die
Machete und schärfe die Hoffnung"
Die Zapatisten
fordern auf dem Marsch für die Würde
Grundrechte für
die indianische Bevölkerung Mexikos
Als sich Mitte der achtziger Jahre eine
Hand voll Guerilleros, meist Studenten aus den Städten Mexikos, nach Chiapas,
dem unwegsamen Südosten aufmachten, um die indianische Landbevölkerung für den
Kampf um ihre Rechte zu mobilisieren, hätten Kenner der lateinamerikanischen
Zeitgeschichte wohl kaum erwartet, dass achtzehn Jahre später, die Anführer dieses
Befreiungsheeres vor dem mexikanischen Parlament entscheidende Grundrechte für
die Indigenas einfordern würden. Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee,
benannt nach dem populären General des Bauernheeres während der mexikanischen
Revolution (1906-1920), Emiliano Zapata
(1883-1919) ist in aller Welt nicht allein durch ihren aufopferungsvollen Kampf
für die Rechte der Ureinwohner in der Selva (Regenwaldin den Bergen) von
Chiapas bekannt, sondern auch durch ihre gewaltlosen Aktionen, ihre auf Selbstorganisation
und antiautoritäre Strukturen setzende Grundeinstellung und ihre Kongresse, die
der herrschenden Geldgesellschaft und der Globalisierung im Interesse der
multinationalen Konzerne eine neue, gerechtere und basis-demokratische
Zivilgesellschaft entgegensetzen wollen.
Solch ein "intergalaktisches
Treffen", das durch Vorbereitungskongresse auf allen Kontinenten von NGOs
und Solidaritätsgruppen in Gang gesetzt wurde, fand 1996 im Regenwald von
Chiapas statt.
Bei diesem Treffen wurde deutlich, dass "der Zapatismus keine neue politische
Ideologie oder Wiederauflage alter Ideologien ist. Den Zapatismus gibt es
nicht, er existiert nicht. Er dient nur dazu, so wie Brücken, von einer Seite
auf die andere zu kommen. Deshalb haben alle im Zapatismus Platz, alle, die von
einer Seite auf die andere kommen wollen. Es gibt keine Rezepte, keine Linie,
keine Strategien, Taktiken, Gesetze, Regeln oder universelle Parolen. Es gibt
nur eine Sehnsucht: eine bessere Welt zu schaffen, dass heißt, eine neue. Zusammengefasst: der Zapatismus
gehört niemandem, und deshalb gehört er allen!"(aus einer Erklärung
der Befreiungsarmee)
Das Treffen mit Delegierten aus aller
Welt fand seine Fortsetzung. Die Zapatistische Bewegung, ursprünglich eine rein
mexikanische Sache, begann ökonomische und ökologische Weltprobleme zu
diskutieren. Die Kämpfe, die nur ein Kampf sind, gegen Neoliberalismus und
Globalisierung, für Klima-schutz und Erhaltung des Regenwaldes wurden neben dem
Befreiungskampf der mexikanischen Indigenas zu Stationen auf dem Weg der
Zapatisten. Auch zum unsäglichen Kosovo-Krieg meldete sich Subcomandante Marcos
mit einer Botschaft an das Soziale Europa und an die Männer und Frauen, die "nein sagen können" zu Wort: "Brüder und Schwestern, an Euch alle
der Gruß der Zapatisten aus Mexiko! Dieser Tage finden auf der ganzen Welt
diverse Aktivitäten gegen den Krieg statt, den das Geld im Herzen Europas gesät
hat...In diesem Krieg versucht die große Macht, uns alle dazu zu zwingen,
Stellung zu beziehen: entweder unterstützen wir die ethnische Reinheit von
Milosevic oder den `humanitären` Krieg der Nato. Das ist der große Zauber des
Geldes...In den Regalen des globalisierten Marktes bietet die Macht der
Menschheit nur verschiedene Sorten desselben Krieges. Es gibt ihn in allen
Farben, Geschmacksrichtungen, ...innerhalb dieser Marktlogik der
Todes-verkäufer, will der Neoliberalismus uns einen Betrug andrehen. Der Krieg,
der angeblich noch mehr Tote verhindern sollte, hat nichts anderes getan als
sie zu vervielfachen.
