Frontstadt Berlin in den Händen der "Roten"?

 

Sommer(-loch) 2001: in Hessen wird vom nimmermüden CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch die populistische Idee Sozialhilfeempfänger zu Arbeit zu zwingen - und sei sie noch so schlecht bezahlt - gefordert, Kanzler Schröder tourt medienwirksam durch Ostdeutschland um Interesse an der "Chefsache Ost" zu heucheln und in Berlin herrscht Wahlkampf ganz nach Stil des Kalten Krieges.

Berlin ist pleite. Dabei fing 1990 doch alles so schön an: Die Grünen ließen die rot-grüne Koalition wegen den brutalen Polizeieinsätzen gegen die Hausbesetzer in der Mainzer Straße platzen. Kaum vorstellbar, wenn man die Äußerungen Fischers zu den Vorfällen in Genua bedenkt. Nach Neuwahlen, bei denen die CDU stärkste Partei wurde und sich die PDS mit neun Prozent zufrieden geben musste, begann der CDU-SPD-Koalitions-Horrormarathon. Die CDU konnte sich also ohne viel Oppositionsgegenwind Posten und viel Geld in den Aufsichtsräten von Banken, Versicherungen und privaten Unternehmen sichern. Andererseits wurde viel Geld für sinnlose Prestigeobjekte herausgeschleudert, wie z.B. die hochsubventionierte Olympia- Berlin 2000 Werbekampagne, bei der Millionen für eine Vision aus dem Fenster geworfen wurden.

Als das Geld in Berlins Kassen langsam immer knapper wurde, gab der Senat das Problem einfach eine Etage tiefer: an die Bezirke, deren Etats jährlich drastisch gekürzt wurden.

Die Folge war eine radikale Kürzung jeglicher sozialer Infrastruktur, da die Kürzungen auch in den Bezirken oft an die Schwächsten wie Kinder und Jugendliche, RentnerInnen und SozialhilfeempfängerInnen weitergegeben wurden.

So nahm die Geschichte ihren Lauf: Die armen Bezirke verarmten immer mehr, Kinder- und Jugendprojekte mussten immer öfter schließen, die Schulen verrotteten immer mehr und der Bankrott der Stadt wurde immer offensichtlicher. Doch CDU und SPD machten tapfer weiter, so als wäre alles gut. Trotz der absehbaren Entwicklung wurde die CDU artig alle vier Jahre von den (West-) BerlinerInnen mit steigenden Prozenten belohnt.

1995 machte die damalige SPD-Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing den berühmten Kassensturz - doch anstatt, wie erwartet, sinnlose Projekte aufzugeben und sinnvoll und sozial verträglich zu sparen, wurden die sozialen Leistungen munter weiter gekürzt und die Kultur in den Schatten eines Mauerblümchendaseins gedrängt.

Zahlreiche kleine Kieztheater mussten schließen oder konnten sich kein angemessenes modernes Equipment zulegen, während Millionen Fördergelder in heutige Investmentruinen gestopft wurden und der Potsdamer Platz zur allgemeinen Verschandelung für "een Appel und een Ei" verscheuert wurde.

Kurzum, alles was internationales Renommee oder Schmiergelder von der Wirtschaft brachte wurde ohne Ende gefördert, während Orte der kulturellen Zusammenkunft, der Erziehung und Bildung, der Unterhaltung, an denen vielleicht Widerstand und soziales Engagement entstehen könnte, hartherzig weggespart wurden.

Wie viel dem Senat an dem Wohl von SchülerInnen und StudentInnen lag, zeigte seine Nicht-Reaktion auf die zahlreichen Demonstrationen und Gesprächsangebote im Sommer 1998 bzw. die Weisungen der damaligen SPD-Schulsenatorin Ingrid Stahmer, demonstrierenden SchülerInnen die Note "mangelhaft" zu erteilen. Soviel zum Demokratieverständnis à la Demonstrationsfreiheit dieser beiden großen "demokratischen" Parteien.

CDU und SPD hielten zusammen, überwanden jede Krise bis zum verhängnisvollem Jahr 2001. Nachdem die verbotenen Parteispenden an die CDU ans Tageslicht kamen und Berlins größte Bank, die Bankgesellschaft Berlin, unter großen Druck geriet, war die Zeit der Opposition gekommen. PDS und Grüne witterten endlich eine Chance für den langersehnten Neuanfang, der bei der Berliner Finanzlage schwer werden dürfte, und forderten als Erstes den sofortigen Rücktritt des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus "Lando" Landowsky.

Jener hatte nämlich in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Bankgesellschafts- Tochter "Berlin Hyp" Millionenkredite gewährt, die zwar nicht ganz so rechtens und bank-technisch klug waren, aber die Kassen der CDU klingeln ließen. Insgesamt 40 Mille strich Lando für seine Partei ein.

Nach anfänglichem Zieren entschied sich auch die SPD einen Schritt nach vorne zu tun und unterstützte die Rücktrittsforderungen der Opposition. Lando musste bald darauf in beiden Funktionen - Fraktions- und Vorstandsvorsitzender - seinen Hut nehmen. Als immer deutlicher wurde, dass diese Kreditvergabe das klamme Land Berlin ganze vier Milliarden Mark kosten würde da das Land als Haupteigentümerin für Risikoaufstockungen und Minusbilanzen aufkommen muss (wer hat solche finanzpolitisch idiotischen Verträge ausgehandelt? Der alte Senat!), wurden allerdings keine juristischen Schritte gegen Landowsky unternommen. Nein, weit gefehlt, er bekam als Belohnung den Posten eines stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU - tolle Leistung!

