Januar 2001
Hilfeschrei
Tagebucheintrag vom 16. September 2000
Wie weit kam es bei uns? Es scheint so,
als sei schon alles zu spät! Dabei sind doch (noch) keine Nazis an der Macht,
oder zumindest keine, die sich offiziell outen. Aber was geschieht denn? Fast
täglich gibt es rassistische Übergriffe und oft enden sie für die Opfer
tödlich. So darf das nicht weitergehen! Und als ob es nicht genug wäre von
Faschisten ermordet zu werden, wird die Tat dann auch noch anschließend durch
Polizei, Justiz und Staatsanwaltschaft verschleiert. Oft wird die
Öffentlichkeit nicht über die Hintergründe faschistischer Morde aufgeklärt. Und
solche Vorfälle häufen sich. Lediglich im Fall des Dessauers Alberto Adriano
wurde das Motiv Fremdenfeindlichkeit anerkannt. So langsam frage ich mich, in
was für einem Staat ich lebe? Der Rassismus ist normal und wer etwas dagegen
sagt wird selbst zum Opfer.
Heute gab es eine Demonstration wegen
eines Faschomordes an einem „Asozialen“ in Buch. Ja, auch in meiner Umgebung
geschehen solche Gewalttaten! Das darf mich nicht kalt lassen und auch niemanden
sonst. Auf der Demo waren vielleicht einhundertfünfzig Menschen, aber das ist
viel zu wenig, auch wenn es im Bereich der Erwartungen lag. Aber wenn solche
Sachen geschehen, müssen Hunderttausende auf die Straße! Wir können den rechten
Mob doch nicht einfach gewähren lassen! Endlich muß sich Widerstand regen,
sonst brechn bald die letzten Dämme. Die Demo begann verhalten und es war auch
wirklich nicht viel los. Zum Beginn ging es nur durch Kleingartenanlagen in
Karow. Aber so langsam kam Stimmung auf. Erste Sprechchöre wurden gerufen und
die Demo rückte näher zusammen. Das schien jedoch der Polizei nicht zu
gefallen. Der berüchtigte "Frosch 23" rückte an. Die Besatzung ist in
der linken Szene als besonders prügelfreudig bekannt. Wie nicht anders zu erwarten
gab es bald den ersten Polizeiübergriff durch Eckard Werthebach's Prügeltruppe
auf friedliche Demonstranten. Mit Knüppeln schlugen die Behelmten auf
friedliche Menschen. Bei der Gelegenheit nahm MANN auch gleich einen
Demonstranten fest. Mal sehen, welchen fadenscheinigen Vorwurf man gegen diesen
Menschen erheben wird? In zwei weiteren Aktionen dieser Art wurden noch zwei
Demonstranten festgenommen. Die einheimischen Faschos standen daneben und
lachten sich in's Fäustchen. Nebenbei filmten sie noch die Demo. Wahrscheinlich
sitzen sie jetzt zu Hause und suchen sich die nächsten Opfer aus. Wer wird als
nächstes ermordet? Dein Freund und Helfer prügelte trotz des Aufrufes
"keine Gewalt" weiter. Auf jeden Fall riefen Lauti und Demonstranten zu
Friedlichkeit auf und wir gingen in engen Ketten. So kamen wir wenigstens
halbwegs friedlich zum Bahnhof. Das heißt allerdings nur: Es gab keine weiteren
Übergriffe. Ständig liefen wir auf beiden Seiten untergehakt mit anderen Demonstranten. Am Tatort des Mordes gab
es noch eine kleine Kundgebung und so ein Fascho Skin (vielleicht Mittäter?)
mußte sich einigen Sprüchen stellen. Schnell jedoch verzog er sich hinter sein
Fenster. Solche Leute sind halt für Argumente nicht zugänglich. Nach der
kleinen Kundgebung gingen wir untergehakt weiter zum Bahnhof. Wir warteten
noch, bis der Lauti abgebaut war und verzogen uns auf den Bahnhof.
Das heut' war ein richtiges Signal,
aber es war viel zu klein! Das Schlimme ist, daß solche Signale notwendig sind.
Leider sind nur sehr wenige Menschen bereit, solche Signale zu geben. Und die
Politik gibt die falschen Signale: Das Asylrecht wurde faktisch abgeschafft.
Die CDU in Hessen gewann die Wahl mit einer ausländerfeindlichen
Schmutzkampagnge. Selbst Otto Schilly hat sich zum Ausländerfeind gewandelt.
Herr Merz fordert eine "Verschärfung des Demonstrationsrechtes". Und
so weiter und so fort. Schluß damit!
Her mit einem besseren System!