Es
ist nicht wahr, dass wir an diesem tödlichen Markt teilhaben müssen. Es ist
nicht wahr, dass es nur die Wahl zwischen verschiednen Formen des Krieges
gibt...Trotz aller Macht des Geldes haben wir immer noch das Recht, `nein` zu
sagen...Nein zur Zerstörung des anderen...Nein zum Zynismus. Nein zur
Gleichgültigkeit. Nein zum Zwang der Wahl zwischen mehr oder weniger
blutrünstigen, mehr oder weniger perversen, mehr oder wengier mächtigen
Verbrechern.
Wenn
wir heute nicht `nein` zum Kosovo sagen, werden wir morgen `ja`zu all dem
Horror sagen, den das Geld schon in allen Teilen der Welt
zusammen-braut..."
Im Laufe dieses Frühjahrs wird sich in
Mexiko herausstellen, ob die neue
Regierung unter Vincente Fox von der konservativen PAN, die zum ersten
Mal seit 80 Jahren die Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) - eine
verkrustete und korrupt gewordene Partei - abgelöst hat, zu ernsthaften
Friedensverhandlungen und zu einer Verfassungsreform bereit ist. Mit dem
"Marsch der Würde" von 23 comandantes und dem subcomandante Marcos
nach Mexiko-Stadt sollte die Zivilgesellschaft
mobilisiert und das Parlament zur Unterzeichnung eines seit Jahren
ausstehenden Gesetzentwurfs über indigene Rechte und die Kultur der Ureinwohner
bewegt werden. In dem Bundesstaat Michoacan verweilten die Gerilleros drei Tage
auf ihrem Marsch beim Nationalen Indigena Kongress, an dem mehr als 10 000
Ureinwohner Mexikos teilnahmen, um über die Kultur und Autonomie ihrer Völker
zu debattieren. "...Lerne mit dem
Herzen zu sprechen das in dem Anderen pocht. Sei klein gegenüber dem Schwachen
und mach dich groß mit ihm. Sei groß gegenüber dem Mächtigen und willige nicht
stumm ein in die Erniedrigung, die uns widerfährt, sagten unsere ältesten
Häuptlinge..."(aus der Erklärung der Zapatisten auf diesem Kongress)
Fast Zweihunderttausend begrüßten Ende
März die unbewaffneten Zapa-tistenführer in Mexiko-Stadt. Das Parlament
beschloss mit knapper Mehrheit, die comandantes könnten vor dem Hohen Haus eine
Erkärung für die Zapatisten abgeben. Die Zapatisten wollen erst mit dem
schillernden Prä-sidenten Fox sprechen, wenn die Regierung ihre bekannten
Bedingungen erfüllt hat: Räumung der Militärstützpunkte, Freilassung aller
zapatistischen Gefangenen; grundlegende Verfassungsreform.
Während die mexikanischen Medien aus dem
"Marsch der Würde" ein event namens Friedensmarsch mit Rock-Konzert
und Anstecknadeln machten - "Heute
wollen sie uns zur Mode machen...Heute wollen sie uns...vergänglich, flüchtig,
...entbehrlich machen" -, forderten unterdessen die Großgrundbesitzer
die 24 Zapatistenführer in Mexiko-Stadt festzusetzen und ihnen das
beschlagnahmte Land und Vieh zurückzugeben. Hunderte von Indianern besetzten
dort zwei Rundfunkstationen, um Solidaritätsbotschaften für die Zapatisten
auszustrahlen.
Die Medien in Mexiko, aber insbesondere
in Europa focusieren die Zapa-tistische Bewegung vor allem auf subcomandante
Marcos, den sie zum Robin Hood der Aufständischen hochstilisieren. Dabei
versteht sich Marcos selber nur als Übersetzer der Maya-Kultur und des Maya-Denkens
in westliche Kategorien. Aber in den westlichen Medien kann sich niemand
vorstellen, dass eine indigene Bewegung ein eigenes Denken hervorbringen kann.
Die Formeln, die Marcos verwendet, und der poetische Stil kommen von den
chiapanekischen Indigenas. Ein Indigena aus Chiapas versteht Marcos Kommuniques
mit den Wiederholungsfiguren und den Kategorien der Maya-Philosophie auf einer
ganz anderen Ebene, als das ein junger Westeuropäer der Mittelklasse, der die
Zapatisten bewundert, meist tut, der diese Sprache nur für reine Poesie hält.
Dabei geht es ums Leben, ums knallharte Überleben, um soziale Rechte und um
drastische Wirtschaftsreformen. Und bei diesen notwendigen Schritten ist der
Zapatismus eben "nicht der
Wegweiser, sondern lediglich eine Spur, die ins Morgen führt".
Klaus Körner