Mai 2002 

 

 

 KURS(K) HALTEN ?

DIE REALPOLITIK DER PDS.

 

“Man muss schon blind durch die Welt gehen, wenn man die Polarisierung in der Gesellschaft nicht bemerkt. Die Umverteilung ist in vollem Gange: die Armen werden ärmer, die Reichen immer reicher. [....] Diese Milliarden sind ein zusätzliches freiwilliges Geschenk der Abgeordneten Berlins für die notleidenden Banker auf Kosten der Armen Berlins, an denen gespart wird, bis sie quietschen.“, konstatiert der Spandauer SPD-Abgeordnete Lorenz und kritisiert damit ein Gesetz, das nicht, wie man annehmen könnte, von einer Großen Koalition oder der Ampel, sondern von einer SPD-PDS-Koalition beschlossen wurde. Inhalt dieses Gesetzes ist die sogenannte Risikoabschirmung der Bankgesellschaft Berlin. Dabei geht es aber nicht nur um die Absicherung von Krediten, für die das Land Berlin tatsächlich haften müsste, sondern vielmehr um die Absicherung auch der laufenden Geschäfte der Bank durch Übernahme aller Verbindlichkeiten der Bankgesellschaft und ihrer Töchter und zwar auch dann, wenn das Land für deren Verbindlichkeiten nicht haftet. Also eine Risikoübernahme ohne Not, die weitere Milliardenlöcher in den ohnehin schon desaströsen Haushalt Berlins reißt und den Zeichnern der Immobilienfonds horrende Gewinne sichert.

Eine weitere Leiche im Keller der Koalition, die zugleich ein Kürzungsprogramm aufgefahren hat, dass der vorherige Senat nie hätte durchsetzen können, ohne massiven sozialen Protest zu ernten.

Auch schon vor der Wahl erklärte der PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi gegenüber der Illustrierten "Super-Illu": "Die PDS wäre in einem rot-roten Senat dafür zuständig, dass die Menschen — selbst wenn sie unter Sparmaßnahmen leiden — das Gefühl haben: Zumindest geht‘s gerecht dabei zu."

Das Gefühl, dass es beim Sparen gerecht zugeht, hatte der DGB-Landesvorsitzende von Berlin, Dieter Scholz, zumindest nicht, als er nach der Festschreibung der Koalitionsvereinbarung feststellte, dass die Vermögenden nun gar nicht belastet werden. Der DGB “vermisst die soziale Ausgewogenheit beim Sparkurs in einer Stadt, die einerseits die zweithöchste Millionärsdichte und andererseits die höchste Zahl von Sozialhilfeempfängern aufweise“ und spricht in diesem Zusammenhang gar vom neoliberalen Umbau von Staat und Gesellschaft.

Auch bei der Kürzung der Sozialhilfe ist der neue Senat nicht zimperlich und will nach Vorbild des “Kölner Modells“ das Fallmanagement in den Sozialämtern einführen. Das bedeutet, dass “arbeitsfähigen“ Antragstellern auf Sozialhilfe ein Jobangebot vorgelegt wird,  dass sie ungeachtet des Lohns und ihrer Qualifikation annehmen müssen. Peter Strieder (SPD-Landesvorsitzende und übrigens auch Zeichner eines Immobilienfonds der Bankgesellschaft) kommentiert spröde: "Das werden manche nicht als Chance, sondern als Zumutung empfinden." Nicht wenige werden auch die Kita-Privatisierungen, die Erhöhung der Grundsteuern oder die Streichungen bei der Jugendhilfe als Zumutung empfinden.

Für die  PDS ist die Politik dieser Koalition eine profilfremde Sache und Strategen der Landesspitze halten sogar eine Halbierung der Wählerbewegung für möglich. Mantraähnlich wird auf die Alternativlosigkeit dieser Politik verwiesen und auf das kleinere Übel. Gernot Klemm, PDS-Bezirksvorsitzender in Berlin III, fragte sich und die anderen Delegierten des Außerordentlichen Landesparteitages der PDS im Januar, nachdem er von Kürzungen im Sozialbereich gesprochen hatte: “Aber was würde der Sozialhilfeempfängerin mit zwei Kindern erst passieren, wenn nicht wir regieren würden?“ Dieser Fetisch des kleineren Übels ist unendlich dehnbar und erlaubt viel, eigentlich alles. Denn bekanntermaßen lässt sich ja zu jedem Übel ein noch größeres konstruieren; Valium für die Schmerzgrenze. Dabei sei ausgelassen was für Einflussmöglichkeiten eine in der Opposition starke PDS mit den Gewerkschaften und außerparlamentarischen Linken gehabt hätte. Selbst jetzt scheint die PDS in der Koalition außerordentlich konfrontationsmüde zu sein, wie das oben beschriebene, nicht alternativlose, Risikoübernahmegesetz oder die Zustimmung Berlins zum Zuwanderungs-Abwehrgesetz im Bundesrat zu belegen scheinen. Es bleibt zu hoffen, dass sich in, wie außerhalb, der PDS gegen diese Politik Widerspruch artikuliert und Alternativen diskutiert und formuliert werden.

 

Haimo

pds-jugendbasisorganisation im 3.bezirk