Diensttag, den 2. Dezember 1997 0. Streiktag
Studentenstreik in Deutschland
Alle
Studierenden wurden zur Vollversammlung(VV) geladen.
Der Beuth-Saal (der größte Raum in der TFH) war bis auf den letzten Platz und noch weiter gefüllt. Studentenvertreter anderer Hochschulen haben über ihre Streikerfahrungen berichtet. Der Präsident der technischen Fachhochschule (TFH) erklärte
seine Sympathie für den studentischen
Standpunkt. Er ist auch der Erste, von dem man das
Wort "STREIK!" hörte. Während einer
Diskussion zeichnete sich auch bei uns eine
Mehrheit für den Streik ab. Die W beschloß,
daß sich die TFH ab Mittwoch 8.00 Uhr als 68.
Uni in Deutschland am Streik beteiligt. Eine Demonstration schloß
sich an die W an. Sie führte zum Ernst
Reuter Platz. Mit einer Dankesparade aller
Berliner Studenten an Helmut Kohl zum
Wittenbergplatz folgte die nächste Aktion.
Dabei wird unter anderem das folgende Lied gesungen.
Danke Helmut, Danke für Deine
Zukunftsträume,
Danke, für Deinen Sachverstand.
Danke, denn nur durch deine Stärke
geh 'n wir Hand in Hand.
Danke, für wen'ger Spitzensteuer,
Danke, für 'n neuen Bundestag.
Danke, daß auch von dem Gemäuer
Du uns leiten magst.
Danke, für Deinen Eurofighter,
Danke, für Deine schützend Hand.
Danke, daß Kraft Deiner Taten
blüht das ganze Land.
Danke, für pralle Rentenkassen,
Danke, auch für den Transrapid.
Danke, daß Du beim Geld verprassen lachst,
ham' wir Dich lieb!
Danke, für Deine zich Millionen,
Danke, für Deine Zuversicht.
Danke, daß Du mit Deiner Kraft
uns alle führst ins Licht.
Danke, für Deine Unterstützung,
Danke, daß Du so zu uns hälst.
Danke, für deine 40 Mille,
die Du uns zur Verfügung stellst.
Danke, für Deine großen Worte,
Danke, für Deine Edelmut.
Danke, für deine Sympathie,
dann wird wohl alles gut.
Danke, für. Deine Unterstützung,
Danke, für die Großzügigkeit.
Danke, für unsre tolle Bildung,
immer jederzeit.
Danke, für Deine edlen Sprüche,
Danke, für jeden Studienplatz.
Danke, es wird sich alles wenden
nichts ist für die Katz.
Vom Wittenbergplatz aus informierten studentische
Gruppen die Berliner Bevölkerung über die Motive des Streiks.
Um 18.00 Uhr fand im AstA das erste Treffen der Studentenschaft statt, aus der sich mehrere
Aktionsgruppen herauskristallisierten. Ich schreibe mich in der
Aktionsgruppe des Streikcafes ein, die die
Aufgabe hat, die Studenten zu informieren und
zu Diskussionen anzuregen.
Inzwischen ist es spät in der Nacht, und ich stelle fest, daß streiken mehr anstrengt als Vorlesungen.
Mittwoch, den 3. Dezember 1997 1. Streik-Tag
Für diesen Tag war am Morgen um 8.00 Uhr eine W angesetzt, auf der sich zu Beginn die Arbeitsgruppen kurz vorstellten. Natürlich war auch heute der Beuth- Saal wieder überfüllt. Auf der
Sitzung wurde folgendes beschlossen:
Es findet ein von Tag zu Tag befristeter Streik statt. Tägliche VV 's werden über die Fortführung des Streiks entscheiden.
Des weiteren kamen Aufrufe zu Aktionen unter anderem:
-
eine
Protestaktion am U- Bahnhof Leopoldplatz zu Information der Passanten
-
Ausleihaktion
in der Amerika-Gedenk-Bibliothek, wobei 80.000 Bücher ausgeliehen wurden. Die
Aktion war ein voller Erfolg.
Sogar ein Architekturprofessor brachte sich in die W ein. Er empfahl als Forderung die Abwählbarkeit von Professoren.
Die Mehrzahl der Vorlesungen fiel heute aus. Der Fachbereich(FB)4 Architektur bildete eine Ausnahme.
Professoren dieses FB belegen Studierende für alle
Protestaktionen mit deutlichen Repressalien, wobei schlechte Notengebung noch die harmloseste Version ist, und
Klagen der Professoren sogar bis zur
Exmatrikulation gehen. Spätestens jetzt wurde uns die Forderung des Professors auf der W ganz deutlich.
Um 18.00 Uhr tagte der Streikrat. Alle Arbeitsgruppen
haben sich konstituiert und ihre Arbeit aufgenommen. So
hat z.B. die Demogruppe Plakate für die
morgige Demo gemalt. Die Streikgruppe hat
die speziell Vorlesungen des FB4 mit
vielen Kommilitonen gestört. Eine Vorlesung wurde durch 50 Menschen zu einer Diskussion über den Streik umgewandelt. Leider hat sich die Gruppe während des
Tages vollständig aufgelöst.
Schon wieder ist es sehr spät geworden, und der Streik hinterläßt erste Spuren in Form von Augenringen.
Donnerstag den 4. Dezember 1997 2. Streik-Tag
Als ich um neun ins Streikcafe kam, erhielt ich die Nachricht, daß immer noch etliche Vorlesungen stattfinden. Allerdings ist das Sprengen von Vorlesungen ohne Organisation fast unmöglich.
Auf der W um zehn werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt. Es wird beschlossen den
Streik auch am Freitag fortzuführen. Außerdem wird der Forderungs-Katalog
geteilt. Es gibt jetzt einen mit TFH-internen Forderungen und einen mit
allgemeinen Hochschulforderungen.
Nach der VV sind wir zu dritt zum Brandenburger Tor
gegangen. Hier begann mittags um 13.00 Uhr eine
riesengroße Studenten-Demo. 30.000 nahmen in Berlin schon seit 10 Jahren nicht mehr an einer Studentendemo teil. Auf der Abschlußkundgebung sprach ein Gewerkschaftler, der die Solidarität der Gewerkschaften mit den streikenden Studenten bekannt gab.
Die ersten Berliner Schulen haben beschlossen, sich dem Uni-Streik anzuschließen, und ihn auf das gesamte Bildungssystem auszuweiten. Außerdem wurde bekannt gegeben, daß an den Unis von Paris, Rom und Tel Aviv Sympathiestreiks stattfinden.
Das auch ausländische Unis die Forderungen der
deutschen Studenten unterstützen, stärkt unsere Hoffnung, wenigstens einen Teil der Forderungen durchsetzten zu können. Noch immer kann kein Mensch verstehen, warum
Deutschland, ein so reiches Land das es sich den
Eurofighter 2000 (Jäger 90), den Transrapid und
andere Großprojekte leisten kann, kein Geld für die Bildung hat.
Ein Student