Januar 2002
Rote Karte für die Ampel -
vom gewagten
Experiment zur echten Alternative?
Es ist Winter geworden in Berlin. Langsam rieselt der Schnee auf den Alexanderplatz und das angrenzende Rote Rathaus. In den Sitzungssälen geht es dafür um so heißer zu, SPD und PDS sind in der letzten entscheidenden Phase zum Abschluss der Koalitionsgespräche. Nach über zehn Wochen seit den Berliner Wahlen gibt es in Berlin immer noch keine neue, von den Bürgern legitimierte Regierung. Viel ist geschrieben worden über die krassen Verluste der CDU, die erheblichen Gewinne der PDS im Osten und Westen der Stadt, es wurde gerechnet und gebangt wen die SPD als Wahlsieger zu Koalitionsgesprächen einladen würde. Erst mal alles offen, war es für den Regierenden Klaus Wowereit, und so wurden Grüne und FDP für eine Ampelkonstellation auf Herz und Nieren geprüft und danach mit der PDS über Rosa-Rot diskutiert. Einem linken Rosa-Rot-Grün-Bündnis widersetzten sich die Grünen, da ihre Mandate für eine Koalitionsmehrheit nicht gebraucht wurden und sie sich somit überflüssig fühlten. Doch schnell wurde klar, es ging nicht darum, aus zwei Alternativen die stabilste und zukunftsfähigere auszuwählen, sondern die PDS außen vor zu halten. Dem Bundeskanzler passte die bundesweite Friedenspolitik nicht und die Berliner SPD wollte keinen blockierenden Partner für den Bundesrat. Es ging nicht mehr um Stadtinteressen, sondern um die angeblichen Auswirkungen auf das außenpolitische Image der Bundesrepublik oder auf die Wirtschaft, Stichwort: Standort Deutschland. Doch die Berlinerinnen und Berliner hatten die Parteien wegen ihrer landestypischen Themen und Versprechen gewählt und nicht in Hinsicht auf gewisse Befindlichkeiten Schröders oder sonst wem. Sicherlich wäre eine kommende Koalition zwischen PDS und SPD in der Hauptstadt einmalig, aber eben auch gesetzmäßig. Berlin war nun mal 40 Jahre lang Frontstadt und diese unsichtbare Grenze kann nur eine Regierung zwischen der stärksten Partei im Westen und im Osten überwinden. Der Druck wuchs und letztendlich wurden Grüne und FDP zu Ampelgesprächen eingeladen. Jedem neutralen Betrachter von außen musste auffallen das dies eine der unglücklichsten Konstellationen für Berlin überhaupt gewesen wäre und die SPD viel Arbeit gehabt hätte, die beiden kleinen streitenden und zankenden „Partner“ zusammenzuhalten. Und das fünf Jahre lang mit einer Opposition der zwei stärksten Parteien? Es schien schwierig zu werden und die Dissensliste der drei Parteien wurde länger und länger. Fast jeden Tag packte die FDP einen Vorschlag auf den Koalitionstisch, der nach dem 1999er CDU-Wahlprogramm und tiefster Mottenkiste roch. Lauter unfinanzierbare und sinnlose Prestigeobjekte wie die Kanzler-U-Bahn und die Olympia-Bewerbung wurden von ihr widerbelebt mit einer angeblich liberalen Handschrift. Das konnten die Grünen nicht zulassen und sprengten als erste das so feste Band der Ampel. Als SPD und Grüne auch noch Steuererhöhungen auf Luxusgüter wollten, stieg die FDP beleidigt aus und die Ampel war passé. Wenn so was mit den Liberalen nicht zu machen wäre, warum sind sie dann erst zur Wahl angetreten? Es war von Anfang an klar, dass fast jede Bevölkerungsschicht unter den Einsparungen leiden würde, und auch Kompromisse eingegangen werden müssten.
Eine Große Koalition hatte
die SPD ausgeschlossen, also ging sie zur PDS. Diese hatte immer zugesichert
nach einem eventuellen Ampelplatzen unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung
zu stehen. Auf gleicher Augenhöhe wolle man in die Gespräche gehen, so
ausgerechnet der wesentlich kleinere Gregor Gysi zu Klaus Wowereit. So wurde
auch sofort zur Tat geschritten und der alte Konsensplan der Ampel wieder
aufgeschnürt. Um nicht wie mit der FDP und den Grünen wieder alle Dissenspunkte
vor sich herzuschieben, wurden bei den wesentlichsten Streitpunkten Kompromisse
geschlossen. Die SPD verzichtete auf die unbezahlbare Olympiabewerbung und die
PDS veränderte ihre ablehnende Haltung zum Ausbau Schönefelds zu einer
kritischen. Nun soll ein neues Planungsverfahren gefunden werden, wozu die drei
Flughafen Partner Bund, Berlin und Brandenburg gerichtlich sowieso verpflichtet
waren. Progressive Vorschläge und längst nötige Maßnahmen der
Ampelkoalitionsvereinbarung wie die Einführung der Ausweispflicht von
Polizeibeamten durch gut sichtbare Namens- oder Dienstnummerschilder sowie die
Abschaffung der Reitstaffel und des Polizeiorchesters wurden übernommen.
Gebrochene Wahlversprechen, wie Kürzungen im Bildungsbereich durch Abbau von
Lehrerstellen die eigentlich für Minimierung der Klassenfrequenzen und weniger
Ausfallstunden genutzt werden könnten, wurden rückgängig gemacht. PDS und SPD
haben mit dem konstruktivem Anfang ihrer Gespräche und der Vermeidung störender
Zänkereien in den Medien ihren Willen zur Veränderung klar gemacht. Klar ist
aber auch, dass der Koalitionsvertrag kein PDS-Wahlprogramm sein wird, sondern
voller Kompromisse. Doch es bleibt abzuwarten auf wessen Kosten die immensen
Schulden abgebaut werden sollen. Bei einer Beteiligung der PDS ist wenigstens
zu hoffen, dass nicht nach dem Kannegießeffekt überall ein bisschen gespart
wird und damit alle Bereiche handlungsunfähig werden und der Großteil der
Kosten auf die Bezirke abgewälzt werden, sondern die sozialen und das
Zusammenleben fördernden Bereiche wie Bildung, Kultur, Jugend, Arbeit und
Gesundheit gestärkt werden und die Einsparungen gerecht verteilt sind. Doch wir
werden die Koalitionsgespräche und zukünftige rosa-rote Senatsarbeit kritisch
begleiten und auch weiterhin über Missstände aufklären.
oskar