
September 2003
Big Brother für Fortgeschrittene
"TCPA": eine Abkürzung geistert durch das Worl Wide Web. Ein Konsortium, hinter dem Microsoft, Intel, IBM und weitere Brachenriesen stehen, will die Computerwelt mit mehr Sicherheit und Stabilität beglücken. Ein Schelm wer Böses dabei denkt...
Die Technologie
  TCPA steht für "Trusted Computing Platform Alliance" (Vertrauenswürdige 
  Computerplatform Allianz), wobei man das Wörtchen "trust" ironischerweise 
  auch mit Kartell übersetzen kann. Bei der eingesetzten Technologie spricht 
  man von der TCP (der Vertrauenswürdigen Computerplattform), hinter der 
  ein sogenannter Fritz-Chip steht, mit 2048 bit verschlüsselt und somit 
  unmöglich in Echtzeit zu knacken. Dessen Funktionen werden auf sämtliche 
  eingesetzte Hardware, vom BIOS über die Festplatte bis hin zur Soundkarte, 
  integriert. Der Rechner überwacht ununterbrochen sich selbst, ob er sich 
  denn auch in einem TCPA-konformen Zustand befindet, und gleicht seine Daten 
  mit einem zentralen Rechnersystem der TCPA in den USA ab. Manipulationen egal 
  welcher Art, so z. B. das Einsetzen einer nicht von der TCPA zertifizierten 
  Hardware oder das Abspielen einer gebrannten DVD, werden sofort bemerkt und 
  unterbunden.
Das Gesetz
  In den USA gibt es bereits einen Gesetzentwurf, der vorsieht TCPA-konforme Geräte 
  zwingend vorzuschreiben. Systeme, welche diesem Gesetz nicht entsprechen dürfen 
  dann in den USA nicht vertrieben werden. Die Strafandrohung bei Zuwiederhandlung 
  sieht bis zu 500000 $ und bis zu 5 Jahre Gefängnis vor. Selbiges würde 
  für die Entwicklung "offener" Software (z. B. Linux) gelten, 
  Branchenprimus Microsoft eh schon lange ein Dorn im Auge.
  Selbst wenn dieser Gesetzentwurf nur in den USA greift, die Auswirkungen wären 
  weltweit fatal. Sämtliche Chiphersteller haben ihren Firmensitz in den 
  USA und ein Großteil der weltweit eingesetzten Programme stammen aus amerikanischen 
  Softwareschmieden.
  Somit wäre man auch als "alter Europäer" unter ständiger 
  Kontrolle der TCPA.
Die Ziele
  Welches Interesse haben die inzwischen über 170 Mitglieder der TCPA bereits 
  heute schon Unsummen in diese Technologie zu stecken? Und die vielleicht spannenste 
  Frage: Welches Interesse hat die amerikanische Regierung so offenkundig dieses 
  Vorhaben voranzutreiben?
  Beim Besuch der offiziellen Seite der TCPA (www.trustedpc.org) bekommt man kaum 
  Antwort auf diese Fragen. Die Liste mit den Namen der teilnehmenden Firmen ist 
  passwortgeschützt, man liest fadenscheinige Formulierungen wie Schaffung 
  eines einheitlichen Industriestandartes und Erhöhung der Sicherheit für 
  den Benutzer. Monopolisten als besorgte Wohltäter, die alles Böse 
  (Viren, Spam) vom kleinen, dummen User fernhalten wollen? Wohl kaum.
  Auf den zweiten Blick entpuppen sich die Vorhaben der TCPA als finale Lösung 
  der Kopierschutzfrage. Seit es den Heimcomputer gibt liefern sich Softwarehersteller 
  und Hacker ein Katz-und-Maus-Spiel. Kein noch so raffinierter Versuch der Industrie 
  ihre Produkte zu schützen blieb lange erfolgreich. Die konsumierende Internetgemeinde 
  bekam bisher noch für jede Anwendung oder jedes Spiel, Hacker sei Dank, 
  eine passende Lösung um den unliebsamen Kopierschutz zu umgehen.
