Mai 1997

 

 

SCHWARZE ZEITEN

 

EINE ANDERE REGIERUNG? EINE ANDERE POLITIK!

 

Das Wahlverhalten der Deutschen erinnert an einen Mann, der immer rund um sein Haus spazieren geht: Er schlurft gedanken-versunken bis zur Ecke und tritt dort voll in einen Haufen Hundescheiße. Wutentbrannt stampft er die erste Wand entlang und würde dem blöden Köter am liebsten den Hals umdrehen. Während er die zweite Wand entlang läuft, fragt er sich empört, wie dieser Hund so unverschämt sein kann, ihm vor das Haus zu scheißen. Als er die dritte Hauswand entlanggeht, blickt er nur noch resigniert auf seine widerlich stinkenden Schuhe. An der vierten Wand schlurft er schon wieder und hat sich mit seinem Schicksal abgefunden. Und immer wenn er dann zur nächsten Runde ansetzt, tritt er wieder voll in denselben Haufen Scheiße...

So gesehen befinden wir uns am Anfang der dritten Wand in der vierten Runde, denn seit nunmehr 15 Jahren findet sich in Deutschland an den entscheidenden Wahltagen eine Mehrheit für das System Kohl. Ein System, daß i n zweifacher Hinsicht gesellschaftliche Verwerfungen provoziert:

-erstens durch Beschädigung des Ansehens der Demokratie innerhalb der Bevölkerung infolge von Dauerherrschaft einer quasi-autokratischen Machtelite und

-zweitens durch Entsolidarisierung des Landes und mutwillige Verschärfung des Gegensatzes von Arm und Reich mittels inhaltlich durchgesetzter Klientelpolitik der CDU/ CSU/FDP-Koalition.

 

Einen der zentralsten Aspekte von Demokratie stellt der politische, mindestens aber personelle Wechsel dar. Denn nicht nur die Wahlmöglichkeit der Repräsentanten unterscheidet demokratische von autokratischen oder monarchischen Strukturen, sondern gerade auch die Machtbegrenzung der Stellvertreter des Volkes durch zeitliche Begrenzung des Mandats. Dies ist desto notwendiger, je mehr Macht in der Hand eines  Einzelnen liegt. Wer das von den Grünen angewandte innerparteiliche Rotationsprinzip für unpraktikable linke Spinnerei halten sollte, wird jedoch nicht leugnen können, daß auch die Verfassungen anderer demokratischer Staaten (z.B. Frankreich, USA) diesem Gedanken mit begrenzten Amtszeiten für wichtige politische Positionen Rechnung tragen, nicht ohne Grund. Sie dienen dem Schutz vor überheblichen und selbstverliebten Politikern, die inner-parteilich Widerspruch weder dulden noch befürchten müssen, sich, an ihre Machtfülle gewöhnt, für unentbehrlich halten und das Prinzip der Stellvertretung der Bevölkerung in sein Gegenteil pervertieren. Und sie bewirken eine Verhinderung von Dauer-Regierungen, die sich verbraucht und visionslos von einer Wahl zur nächsten lavieren, deren Hauptziel nicht Problemlösung sondern der eigene Machterhalt ist, welche Demokratie zum autokratischen Hofstaat verkommen lassen. Politik reduziert sich so auf Rituale eines elitären Machtzirkels, immer wiederkehrende Stereotypen, während gleichzeitig der Problemstau auf ein unerträgliches Maß wächst. Bleiern haben sich diese Strukturen über die Republik gelegt, das Vertrauen in die Politik, den Glauben an die Möglichkeit der Einflußnahme jedes Einzelnen, also in die Demokratie, unter sich begraben. Politisches Desinteresse und Unwissen, Entsolidarisierung, Ellenbogengesellschaft sind Tatsachen. Die unter 30-Jährigen haben nie etwas anderes bewußt erleben können, als dieses demokratische Zerrbild...

Schuld an diesem Zustand trägt freilich auch eine lange Zeit politisch-alternativ praktisch nicht-existente, biedere SPD, die sich auch heute noch in manchen der von ihr regierten Bundesländer kaum von der CDU unterscheidet -siehe Berlin...

Und natürlich trifft einen Hauptteil der Schuld die Wählerschaft selbst, die sich als Souverän aus rational schier unerklärlichen Motiven stets aufs Neue wider besseres Wissen zur Akklamationsmasse eines Möchtegern- Monarchen erniedrigt.

