September 1999

 

 

 

 

Das Grüne Projekt ist tot

Offener Brief an die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

 

·     Wie lange will die Partei noch das NATO-Bombardement auf Jugoslawien tolerieren?

·     Wir Grünen haben Vertreibung, Zerstörung der Heimat, Tod und Vergewaltigung immer angeprangert, aber auch in Kurdistan beim NATO-Partner Türkei, auch in Guatemala und El Salvador unter der Schirmherrschaft der USA (um nur einige Beispiele zu nennen). Wollen wir nun gute (mit aller Gewalt zu rettende) und böse (der Rettung der „Freien Welt“ nicht würdige) Opfer von Mord und Vertreibung einführen wie im Wild-West-Film?

·     Können wir so tun als hätte es das Kosovo-Problem erst 1998/99 gegeben?

·     War Herr Milosovic den Garantie-Mächten von Dayton nicht ein wichtiger Sicherheitsfaktor, obwohl es im Kosovo schon längst brodelte und Präsident Rugova vergeblich in den westlichen Hauptstädten die Klinken „putzte“?

·     Konnten wir ernsthaft das Ermächtigungsdiktat von Rambouillet, in dem beispielsweise die Implementierungsstreitmacht von jeder strafrechtlichen Verfolgung auch bei Übergriffen ausgenommen wird trotz der Erfahrungen im Vietman- und Golfkrieg diplomatisch unterstützen und es zum Aufhänger eines Krieges machen?

·     Können wir das Wiederaufleben der mittelalterlichen Ideologie vom „gerechten“ Krieg politisch mit salonfähig machen  oder müßten wir nicht vielmehr geduldig und unermüdlich nach politischen Lösungen ohne „hands up“ Bombardement suchen, anstatt Emotionen mit historisch falschen Vergleichen ( die SS Milosovics, der NATO-Einsatz um ein neues Auschwitz zu verhindern etc.) zu schüren?

·     Kann die Partei den Unsinn mittragen und mitverantworten, bei diesem NATO-Bombardement ginge es um Demokratie, westliche Zivilisation (was immer das auch ist) und menschliche Werte, die es zu verteidigen und nach Jugoslawien zu bringen gelte? Waren es nicht diese Werte, die in Vietnam, auf den Philippien des Diktators Marcos, in Chile unter Pinochet, in Nicaragua unter Somoza u.s.w. ebenfalls verteidigt und gerettet werden mußten?

·     Kann die Partei verantworten, daß eine der intelligenten Waffen nicht nur Sofia, die Hauptstadt Bulgariens oder die chinesische Botschaft trifft, sondern die Atomkraftwerke bei Belgrad und an der bulgarisch-jugoslawischen Grenze und so ein osteuropäischer Super-Gau entstünde?

·     Haben wir nicht in vielen Parteitagsbeschlüssen und Konzeptionen der BAG Frieden und Internationales eine europäische Friedensordnung jenseits der NATO gefordert?

 

Aber die Partei hat sich ja nicht nur außen- und friedenspolitisch von ihrer Grundprogrammatik losgesagt, sondern auch steuerpolitisch - wo ist die Ökosteuer als Anschub für eine Verkehrs- und Energiewende - , sozial- und gesundheitspolitisch - wo ist die Grundsicherung und die Beschneidung der Pharma-Industrie und die echte Entlastung der chronisch Kranken-, ausländerpolitisch und umweltpolitisch.

 

Ich, jedenfalls, gehöre als linker Christ an die Seite der Sanftmütigen und Friedensstifter, an die Seite der Armen, Ausgegrenzten, Andersartigen und Fremdlinge. Die „Überflüssigen“, die von der Gesellschaft vermeintlich nicht mehr Gebrauchten und ihr nur zur „Last“ fallenden, brauchen eine Lobby, eine starke soziale Bewegung und keine allein auf Machterhalt setzende Partei.

Aus der kirchlichen Friedensbewegung der DDR - Schwerter zu Pflugscharen - kommend, war ich vor acht Jahren in eine Partei eingetreten, die ein alternatives politisches Projekt verwirklichen wollte.

Ich verlasse enttäuscht eine neoliberale Mainstream-Partei.

 

Klaus Körner, Mai 1999

Bundestagskandidat für BÜNDNIS 90/DIE GÜNEN

1994 Landesliste Brandenburg Platz 2

                                    1998 Landesliste Brandenburg Platz 3