  Und auch die jahrelangen Prozesse der Unterhaltungsindustrie gegen die Internettauschbörsen 
  waren nicht von Erfolg. Die Hydra "Napster" wurde geköpft, die 
  Lücke durch die dezentralen Peer-to-Peer Netzwerke (Gnutella, Kazaa) bestens 
  gefüllt.
  Mit der TCP würde dies alles ein jähes Ende finden. Durch die ständige 
  Überwachung über die zentrale Systeme der TCPA wäre es unmöglich, 
  z. B. eine geschützte CD zu brennen oder einen Registrierungsschlüssel 
  zweimal einzugeben. Der Rechner würde sich einfach weigern.
  Und genau in diesem Punkt, das TCP-System als zentraler Anlaufpunkt aller Rechner 
  der Welt, ist auch das Interesse der US-Regierung an der TCP-Technologie begründet.Der 
  Nutzer hat keinerlei Einblick, welche Daten da nun abgeglichen werden und wer 
  da eventuell am anderen Ende der Leitung interessiert mitliest. Es wäre 
  schlichtweg die Möglichkeit, das stetig wachsende, undurchschaubare und 
  nicht zu zensierende Internet unter Kontrolle zu bringen. Unliebsame Seiten 
  könnten einfach aus dem Netz genommen werden. Ein Bush-kritischer Artikel 
  auf www.rotdorn.org? Hey ihr Krauts, nicht mit uns. Dies ist zugegeben sehr 
  zugespitzt formuliert, die Vereinigten Staaten haben ja trotz "Patriot-Act" 
  immmer noch Bürgerrechte und somit auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. 
  
  Man muss aber kein großer Verschwörungstheoretiker sein um festzustellen, 
  dass ein Betätigungsfeld der US-Geheimdienste vortrefflich vom TCPA-Netzwerk 
  übernommen werden könnte: Industriespionage. Der Schutz von sensiblen 
  Firmendaten kann bei einem solchen System einfach nicht gewährleistet sein, 
  die Anonymität ist einzig und allein durch das Wort von "Onkel Bill" 
  (Gates) abgesichert. Natürlich würden all diese Vorwürfe heftig 
  dementiert werden, es geht ja schließlich nur um Sicherheit und stabile 
  Performance des Rechners. Aber in den USA (nicht nur da) sind Verbindungen zwischen 
  Industrie und Politik ja meist auch ein Geben und Nehmen: Sicherung und Ausbau 
  des Monopols gegen ein paar staatliche Mitarbeiter in den Rechnerräumen 
  der TCPA - Undenkbar?
Die Folgen
  Was mehr oder weniger fast jeden unmittelbar betreffen würde, wäre 
  das Unterbinden der illegalen Vervielfältigung jedweder Daten. Des weiteren 
  könnte man an dieser Stelle auch viele Schreckensszenarien konstruieren. 
  Sämtliche Rechner des US-Militärs laufen auf Windows-Basis. Die größte 
  Kriegsmaschinerie der Erde ist in ihrer Funktion durch die TCP noch mehr auf 
  die Fähigkeit von Programmieren angewiesen, die es noch nicht einmal fertig 
  bringen, ein von Anfang an funktionierendes Betriebssystem auf die Beine zu 
  stellen. Serverausfall mit anschließendem Atomkrieg?
  Das Kernproblem aber ist die geballte Macht in einer Hand, die durch nichts 
  und niemanden ausreichend kontrolliert werden kann. Auf lange Sicht haben die 
  Vorhaben der TCPA also sehr weitreichende Folgen: totale Bevormundung des Benutzers, 
  die informelle Selbstbestimmung ist nicht mehr existent, der freie Zugang zum 
  EDV-Markt ist nicht mehr gewährleistet, Einschränkung des Eigentumsrechts, 
  das Recht auf Privatsphäre ist Geschichte, die digitale Welt ist vollständig 
  unter Kontrolle der Amerikaner. TCPA? Viel zu viele offene Fragen.
  Don't let them take your Rights!
Marcel