Denn zieht man die Bilanz dieser Regierung , so reiht sich ein Rekord an den nächsten: Rekordarbeitslosigkeit, Rekordzahl von Sozialhilfeempfängern, Rekordsteuerbelastung, Rekordverschuldung, Rekordzahl fehlender Lehrstellen, Rekordlohnnebenkosten.. . Dazu eine kollabierte Rentenversicherung, eine zusammengestrichene Krankenversicherung, der Abbau von Freiheitsrechten, steigende Fremdenfeindlichkeit.

Aber auch Rekordgewinne großer Unternehmen, Rekordaktienkurse, Rekordsteuerhinterziehung und Rekordzahl von Millionären...

Die Umverteilungspolitik zu Lasten der Unter- und Mittelschichten ist der rote Faden der CDU/CSU/FDP-Regierungspolitik in den letzten 15 Jahren. Auch wenn derartige Maßnahmen dem Wahlvolk mit wohlklingenden Worthülsen wahlweise als „Privatisierung", „schlanker Staat" oder zuletzt in den mannigfaltigsten Spielarten als „Reform" verkauft werden sollen, dahinter steckt nichts als der Versuch, per Salamitaktik eine neo-liberalistische Wirtschaftsordnung zu reetablieren und diese mit einer sozialen Rumpf- Versorgung zu bemänteln. Die Architekten dieser Pläne nehmen in Kauf, daß dabei anstelle des gesellschaftlichen Solidarprinzips das Recht des Stärkeren treten wird. Verlierer wären zwangsläufig Arme, Kranke, Alte, Kinder, Familien und Fremde. Zu welch grotesker CDU-Pflichtveranstaltung verkam angesichts dessen die Feier des 50. Jubiläums des sozialistisch angehauchten Ahlener- Programms, auf der die letzten, innerparteilich im Rückzug befindlichen Ikonen des CDU-Arbeitnehmerflügels vorgeschickt wurden!

Mit derart lästigem, historischen Ballast muß sich die FDP nicht herumschlagen. Sie hat angesichts ihrer 4-5igen Besserverdiener-Klientel konsequenterweise jede Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge fahren lassen und erhebt die sogenannte „Dienstleistungsgesellschaft" nach amerikanischem Vorbild zum non plus ultra: niedrige Löhne, keine soziale Sicherung, kein Kündigungsschutz, so will man Arbeitsplätze schaffen. Dieser Traum vieler Wirtschaftsbosse würde Arbeitnehmer zu Abhängigen machen, dazu gezwungen, mindestens 2 Jobs zu haben, um über die Runden zu kommen. Solche Pläne sind purer sozialer Sprengstoffeiner wirtschaftshörigen Lobby, die vollkommen ausblendet, daß nicht die Marktwirtschaft, sondern das Sozialstaatsprinzip in unserer Verfassung verankert ist. Was aber bringt die Leute dazu, diesen Totengräbern des Sozialstaats ihre Stimme zu geben?

Die „Leistungen" der Regierung können wohl kaum das Geheimnis der Wahlerfolge sein. Dann vielleicht die Person Kohl selbst? Eines muß man ihm zugestehen: er hat zugegriffen, als sich die Chance der Wiedervereinigung dank des Engagements der DDR-Demokratiebewegung sowie der Politik Gorbatschows eröffnete, herbeigeführt hat er sie nicht. Doch was hat er mit diesem politischen Kredit gemacht, der ihn trotz seiner Instinktlosigkeit, seines zweifelhaften Demokratieverständnisses und seiner Überheblichkeit, trotz Staatsbesuches auf SS-Friedhöfen, trotz des Vergleichs von Gorbatschow mit Goebbels und trotz seiner Katzbuckelei vor Unrechtsregimes wie Südafrika, Chile, Iran oder China zu einem großen Kanzler hätte machen können? Nichts als Steuerlüge, blühende Landschaften, Freizeitpark Deutschland...

Anstatt dem Land in einer Rede zur Lage der Nation Strategien aufzuzeigen, wie die katastrophale Zahl von im Januar 4,7 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen zu verringern ist, gab der Kanzler jüngst nur seiner Hauszeitung, dem „Rheinkurier", ein Interview. Nein, er habe nie versprochen, die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2000 zu halbieren. Ja, er hoffe auf eine Trendwende Mitte des Jahres. Jedenfalls sei dies die „schwärzeste Zahl seiner Amtszeit".

Es wird höchste Zeit für rot-grüne Zahlen...

 

Robbi