Januar 2002
Mehr Demokratie wagen!
Soll sich Deutschland an einem Krieg beteiligen? Wie verhält sich Deutschland in der EU zur Osterweiterung? Soll das Grundgesetz (z.B. besserer Asylschutz oder Einfügung eines Antidiskriminierungsartikels) geändert werden? Solche und ähnliche Fragen sollen zukünftig die Bürger auf der Bundesebene mitentscheiden können, würde es nach dem Verband "Mehr Demokratie!" gehen. Dieser besteht aus vielen Vereinen und fordert jetzt öffentlich auf die Unterschriftenaktion "Menschen für Volksabstimmung" zu unterstützen. Mit der Unterschriftenaktion, für die noch über die Hälfte der 100.000 benötigten Unterschriften fehlen, fordern die UnterzeichnerInnen den Bundestag auf, die bundesweite Volksabstimmung im Grundgesetz zu verankern.
Laut Umfrageinstitut Emnid sprachen
sich Mitte Juli 85% der Befragten für die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen
aus. Von den Wählern der SPD befürworten demnach 90% die Direkte Demokratie,
die der Grünen sind es 98%, der PDS 94%, der FDP 82% und der Union 74%. In die
Politiker hatten nur die wenigsten Vertrauen, 27% der Bundesbürger glauben,
dass die Politiker das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen, für 68%
dominierte eher Eigennutz. Dagegen scheinen viele hohe Erwartungen an
Volksabstimmungen zu haben, 69% der Bundesbürger halten Volksentscheide für
geeignet, das verlorene Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Die übergroße
Mehrheit der Bevölkerung ist also durchaus interessiert an den Volksabstimmungen
und würde diese auch nutzen. Aber warum gab es dann seit Einführung des
Grundgesetzes 1949 keinerlei politische Bestrebungen den Artikel 20 ("Alle
Macht geht vom Volke aus.") umzusetzen und eine semi-parlamentarische
Demokratie einzuführen. Entscheidungen welche die gesamte Bevölkerung der
Bundesrepublik beträfen würden dann vom Volk oder auf Initiative der
Bevölkerung oder vom Parlament entschieden werden. So sollte jede Änderung des
Grundgesetzes nur durch die Bevölkerung entschieden werden (Direkte
Demokratie). So geschehen ist es in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933
genau acht Mal. Allerdings gelangten nur zwei der acht eingeleiteten
Volksbegehren zur Abstimmung. Sie waren mehrheitlich Ausdruck
unberücksichtigter Interessen und unerfüllter Wahlversprechen. Die bedeutendste
Volksentscheidsinitiative, die auch zur Abstimmung kam, war zur
"Fürstenenteignung" 1926. Es kam zu dieser Initiative, da der Staat
und die Fürsten zu keiner gütlichen Einigung zu den Abfindungen für
Enteignungen nach dem 1. Weltkrieg kamen und die Fürstenforderungen angesichts
der eigenen Armut als ungerecht galten. An der Abstimmung beteiligten sich 39%
aller Abstimmungsberechtigten. 96,1% stimmten für und nur 3,9% gegen den
Entwurf. Die Gegner der Fürstenenteignung hatten zum Abstimmungsboykott
aufgerufen. Da somit nur Befürworter zur Urne gingen, war das Wahlgeheimnis de
facto außer Kraft gesetzt. Nach Drohungen der Gutsbesitzer und Fabrikanten
trauten sich auf dem Lande nur wenige Arbeiter ins Abstimmungslokal. Der
Volksentscheid blieb damit erfolglos, denn die Weimarer Verfassung sah vor,
dass sich mindestens 50% aller Stimmenberechtigten beteiligen mussten. Obwohl
die Befürworter des Entscheids die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatten,
konnten sie durch den Boykott die 50%-Klausel unmöglich überwinden. Trotz des
Scheiterns der Volksabstimmung brachte die Kampagne für die demokratischen
Kräfte einen enormen Auftrieb, auch machten nun einige Fürsten Zugeständnisse
und verzichteten auf Teile ihrer Forderungen. Das Fazit: Die Volksbegehren und
-entscheide boten eine Chance, die Kluft zwischen Staat und Bevölkerung zu
schließen. Nicht bewährt hat sich jedoch das 50%ige Beteiligungsquorum beim
Volkentscheid, das zu undemokratischen Manipulationen führte. 1933 wurde unter
den Nazis mit der Demokratie auch die Volksgesetzgebung abgeschafft. Allerdings
führten die Nazis Volksentscheide "von oben" durch, die mit
propagandistischer Manipulation die Entscheidung vorgab. Es zeigen sich auch
Manipulationen bei der Stimmenauszählung - die typischen Werte für einen
Plebiszit in der Diktatur: über 99% Beteiligung und Zustimmung.
