September 2000
Der Zweck heiligt die Mittel
Der Abgeordnete Kohl - ein Fossil aus vordemokratischer
Zeit
Eine saubere Republik,
dieses demokratische Musterland! Ein Ex-Kanzler, der sich der vierten Kraft im
Staat, den Medien, gegenüber wie ein Diktator des ehemaligen Ostblocks
aufführt, sieht er sich Vertretern der freien Presse (was auch immer das sein
mag) gegenüber. Aufbrausend, überheblich und mit duodezfürstlichem Machtgebaren
herrscht er die Medienvertreter an, als hätten sie Millionen und
aber Millionen an den Gesetzen vorbei in irgendwelche Parteikassen geschaufelt.
Hat der Doktor der Geschichtswissenschaft H. Kohl noch nie von der
Spiegel-Affäre oder Watergate gehört und der segensreichen Rolle der Medien bei
der Bewahrung der Demokratie? Bislang konnte man annehmen, sein Gedächtnis sei
nur, was die Millionen-Spender betrifft, partiell gestört! Oder fühlt er sich
verfolgt, von lauter Feinden umgeben?
Schon sein politisches
Gegenüber aus Rheinland-Pfalz beschreibt das Verhalten des jungen Vorsitzenden
der Landtagsfraktion der CDU Dr. Kohl als problematisch. Er habe nie den politisch
Andersdenkenden tolerieren oder gar akzeptieren können. Es waren für ihn
politische Gegner, Feinde, dessen Wahlerfolge man mit allen Mitteln verhindern
müsse.
Der politische Diskurs, der
demokratische Meinungsstreit hat ihm nie gelegen. Seine Auftritte im
Untersuchungsausschuss des Parlaments geraten zu bloßen Peinlichkeiten. Da
agiert ein Fossil aus vordemokratischer Zeit, das die Fragen der gewählten
Bürgervertreter als Majestätsbeleidigung abzuschütteln versucht, der mit den
Seinen unter ihnen nicht Wahrheitsfindung sondern Abwehrschlacht im Vorhinein
abspricht.
Erst als er endlich als
Bundeskanzler sein hohles staatsmännisches Gehabe zelebrieren konnte, wurde
Statur und Bedeutung identisch. Ein Fürst eben aus dem Deutschland der
Kleinstaaterei, ein Sachsen-Coburg-Gotha- oder Hessen-Nassau-Verschnitt, der
jede Kritik als feindliches Gekläff auch im eigenen Rudel defamierte.
Das gerade die ostdeutschen
Wähler 1990, 50 Jahre der Demokratie entwöhnt, seinen vereinfachenden Sprüchen
und Gesten folgten, ist verständlich. Von einem vormundschaftlichen Regime zum
anderen, das fanden viele Wähler besser als das „ewige Gequassel“ der
Intellektuellen am Runden Tisch. Und so wählten sie nicht nur wieder „Birne“
zum Kanzler, die Vaterfigur aus dem Struwelpeter mit der D-Mark im Sack, der
auch zu der „Quasselbude“ Bundestag kein rechtes Verhältnis hatte, sondern auch
ohne großartige Opposition Preußenkönig Manfred in Brandenburg und Sachsenkönig
Kurt in Dresden, Vaterfiguren auch diese. „Die Werdens schon richten, die
wissen wo’s langgeht,“ so der Mehrheit Stimme.
Nun hat dieses undankbare
Volk den Fürsten Hellmut im September 1998 abgewählt, obwohl so viel
gespendeter „Bimbis“ in den Wahlkampf geflossen ist. Und auch das ironische
Rezept von Bertolt Brecht aus den Buckower Elegien von 1953 griff nicht: „Was
macht eine Regierung, wenn sie mit dem Volk unzufrieden ist? Sie löst das Volk
auf und wählt sich ein neues!“
Also ließ seine schmollende
Hoheit erst einmal schnell noch vor der Zepterübergabe von seinen eilfertigen
Beamten die Geheimarchive vernichten, ähnlich wie es sein Freund, der
indonesische Diktator Suharto gemacht hat. Leider versäumte es der Ex-Kanzler
sich als Abschiedsgeschenk Straffreiheit auf Lebenszeit zusichern zu lassen,
wie es sein Freund Zar Boris tat.
Was dann kam, ist nur noch
mit dem Bruch der Nibelungentreue zu vergleichen. Der Kanzler der Einheit ein
Krimineller? Ein tüchtiger Waffenschieber, von der Staatsanwaltschaft in die
Enge getrieben und auf der Suche nach neuen, sprich, regierenden Freunden,
lichtete den Nebel über dem CDU-Spendensumpf. Da entdeckte Dr. Kohl, dass er
einst zum Ritter geschlagen ward, und seinen Spendern sein ritterliches
Ehrenwort gegeben hat, ihre Namen, wie ehrenwert sie auch immer sein mögen,
nicht preiszugeben. Zwar verpflichtet das Parteiengesetz den ehemaligen
CDU-Vorsitzenden zur Nennung der Spendernamen. Aber das Ehrenwort des letzten
deutschen Ritters von der traurigen Gestalt steht über allen Gesetzen dieser
Demokratie. Denn schließlich: Das Gesetz bin ich!
Das neueste
Angebot des Abgeordneten Kohl, ein erhebliches Bußgeld zu zahlen, wenn die
Bonner Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn einstellt, ist nun gar nicht
mehr zum Lachen. Der demokratische Rechtsstaat und seine Justiz werden mit
Angeboten wie auf einem orientalischen Basar konfrontiert und dies von einem
Mitglied des deutschen Bundestages. Ihre Gnaden von Oggersheim halten wohl
alles in Deutschland für käuflich?
Vielleicht aber hat er damit
tatsächlich recht.
Klaus Körner