Januar 2003 

 

 

Deportation, Abschiebung & Knast

oder Menschlichkeit, Bleiberecht und Freiheit?

 

Um die unmenschliche Abschiebung von Flüchtlingen durchzusetzen, werden in Deutschland verschiedene Zwangsmaßnahmen ergriffen. Die wohl härteste ist die Abschiebehaft. Sie dient zur „Sicherung der Abschiebung“. Menschen, deren einziges Verbrechen es ist, vor Krieg, Terror und Not zu fliehen, werden bis zu 1½ Jahren eingekerkert. Haftanträge der Ausländerbehörde werden von den Amtsgerichten meist in wenigen Minuten bestätigt. Es ist auch kein Verbrechen notwendig, um in Abschiebehaft zu kommen, sondern ein vager Verdacht, dass sich der Flüchtling „der Abschiebung entziehen“ will. Obwohl die Abschiebehaft „nur“ zur „Sicherung der Abschiebung“ eingesetzt werden darf, werden Flüchtlinge oft für lange Zeit eingesperrt bis sie wegen Ablauf der Fristen frei gelassen werden müssen.

Der „Abschiebegewahrsam Köpenick“ wurde im Oktober 1995 eingeweiht. Hier haben Häftlinge weniger Rechte als Strafgefangene. Sie haben keine Arbeitsmöglichkeiten und nur eine Stunde Hofgang am Tag. Die Fenster sind innen und außen vergittert. Wenn Abschiebehäftlinge Besuch empfangen, sind sie durch eine Scheibe von ihm getrennt. All diese Einschränkungen haben Kriminelle nicht zu erleiden. Oft klagen Abschiebehäftlinge über Schikane der sie bewachenden Polizisten, die sich zum Beispiel mit Master anreden lassen. Der Besitz der Gefangenen wird für die Bezahlung der Zwangsmaßnahmen verbraucht. Das zeigt, welchen Stellenwert Flüchtlinge nach der Änderung des Asylrechtes 1993 noch haben. So ist es nicht verwunderlich, dass es in der Berliner Abschiebehaft regelmäßig Hungerstreiks und Suizidversuche gibt.

Die Initiative gegen Abschiebehaft, der „Flüchtlingsrat Berlin“, „Pro Asyl“ und andere Organisationen setzen sich für ein Ende der Abschiebungen oder wenigstens die Abschaffung der Abschiebehaft und für Verbesserungen im Haftalltag ein. Zwar hat sich unter der rot/roten Koalition die Situation in einigen Punkten etwas entspannt, aber die Situation ist noch immer katastrophal.

Seit dem 6. November 2002 werden wieder Roma aus Berlin nach Jugoslawien und in den Kosovo abgeschoben. Rechtlich ist das möglich, weil die Bundesrepublik Deutschland mit der Bundesrepublik Jugoslawien ein sogenanntes Rückführungsabkommen abgeschlossen hat. SPD und PDS haben sich aber in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt, sich für ein dauerhaftes Bleiberecht der Roma in Deutschland einzusetzen. Wenigstens bis zur endgültigen Entscheidung darüber müsste Innensenator Körting (SPD) die Abschiebungen aussetzen. Auch eine Besetzung der PDS-Zentrale durch die Roma brachte das Problem kaum in die Öffentlichkeit. Nachdem die Roma schon einmal Opfer deutschen Terrors waren, werden sie jetzt in eine ungewisse Zukunft abgeschoben. Weder in Jugoslawien, noch im NATO-besetzten Kosovo sind sie willkommen. Berlin brachte auf Anregung der PDS einen Antrag in den Bundesrat ein, den Roma-Flüchtlingen eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu erteilen. Aber bevor über diesen Antrag entschieden wurde, schob die Berliner Polizei fleißig ab und Innensenator Körting ließ sie gewähren. Da Berlin hier mit schlechtem Beispiel voranging, hatte die Menschlichkeit wieder das Nachsehen. Die Abschiebungen gehen weiter. Als pünktlich zum  Nikolaus die Fortsetzung der unmenschlichen Abschiebung beschlossen wurde, war das natürlich wieder keine Meldung. Am gleichen Tag forderte der Hamburger Innensenator Schill auch in Deutschland wieder Giftgas einzusetzen. Er nahm sich den Giftgaseinsatz im Moskauer Musicaltheater zum Vorbild und forderte, so etwas auch bei uns zu tun.

Nun möchte ich doch mal auf einen Erfolg gegen das System der Abschiebung hinweisen. Das ist ein Beispiel dafür, dass sich der Kampf lohnt: Als 1994 in Afghanistan die Taliban auf dem Vormarsch waren, floh Herr A., ein ranghoher Politiker der früheren Regierung, nach Deutschland. Wenig später gelang auch seiner Familie die Flucht. Seinen Asylantrag begründete Herr A. damit, dass die Taliban nach ihm gefahndet hätten, um ihn zu verhaften. Dem Asylantrag wurde stattgegeben, doch das Bundesverwaltungsgericht widersprach dem Urteil mit der Begründung, politische Verfolgung könne nur von einer staatlichen oder staatsähnlichen Herrschaft ausgehen. Die Machtausübung der Taliban erfülle diese Kriterien jedoch nicht. Mit dieser abstrusen Begründung sollte die Abschiebung gerechtfertigt werden. Familie A. erhob zusammen mit weiteren betroffenen afghanischen Staatsbürgern Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Ergebnis: In einem richtungweisenden Beschluss wurde die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts als »überspannt« gerügt: Verfolgung dürfe nicht allein nach »abstrakten staatstheoretischen Begriffsmerkmalen« geprüft werden. Neue Hoffnung für die Familie A. und für viele andere Flüchtlinge aus Staaten ohne stabile staatliche Strukturen.

Jedoch unterscheidet das Ausländergesetz zwischen Deutschen und Ausländern. Deutsche bekommen Grundrechte und Ausländer müssen sich den diskriminierenden Einschränkungen des Ausländergesetzes unterwerfen.

Weg mit den Abschiebeknästen und der Schikanierung der Flüchtlinge!

 

sl

 

 

Internetkontakte zum Thema:

 

Initiative gegen Abschiebehaft www.berlinet.de/ari/ini

Flüchtlingsrat Berlin buero@fluechtlingsrat.de

Pro Asyl www.proasyl.de

Vernetzung gegen Abschiebehaft www.abschiebehaft.de