Meine Nachbarskinder waren mir schon
lange ein Dorn im Auge. Sie waren häßlich, geistig zurückgeblieben, unhöflich
und laut. Am schlimmsten war immer diese Spastenmusik.
Dann kriegten sie einen Computer.
Man könnte meinen, sie hätten nun still ihre Hausaufgaben dort hineingetippt. Aber nein, wer weiß, ob heutzutage überhaupt noch Hausaufgaben aufgegeben werden, vielleicht gibt es ja auch gar keine Schulpflicht mehr, sie spielten den ganzen Tag am Computer.
Aber nicht wie wir damals,
Strip-Poker gegen Samantha Fox, auf dem ZX-Spectrum.
Sie spielten Krieg. Sie spielten
Krieg und ich hörte zu. Fliegeralarm, Kanonenschläge, Maschinengewehrsalven.
Stundenlang.
Ja, wohne ich denn auf dem Balkan,
dachte ich. Dann dachte ich, Wenn die Schlibrowskis selber es ablehnen, ihre
Kinder zu anständigen Menschen zu erziehen, muß ich es eben tun. Wenn es um die
nachwachsende Generation geht, ist die ganze Gesellschaft gefordert.
Ich hatte einen Plan und nannte
ihn: Make Love Not War.
In der Videothek an der Ecke
besorgte ich mir einen scharfen Film, Junge hemmungslose Nymphomaninnen im
Strudel der Wollust. Dazu lieh ich ein Videoabspielgerät.
Ich habe zwar keinen Fernseher,
brauchte aber auch keinen. Ich verband den Videorecorder mittels Cinch-Kabel
mit meiner Stereoanlage und hievte die Boxen aufs Fensterbrett.
Lautstärke auf volle Pulle und es
konnte es losgehen.
Gestöhne, Gebrüll, zotige Dialoge,
es klang ziemlich eklig, aber was sein muß muß sein. Ich ließ das Band laufen
und nahm erst mal ein Bad.
Irgendwann bemerkte ich, daß an
meine Tür gehämmert wurde. Ich drückte auf Pause und eilte in den Korridor,
wobei ich rief, so daß man es durch die Wohnungstür hören konnte: „Ich komme
gleich wieder und dann nehm´ich Dich richtig ran.“
Vor der Tür, die ich nur einen
Spaltbreit öffnete, stand Frau Schlibrowski, um sich zu beschweren. „Ja, kann
man denn hier nicht mal in Ruhe ficken, schrie ich, schlug die Tür zu und
machte das Video wieder an.“
Ich ließ das Band zweimal
durchlaufen. Da ich es schon kannte, wurde mir langweilig und ich sah aus dem
Fenster. Ach du Schreck, der Hof war voller Leute. Nachbarn, Suffköppe aus
Erikas Stübchen und auch zwei Polizisten. Alle amüsierten sich wie Bolle,
zeigten abwechselnd zu meinem Fenster rauf und tranken Büchsenbier. Der
Hausmeister grillte Würstchen für 2 Mark, ein Eisverkäufer kam vorbei.
Sie schienen entschlossen,
auszuharren, bis sie einen Blick auf die temperamentvollen Energiebündel
erhaschen konnten, die freiwillig mit zu und bei mir gekommen waren. Irgendwann
mußten sie ja gehen.
Ich brauchte bloß Zeit zu
gewinnen. Ich spulte zurück, bis an die Stelle, wo eine ohrenscheinlich blonde
Frau lüstern lechzte: „Los mein Hengst, mach es mir noch einmal“, und eine dem
Klang nach brünette einfiel: „Ja besorg es mir noch einmal so richtig!“ Eine
Asiatin quietschte vergnügt: „Mil auch! Mil auch!“
Aber auch Stunden später mochte
der Mob nicht weichen. Mir wurde bewußt, daß man bei Schweinskram bald
überfordert ist, wenn man am Anfang zu dick aufträgt. Hoffentlich bekamen die
Schlibrowskikinder kein verzerrtes Bild von der menschlichen Sexualität.
Ich ließ einen Sektkorken knallen,
und weil ich nur eine Flasche hatte, nahm ich das Geräusch auf Tonband auf. Nun
konnte ich es wiederholt verwenden. Um das ganze realistischer zu machen,
quietschte ich auf meinen Bettfedern. Hätte ich jetzt einen 2. Videorecorder
gehabt, hätte ich immer neue Variationen der heißesten Stellen
zusammenscratchen können. Schade eigentlich. Hoffentlich roch niemand da unten
Lunte.
Es war bereits dunkel, aber sie
schienen unermüdlich. Ich erledigte frustriert meine Biervorräte.
Dann kam sie doch noch, meine
Rettung. Ein nächtliches Sommergewitter, das die Schau- oder besser gesagt
Horchlustigen auseinanderfegte.
Als ich mich anderntags übermüdet,
mit Augenringen und Mundgeruch aus dem Haus schleppte, saßen die ersten
Hochleistungstrinker schon wieder vor Erikas Stübchen beim Bier. Manche
blinzelten mir anerkennend zu.
Naja, hat´s doch was gebracht,
dachte ich.
Spider