Oft müssen die Erfahrungen mit
Volksabstimmungen in der Weimarer Republik als Argument gegen den
Volksentscheid herhalten. Doch diese verstärkten eher die Demokratie und waren
weder am Zusammenbruch der Weimarer Republik noch an der Machtübertragung an
die Nazis schuld. In einem relativ demokratischen und etablierten Staatssystem sollte es doch möglich sein, die
Menschen an der Politik mehr zu beteiligen und für Politik mehr zu begeistern.
Oftmals ist der Fokus der Politiker über die Geschehen zu eng auf wirtschaftliche
und Profitinteressen beschränkt und die Interessen der Einwohner werden
übersehen oder klein geredet. Dabei sollten doch die unmittelbar Betroffenen
sich ein besseres Bild über die Auswirkungen machen und dann entscheiden. Doch
nicht nur die Parteien die vor zu viel Mitsprache der unbequemen Bevölkerung
Angst haben, sondern selbst die Mehrheit der Bevölkerung bezweifeln, ob die
Wähler überhaupt kompetent genug sind, über Gesetze selbst zu entscheiden und
befürchten den Missbrauch durch rechtsradikale Parteien. Doch jeder Mensch der
sich politisch interessiert und seine Interessen und die seiner MitbürgerInnen
durchsetzen will, ist sicher fähig durch schriftliche Informationsunterlagen
die über die Alternativen aufklären sich zu entscheiden. So wie jeder
Politiker, jede Politikerin auch gewissenhaft nach Prüfung aller Vorschläge zu
entscheiden hat. Zwar hat sich die rot-grüne Bundesregierung dazu durchgerungen
Volksentscheide einzuführen, fordert dafür aber extrem hohe Beteiligungshürden
und die Nichtbefassung mit einzelnen Politikfeldern wie Finanzen. Die
Bevölkerung muss aber über alle Themen abstimmen können, über die auch die
Politiker entscheiden.
Als Alternative zur komplizierten
rot-grünen Initiative schlägt "Mehr Demokratie!" folgendes vor:
1.
In der Vorbereitungsphase formulieren die Initiatoren einen
Gesetzentwurf und fertigen eine Unterschriftenliste an.
2.
Initiatoren müssen zunächst 25.000 Unterschriften sammeln,
um ein Volksbegehren zu beantragen. Die Initiative macht Infostände und nachdem
die erforderlichen Unterschriften beisammen sind, werden sie mit dem
Gesetzentwurf beim Innenministerium eingereicht. Der Innenminister prüft ob der
Gesetzentwurf mit der Verfassung vereinbar ist. Hat er keine Zweifel wird das
Volksbegehren zugelassen.
3.
Das Volksbegehren ist die entscheidende Vorstufe zum
Volksentscheid. Es soll zeigen, ob ein hinreichendes öffentliches Interesse zu
dem Thema besteht. Nun müssen sich 10% der Bevölkerung des jeweiligen
Bundeslandes innerhalb von zwei Wochen in den Amtsstuben eintragen.
4.
Ist das Volksbegehren erfolgreich, wird der vorgelegte
Gesetzentwurf im Parlament diskutiert und abgestimmt. Nur wenn das Parlament
den Vorschlag ablehnt, kommt es zum Volksentscheid. Das Parlament hat die
Möglichkeit einen Alternativvorschlag einzubringen.
5.
Die Bürger können also über zwei Alternativen, oder über den
Initiativvorschlag entscheiden. Bei der Abstimmung entscheidet die Mehrheit der
abgegebenen gültigen Stimmen. Prozentuale Mindesthürden sind nicht vorgesehen.
Wir sind der Meinung die demokratische
Gesellschaft lebt von BürgerInnen, die sich einmischen. Eine verstärkte
Mitbeteiligung der Bevölkerung bringt ein wesentlich ehrlicheres Ergebnis und
kann zu einem besseren Verhältnis mit den Gewählten führen. Die Gewählten
dürfen nicht vergessen: die WählerInnen sind der Souverän. Das Vertrauen in die
Demokratie geht verloren, wenn gewählte Mandatsträger das Engagement von BürgerInnen
als lästige, zeitaufwendige Einmischung betrachten. Es ist eine sehr solidarische Geste sich ehrenamtlich und für
Andere zu engagieren und auch die interessierte Bevölkerung sollte nicht länger
unmündig sein zwischen den Wahlperioden. Wenn auch du eine stärkere
Mitbestimmung der Bevölkerung willst, dann schick die Unterschriften mit deinen
gesammelten Unterschriften so schnell wie möglich an "Mehr
Demokratie!" oder log dich unter www.volksabstimmung.org
ein und unterschreibe digital.
oskar