Mai 2003
„Politisch Verfolgte
genießen Asylrecht …“,
aber nicht in Deutschland!
So zynisch dieser Ausspruch klingen mag, er hat bis jetzt nichts
an Aktualität verloren. Obwohl die Asylrechtsänderung im Grundgesetz
beinahe schon zehn Jahre her ist, werden wir immer wieder durch die Medien und
durch das tagespolitische Geschehen daran erinnert; sei es die Debatte um das
rot-grüne Zuwanderungsgesetz, das dank der CDU jetzt in den Vermittlungsausschuss
von Bundestag und Bundesrat landen und dort höchstwahrscheinlich weichgeklopft
wird. Man könnte gar den Bündnis-Grünen vorwerfen, sie würden
sich des Kompromisses wegen näher an die Union wagen und dadurch ihren
ausländerfreundlichen Kurs aus den Augen verlieren oder gar gänzlich
verlassen. Oder sei es durch die ständigen Suizid-Versuche einzelner abgelehnter
Asylbewerber, die in Berlin-Grünau unter erbärmlichen Verhältnissen
auf ihre Abschiebung warten müssen. Desweiteren stellt sich auch die Frage,
ob Deutschland in Zukunft auch Kriegsflüchtlinge aus dem Irak aufnehmen
wird, die sich auf das subjektive Recht auf Asyl in der BRD berufen werden.
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, so lautet der erste
Satz des Artikels 16 a Grundgesetz (im folgenden: GG). Das Grundgesetz geht
in Artikel 16 a Absatz 1 über die genannte völkerrechtliche Regelung
hinaus und gewährt ein im Vergleich zum Völkerrecht und zu anderen
nationalen Verfassungen nahezu einzigartiges Recht. Es handelt sich hier um
eines der festverankerten Grundrechte in der Verfassung, da die Bundesrepublik
allen politisch Verfolgten ein subjektiv verfassungsmäßiges Recht
auf Asyl gewährt. Diese Verankerung des Asylrechts in das Grundgesetz entstand
als Reaktion auf die zurückliegenden Schreckensjahre des Nationalsozialismus,
sodaß die 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die das Grundgesetz
entwarfen, ihre persönlichen Erfahrungen miteinbrachten. Viele von ihnen
hatten nur überlebt, weil sie vor dem Faschismus in Deutschland geflohen
waren, ins Exil gingen oder ihnen Asyl in anderen Staaten gewährt wurde.
Ausgeliefert werden dürfen daher nur Personen, die nicht politisch verfolgt
werden. Insbesondere Personen, die wegen krimineller Delikte gesucht/verfolgt
werden.
Asylberechtigt sind in Deutschland „politisch Verfolgte“, wie es
Artikel 16a Absatz 1 Grundgesetz definiert. Als Grundgedanke des Asylrechts
war daher allgemein anerkannt, daß es „dem Ausländer gewährt
wird, der in seinem eigenen Land nicht mehr leben kann, weil er durch das politische
System seiner Freiheit, seines Lebens oder seiner Güter beraubt wird[…]“
(aus: Dieter Hesselberger: „Das Grundgesetz – Kommentar für
die politische Bildung“, Hermann Luchterhand Verlag, Lizenzausgabe für
die Bundeszentrale für die politische Bildung, Neuwied / Bonn 2001, Seite
162). Diesem Grundgedanken folgend, hat die Rechtspraxis und die Rechtssprechung
in der Bundesrepublik die nähere inhaltliche Bestimmung und Angrenzung
der Definition des „politisch Verfolgten“ in Anlehnung an die Flüchtlingsdefinition
der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.Juni 1951 vorgenommen. Das Adjektiv
„politisch“, so der Tenor, bezeichne nicht einen abgegrenzten Gegenstandsbereich
von Politik, sondern eher eine Eigenschaft, die alle Sachbereiche unter bestimmten
Umständen jederzeit annehmen können. Demnach ist eine politische Verfolgung
dann gegeben, „[…]wenn vom Heimat- oder Aufenthaltsstaat des Verfolgten
ergriffene oder ihm zurechenbare Maßnahmen darauf gerichtet sind, die
Angehörigen (einer religiösen Gruppe), sei es physisch zu vernichten
oder mit vergleichbar schweren Sanktionen (etwa Austreibung und oder Vorenthaltung
elementarer Lebensgrundlagen) zu bedrohen[…]“ (zitiert nach Dieter
Hesselberger, am angegebenen Ort, Seite 163).
