April 2000

 

 

Auflösungserklärung der Jusos Pankow/ Weißensee vom Januar 2000

 

Wie wir in unserer letzten Ausgabe ausführlich dokumentierten, sind wir, die Rotdornredaktion, geschlossen in Folge des Kosovokrieges und der unsozialen Schröderpolitik aus der SPD ausgetreten. Obwohl wir nicht mehr in der SPD Mitglieder waren, blieben wir bei den Jusos. Jedoch macht es keinen Sinn bei den Jusos zu sein, wenn man sich von der Sozialdemokratie insgesamt nichts mehr erhofft, wie wir nach einigen Monaten feststellten. Zumal sich auch die Jusos sehr verändert haben. Als wir dann schließlich im Januar 2000 aus den Jusos austraten verabschiedeten wir einstimmig folgende Erklärung:

 

 

Offener Brief an die Jusos Berlin

 

Auf ihrer letzten Sitzung haben sich die Jusos Pankow/ Weißensee einstimmig aufgelöst. Wenn dies vielleicht gegen das Statut verstößt, ist die Auflösung doch praktisch durchgesetzt. Es gibt keine Jusos Pankow/ Weißensee mehr.

 

Die Jusos sind für uns keine sozialistische Heimat mehr. Dies liegt zum einen an ihnen und ihrer Entwicklung selbst und zum anderen an der Rechtsentwicklung der SPD und dem Scheitern des rot-grünen Reformprojektes. Als Jusos wollten wir einerseits die Linke in der SPD stärken (wirklich, es gab sie mal) um den Weg für progressive Reformen freizumachen und andererseits mit Jugendlichen außerparlamentarisch linke Bewegungen unterstützen.

 

Zur SPD: Die einzige greifbare momentane Möglichkeit um das bestehende kapitalistische System zu verändern war für uns der Sturz der Kohlregierung und der Beginn einer sozialen und ökologischen Verbesserung durch eine SPD-Grünen Regierung. Nun haben wir eine solche Regierung. Was wir von ihr erleben ist aber kein politischer Fortschritt, sondern eine Verschärfung der kapitalistischen Verhältnisse durch eine sogenannte Modernisierung (schlanker Staat, Flexibilität, Eigenverantwortung usw.). Innenpolitisch gibt es Sozialabbau und Kürzungspolitik bei immer schneller steigenden Unternehmergewinnen, außenpolitisch haben wir Deutschland (wieder einmal) beim führen eines Angriffskrieges erleben müssen. Als Sozialisten lehnen wir diese rückwärtsgewandte Politik ab. Leider gibt es innerhalb der SPD keine Opposition gegen diese Regierungspolitik, die wir als Jusos unterstützen könnten.

Spätestens als Oskar Lafontaine von allen Partei- und Staatsämtern zurücktrat, stellten wir uns die Frage, wer in diesem Land eigentlich regiert. Das Herz schlägt zwar nicht an der Börse, aber offensichtlich werden dort die Entscheidungen gefällt. Zumindest ist nunmehr klar, daß die rot-grüne Koalition kein Gesetz erlassen wird, wenn nicht zuvor die Vertreter der Industrie ihr Einverständnis signalisiert haben. Wenn man der Industrie aber ein Vetorecht bei politischen Entscheidungen gibt, ist linke, fortschrittliche Politik, die sich an Bürgerinteressen orientiert, nicht möglich.

 

Zu den Jusos: Die Jusos sind Nachwuchspolitiker 3.Klasse geworden. Sie denken wie die Alten und haben dieselben Rituale, aber mit „VIVA-Outfit“.  Von einem sozialistischen Richtungsverband (auf den man noch Anfang der 90er stolz war) ist nichts übrig geblieben. Zwar werden teilweise noch progressive Beschlüsse gefaßt (Resolution zum Kosovo-Krieg, Freiheit für Mumia Abu Jamal) jedoch ist man mittlerweile so schwach, daß man bei entsprechenden außerparlamentarischen Aktionen, z.B. Demonstrationen, überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Jede kleine trotzkistische Sekte hat eine größere Außenwirkung als die Jusos. Da ist es auch schon fast egal was man beschließt. Innerhalb der SPD ist der Einfluß noch geringer. Da in der SPD keine Opposition gegen den Rechtskurs besteht ist man alleine schon gar nicht in der Lage etwas auszurichten. Aber nicht genug damit, daß man außerhalb und innerhalb der SPD keinen Einfluß hat, man schreckt auch immer mehr vor unerfüllbaren Forderungen zurück. Dabei ist momentan jede linke Forderung bei den gegenwärtigen Kräfteverhätnissen in der SPD und in der Gesellschaft überhaupt nicht erfüllbar. Ein Beispiel: Als es um die Bildung eines Berliner Senates ging, war die revolutionäre Forderung der Berliner Jusos, die CDU solle mit Unterstützung der SPD eine Minderheitsregierung bilden anstatt die Bildung einer Mitte-Linksregierung von SPD/Grünen/PDS wenigstens als politische Alternative ins Gespräch zu bringen. Bei diesem Mitläuferkurs der Jusos ist es eben schwer Jugendliche politisch zu begeistern, es sei denn es sind Zahnarztkinder oder Jurastudenten die ein Hoch auf die neue Mitte singen wollen. Wir jedenfalls singen lieber die Internationale.

 

Keine Angst wir stecken nicht den Kopf in den Sand. Wir werden weiterhin gemeinsam politisch handeln. So werden wir weiterhin (nach 9 jährigem Erscheinen) den RotDorn in seiner gewohnten Auflage publizieren. Als unabhängige linke Jugendzeitschrift wollen wir so einen Beitrag für die sozialistische Bewegung im Berliner Norden leisten. Wir sind uns sicher, daß dieses Zeitungsprojekt noch attraktiver für viele Jugendliche wird, wenn wir es nicht mehr als Juso-Zeitschrift herausgeben.