Mai 2003

Die anderen USA

Rassendiskriminierung, grosse soziale Ungleichheit und rücksichtslose Durchsetzung der eigene Interessen. Für dies alles stehen die USA. Aber es gibt auch Anderes wofür die USA steht. Sie stehen für die Revolution, die die Französische Revolution erst möglich machte. Wer das Gründungsdokument der USA, die Unabhängigkeitserklärung vom 04.07.1776, liest, wird feststellen, dass sie 3 Grundsätze enthält, die grundlegend für die politische Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts sind. 1. Regierungen sind für die Menschen da. 2. Wenn eine Regierungsform nicht mehr den Bedürfnissen der Menschen entspricht, darf sie geändert werden (notfalls mit Gewalt). 3. Jeder Mensch hat Grundrechte, die ihm gewährt werden müssen. Ohne die Unabhängigkeitserklärung wären die Erklärung der Menschenrechte oder das Kommunistische Manifest nicht geschrieben worden. Eine Mehrheit der herrschenden Klasse versuchte schnell diese revolutionäre Grundlage der USA zu verschleiern. Die Politik der meisten US-Präsidenten entsprach nicht dem „Geist von 1776“.
Es gab immer Menschen in den USA, die für die Verwirklichung von Frieden, sozialer Gerechtigkeit und die Gültigkeit der Bürgerrechte für alle Bevölkerungsgruppen der USA eingetreten sind. Der führende Mann der amerikanischen Sozialisten Eugene Debs bekämpfte im ersten Weltkrieg die Teilnahme der USA an diesem Krieg. Er wurde deswegen ins Gefängnis geworfen und seine Partei zerschlagen. Trotzdem stimmten für ihn ca. 1 Million Wähler bei den Präsidentschaftswahlen von 1920. In den dreißiger Jahren erkämpften sich die Arbeitnehmer in harten Kämpfen das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung. Die Gewerkschaftsbewegung konnte deshalb bis 1980 wichtige Elemente eines Sozialstaates erkämpfen und verteidigen. Leider machten die meisten Gewerkschaften im Kalten Krieg, die antikommunistische Politik der US-amerikanischen Regierung mit und waren nicht vor rassistischen Einstellungen gefeit. Martin Luther King kämpfte in den sechziger Jahren gegen rassistische Diskriminierung, soziale Ungerechtigkeit und den Vietnamkrieg. Deswegen wurde er ermordet.
Heute sind die Gewerkschaften schwach, der Sozialstaat zerschlagen und ein Präsident, der eigentlich nicht gewählt ist, sitzt im Weißen Haus und führt als Marionette der Öl- und Rüstungsindustrie „Krieg gegen den Terror“. Die Presse und die Medien werden auf den Kurs der Regierung eingeschworen. Eine Mehrheit der Amerikaner kann deshalb nur die Propaganda der US- Regierung zur Kenntnis nehmen und unterstützt deshalb den Krieg.
Doch es gibt Widerstand gegen diese Politik. Viele Künstler, Schauspieler, Intellektuelle, Gewerkschafter und Geistliche unter ihnen Danny Clover („Lethal Weapon I – IV“) und Susan Sarandon („Thelma und Louise“) und ein Sohn von Martin Luther King haben die Erklärung „Not in our Name“ herausgegeben in der sie den „Krieg gegen den Terror“ ablehnen. Seit Kriegsbeginn gibt es große Demonstrationen gegen den Krieg.
Wie repressiv die herrschenden Klassen der USA nach dem 11. September mit Kritikern umgehen zeigt das Beispiel von Michael Moore. Der linke Filmemacher (aktueller Film „Bowling for Columbine“) wurde von seinem Verlag gedrängt sein neustes Buch „Stupid White Man“ (auf Deutsch bei Piper erschienen; unbedingt lesen) zur Hälfte neu zu schreiben und seine Kritik an Bush und den amerikanischen Zuständen zu mildern. Außerdem sollte er zugeben, dass Bush nach dem 11. September „einen guten Job gemacht hätte“. Moore weigerte sich dies zu tun und nur nach großem Druck der Öffentlichkeit konnte das Buch unverändert erscheinen. Der Verlag unternahm alles um einen Erfolg des Buches zu verhindern. Vergebens. Das Buch wurde ein Riesenerfolg. Moore kapitulierte angesichts dieser Repressionen nicht. Dies beweist sein Auftreten auf der diesjährigen Oscar-Verleihung. Moore, der den Oscar für seinen Film „Bowling for Columbine“ als besten Dokumentarfilm erhielt, nutzte seine Dankesrede, um die Politik von Bush mit scharfen Worten zu kritisieren. Dies alles zeigt, dass trotz großer Repression, die revolutionäre, demokratische Tradition der USA weiter lebt und von vielen Menschen im Kampf gegen die Reaktionäre in den USA genutzt wird.

Michael Rohr