Die „Politische Verfolgung“ setzt also von seinem Tatbestand her
grundsätzlich den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung – Flucht
– Asyl voraus. Artikel 16a Absatz 2 Satz 1 betont die Einschränkung
des Grundrechts. So können sich Asylsuchende in der Bundesrepublik nicht
auf das Asylrecht berufen, die aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen
Union stammen, da die unwiderlegliche Vermutung geäußert wird, daß
sie in dem betreffenden Mitglieds-Staat Sicherheit vor Verfolgung finden. Die
für eine Bestimmung zum sicheren Drittstaat erforderliche Sicherstellung
der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen
Menschenrechtskonvention setzt voraus, daß der Staat beiden Konventionen
beigetreten ist und nach seiner Rechtsorndung einen Flüchtling nicht in
den angeblichen Verfolgungsstaat abschieben darf, ohne vorher geprüft zu
haben, ob ihm dort Folter oder unmenschliche Behandlung im Sinne von Artikel
3 Europäische Menschenrechtskonvention drohen. Neben den Mitgliedern der
EU werden sonstige sichere Drittstaaten durch ein Gesetz bestimmt. Dieses nennt,
laut Asylverfahrensgesetz 1993, Norwegen, Polen, die Schweiz und die Tschechische
Republik. Bei sicheren Herkunftsstaaten wird angenommen, daß die Asylsuchenden
aus diesen Ländern nicht verfolgt werden. Sichere Herkunftsstaaten im Sinne
des Absatz 3 sind Bulgarien, Rumänien, Polen, Slowakische Republik, Ungarn
und Ghana. Neben der Drittstaatenregelung gilt die Herkunftsstaatenregelung
nach Artikel 16a Absatz 3 GG als die zweite Säule der Asylrechtsform des
Jahres 1993.
Bis Ende der siebziger Jahre stellten Einreise und Aufenthalt von Flüchtlingen
kein politisches Problem für die bundesdeutsche Gesellschaft dar, da sich
nur relativ wenige Ausländer auf das Asylrecht beriefen (1972: 5289 Asylsuchende,
davon 2844 asylberechtigt, 1975 waren es 9627 Asylsuchende, davon 2928 asylberechtigt).
Als 1980 die Zahl der Asylsuchenden die 100.000 überschritten hatte, erschienen
erstmals wissenschaftliche Abhandlungen über eine Änderung des damaligen
Artikels 16 Absatz 2 Satz 2. Mitte der achtziger Jahre griff die CDU wider Willen
ihres Koalitionspartners FDP diese Überlegungen auf. Im Zusammenhang mit
der Änderung des Asylverfahrensgesetzes forderte der damalige Bundesinnenminister
Wolfgang Schäuble (CDU) auch die Änderung des Grundrechtes auf Asyl.
Auf dieser Grundlage brachte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 18.Febraur 1992
einen Gesetzesantrag im Bundestag ein, der die Schaffung eines neuen Artikel
16 Absatz 3 und eines neuen Artikels 24 Absatz 2 vorsah. Mit dem Anstieg der
Asylbewerberzahlen auf über 250.000 im Jahre 1991 (=256.112 Asylanträge)
entstand ein Druckmittel auf die Stimmen der Opposition, die sich bis dato einer
Grundgesetzänderung widersetzte. Offen wurden brennende Asylbewerberheime
(wie in Rostock-Lichtenhagen) als Grund für die Grundgesetzänderung
herangezogen. Auch der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verwies
auf „den Druck der Straße“ für sein Ja zur Verfassungsänderung.
Nach Verhandlungen mit der SPD einigte sich die Bundesregierung mit ihr im Dezember
1992 auf den sogenannten „Asylkompromiss“, der den Weg für
eine Verfassungsänderung freimachte.
So entstand aus dem alten Artikel 16 Grundgesetz das neue Grundrecht auf Asyl
in Artikel 16a mit den schon beschriebenen Erweiterungen und Asylbeschränkungen.
Das Grundrecht auf Asyl, so die Kritiker des Asylkompromisses, bleibt zwar mit
Artikel 16a Absatz 1 vordergründig erhalten, die nachfolgenden Absätze
schränken es jedoch derart ein, daß die Asylgewährung weitgehend
ausgeschlossen wird. Mit der Einführung der Drittstaatenregelung bleibt
den Asylsuchenden nur noch die Möglichkeit, auf dem Luftweg in die Bundesrepublik
Deutschland einzureisen und Asyl zu beantragen, da die BRD geographisch gesehen
in der Europäischen Union ausschließlich von Drittstaaten (Niederlande,
Belgien, Frankreich, Österreich, Dänemark) und sicheren Herkunftsstaaten
(Polen, Tschechische Republik) umgeben ist, was eine Einreise auf dem Landweg,
mit der Absicht Asyl zu beantragen, schier unmöglich macht!
An dieser Stelle fragt man sich, was vom Grundrecht noch übrig bleibt und
welche Änderungen bzw. „Überraschungen“ in der Asylfrage
des Zuwanderungsgesetz noch auf uns warten!
•Keine Abschiebung von Flüchtlingen!
•Für die Anerkennung auch geschlechtsspezifisch
verfolgter Frauen
•Für die Aufnahme irakischer Asylbewerber!
•Grenzen auf für Menschen in Not
Patrice