Regierung weitgehende Hoheitsrechte zugestanden. Baskisch wurde dem Spanischen gleichgestellt.
Die ETA verlor, anders als das linkspatriotistische Spektrum als Ganzes, immer mehr die Unterstützung der Bevölkerung. Nicht zuletzt, weil sie immer wahlloser tötete. Bomben in Einkaufszentren sowie Anschläge auf Angestellte der staatlichen spanischen Telefongesellschaft lösten in der Bevölkerung Unverständnis und den Ruf nach einem Ende der Gewalt aus. 1998 erklärte die ETA einen unbefristeten Waffenstillstand. Insgesamt verloren seit der Gründung der Organisation zwischen 800 und 1000 Menschen ihr Leben, nicht eingeschlossen die zirka 200 Baskinnen, die während der letzte­n 25 Jahre von Polizei und Guardia Civil ermordet wurden.
Anfang 2002 wurde Herri Batasuna, der politische Arm der ETA, verboten. Die Partei hatte 1998 bei den Wahlen zum baskischen Parlament bei einer Wahlbeteiligung von 70% immerhin fast 20% der Stimmen auf sich vereinen können.
Von einer Gleichberechtigung der Baskischsprecherinnen ist das Baskenland noch weit entfernt. Baskischsprecher erscheinen dem spanischen Staat als potenzielle Terroristen und geraten sehr schnell ins Visier der Staatsmacht, die willkürlich Menschen verhaften sowie mit fadenscheinigen Argumenten inhaftieren und verurteilen lässt. In den Gefängnissen sind Folter und Vergewaltigung keine Ausnahmen. Heute gibt es in Spanien mehr politische Gefangene aus dem Baskenland als zur Zeit des Frankismus. Die politischen Gefangenen verbüßen häufig sehr hohe Haftstrafen (ETA - Terroristinnen werden schon mal zu 380 Jahren Haft verurteilt) und sitzen zudem oftmals in Anstalten ausserhalb des Baskenlandes ein. Zwar haben Angehörige das Recht, Familienmitglieder und Freundinnen im Knast zu besuchen, doch allein die großen Entfernungen zwischen Wohnort und Gefängnis (z.B.auf den Kanarischen Inseln) verunmöglichen regelmässige persönliche Kontakte. Angehörigeninitiativen erfahren die Zustimmung und Unterstützung fast der gesamten Bevölkerung. Obwohl 90% der Kinder in den Schulen Baskischunterricht (als Mutterspache oder Fremdsprache) erhalten, gibt es noch immer nicht in allen Regionen baskischsprachige Schulen. Die einzige baskischsprachige Tageszeitung wird jährlich mit 700.000 Euro von der Regierung in Madrid bezuschusst. Regierung und Polizei setzen ebenso wie die ETA ihnen unangenehme Reporterinnen unter Druck. Die gesamtspanischen Medien beurteilen den Konflikt des Landes in einem einfachen, Madrid genehmen, Schwarz - Weiss - Schema. Vor 3 Jahren wäre der baskischsprachige Teil der Universität beinahe dem Sparwahn zum Opfer gefallen. Lediglich ein gemeinsamer Streik von spanischsprachigen und baskischsprachigen Studierenden konnte dies verhindern. Die Prioritätensetzung beim Kürzen von Geldern spricht für sich.
Es sollte jedoch nie vergessen werden, wie schnell für progressive Ziele genutzter Patriotismus in sein Gegenteil umschlagen kann. Wo die Nation zum Selbstzweck (im Interesse der Herrschenden) wird, schlägt Patriotismus in Nationalismusum. Der im Oktober von der PNV unter Mitwirkung der ETA verfasste „Plan Ibarretxe“, der als neues Statut für das Baskenland gehandelt wird, definiert Baskentum ethnisch und legt das Baskische als einzige Sprache des Baskenlandes fest. Damit diskriminiert er nicht nur Ausländerinnen, Migranten und Spanier aus anderen Teilen Spaniens, sondern auch die spanischsprachigen Baskinnen. Von Sozialismus ist in diesem Plan keine Rede mehr.
Für die Mehrheit der Linkspatriot-isten stellt der „Plan Ibarretxe“ keine Lösungsoption dar. Die Idee eines unabhängigen Baskenlandes ist für sie unaufkündbar mit der Vorstellung einer emanzipatorischen, nicht - kapitalistischen, ökologischen Gesellschaft verbunden, in der jede Baskin sein kann, die Baskin sein möchte.

Lisa Lotta (z. Zt. im Baskenland)