Der schlappe Eberhard aber klammerte sich noch fester an seinen Ministerpräsidentensessel und versuchte unverdrossen, als wäre nichts gewesen, weiter zu machen wie bisher. Doch die sonst immer so fügsame SPD verweigerte sich ihm plötzlich, ließ sich nach elf Jahren scheiden und knutschte öffentlich mit dem ärgsten Feind. Wie bei jeder unangenehmen Entscheidung für die SPD war aber eher der Druck der Bevölkerung aus-schlaggebend. Über 70.000 BerlinerInnen sprachen sich innerhalb von drei Wochen für Neuwahlen aus.

Da der CDU aber nicht zugetraut wurde, so schnell wie möglich Neuwahlen einzuleiten und es keinen arbeitsfähigen Senat mehr gab, wurden Diepgen und Co. (wohlgemerkt nur die CDU-Senatoren) mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen abgewählt. Klaus Wowereit von der SPD wurde als neuer Bestimmer im "Rosa Rathaus" gewählt um Neuwahlen einzuleiten. Besorgt um ihre Glaubwürdigkeit streute die SPD-Riege munter Mythen über eine angebliche Nichtverantwortung an der Berlin-Krise. Dank allzu lascher Berichterstattung der großen Blätter und allgemeinem Alzheimer hat sie es geschafft ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die CDU wird es kaum versuchen die SPD anzuschwärzen, da sie damit offen zugeben müsste, dass die elf Jahre Große Koalition einigen Schaden in Berlin angerichtet haben, was die reine Wahrheit wäre. Aber Wahrheiten sind immer schwer zu ertragen in der heutigen Politik, da läuft fast nichts mehr ohne Geschichtsklitterung und Mythen zum eigenem Vorteil.

Ein letztes Mal zeigte die CDU ihre Krallen und setzte den spätesten Neuwahltermin, den 21. Oktober, an dem nun das Abgeordnetenhaus und die 12 Bezirksverordnetenversammlungen gewählt werden, mit ihrer parlamentarischen Mehrheit durch.

Die Strategie des allmählichen Vergessens hat bereits eingesetzt. Die Grünen schwelgen in rot-grünen Koalitionsträumen und die PDS bereitet sich hektisch auf den eigenen, erstmals Regierungs-, Wahlkampf vor. Niemand spricht mehr über das strafrechtlich illegale Handeln der CDU und ihrer Mitverantwortung an der Berliner Krise. Die CDU hat es mit ihrem Teppichhändler mit Fönlocke "Franky" Steffel geschafft mit Stammtischparolen in die Offensive zu kommen und Hasstiraden gegen die PDS abzufeuern. Und da können auch Eier- und Batteriewürfe leider nichts ändern. Es wird in diesem Wahlkampf nicht um politische Inhalte gekämpft, sondern um die Gretchen-Frage: PDS in der Regierung Ja oder Nein. Die PDS handelt strategisch am Besten und äußert sich erst gar nicht zu den verbalen Entgleisungen und Beschimpfungen, sondern lässt andere für sich reden. Denn mittlerweile scheint es auch seriöse SPD-Politiker zu geben die keine Lust mehr auf Kalten Krieg und antikommunistische Äußerungen haben und von ihrer Erfahrung mit den Sozialisten (so in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt) berichten. Allerdings gefällt uns auch vieles nicht was die PDS bis jetzt in Regierungsverantwortung geleistet hat bzw. nicht durchsetzen konnte und wollte. Anstatt sich ein eigenes Profil auf einigen Feldern aufzubauen wurde zu oft umgeschwenkt auf sozialdemokratische Parolen, sei es der Ideenlosigkeit geschuldet oder der schnellsten Anpassung wegen. Auch in Berlin ist die Gefahr groß, zu schnell in den Einsparpragmatismus der SPD zu verfallen. Doch neben einigen Dogmatikern oder Karrieristen scheint es in der Berliner PDS auch ehrliche und vernünftige Ansätze einer Regierungsbeteiligung zu geben. In der Frage der Notwendigkeit eines pompösen Megaflughafens Schönefeld ist die PDS die einzige Gegnerin im Parlament! Ob die PDS stark genug ist ihre Forderungen und politischen Ideen durchzusetzen und Berlin nicht nur zu verwalten, sondern der Stadt ein freundlicheres, offeneres und sozialeres Gesicht zu geben, hängt auch von einer gegenseitigen politischen Unterstützung und Zusammenarbeit von PDS und der außerparlamentarischen Opposition ab. Sozialistische Politik kann sich aber natürlich momentan nur in den kapitalistischen Rahmenbedingungen bewegen und die beschissenen Konsequenzen nur abfedern. In Berlin bedeutet dies mit den 50 Pfennig die nach Abzug der Schuldenzinsen von einer Steuermark bleiben Politik zu machen. Dies muss möglich sein. Es ist  immer noch Unterschied zwischen "weiter so" auf Kosten der Bezirke und deren EinwohnerInnen oder einem Versuch verbindender und gerechter Politik für alle BürgerInnen, egal ob Deutsche oder Ausländerin, ob Mann oder Frau, ob Reich oder Arm. In diesem Sinne ist für uns die PDS die einzige Partei die linke Projekte wie Abschaffung der Wehrpflicht, Legalisierung weicher Drogen, gerechtere Verteilung von Geld und Steuerpflichten und Ausstieg aus dem Kriegsteufelskreis in die parlamentarische und gesellschaftliche Diskussion bringt. Sicher ist das linke Engagement der PDS noch ausbaufähig, doch dazu braucht sie Unterstützung - eure Unterstützung!

 

Oskar Krüger & Sebastian Körner