September 1994
Die (un)endliche Geschichte der
Jugendpolitik
Lang, lang ist's her, da beschlossen die Berliner Jusos, ein
Jugendpolitisches Sofort-Programm zu erarbeiten, um ihre Forderungen für eine
jugendgerechte Politik zu verdeutlichen. So wollen wir bessere Freizeiteinrichtungen,
genügend Ausbildungsplätze per Ausbildungsquote unter Geldbußenandrohung
("Wer nicht ausbildet, muß zahlen!"), die Freigabe von Haschisch, die
Einführung der Gesamtschule als Regelschule, Errichtung von Druckräumen, Förderung von Mädchen durch spezielle Kurse, kostenlose Freigabe aller Verhütungsmittel, Schülerbafög, kein Numerus
clausus, ausreichend Studienplätze statt Abbau, Verbesserungen im Jugendstrafvollzug,.... Dieses Programm sollte dann als Antrag auf dem nächstem Parteitag der SPD eingereicht werden, um (für den Fall der Fälle) umgesetzt zu werden.
Und es kam der Landesparteitag und ein zweiter
und.... Nach gut zwei Jahren ständiger Nichtbefassung und Verschiebung des Antrages auf den jeweils nächsten Landesparteitag sollte es
am 16.April 1994 endlich so weit sein. Wir Jusos
waren gut vorbereitet; hatten ausgehandelt, daß jeder "Jugendliche"
unter 35 volles Rederecht bekam (normalerweise muß sich jeder, der kein Delegierter
ist, jegliche Meinungsäußerung verkneifen), auch konnten tatsächlich ein paar
Dutzend Jugendliche mobilisiert werden. Kondome wurden eingekauft (um unsere Forderungen
zu verdeutlichen, haben wir die dann später verteilt), ein
Kuschelraum wurde eingerichtet. Mit einheitlichen T-Shirts für unsere Sache ("Zähne
zeigen") ausgestattet, warteten wir nun darauf, daß die Personalia der SPD (Landesliste für die Bundestagsabgeordneten) endlich
abgelehnt wurden. Doch wie immer waren diese
Personalia wichtiger als Inhalte und wir wurden erneut verschoben.
Unser Sitzstreik und anderer offen zum Ausdruck gebrachter Ärger hat uns
aber immerhin eingebracht, daß wir beim nächsten(Sonder-)Landesparteitag am 3./4.6.1994
nicht nur erster Tagesordnungspunkt sein sollten, sondern auch
unser eigenes Programm durchziehen durften. Um es
kurz zumachen: unser Antrag wurde
tatsächlich behandelt und einige Punkte auch
durchgebracht.
Merkwürdig am Verfahren war aber, daß eine Antragskommission
unseren Antrag abgeändert (und dann empfohlen)hat und wir, die Berliner Jusos (die das Programm ja mal erarbeitet hatten), Änderungsanträge stellen mußten. So zog
sich die Antrags-Kommission eine völlig andere Version zum Thema Drogen (vom "Berufspolitiker" Thomas Krüger)
unseren vor und ließ es zunächst mal unter den Tischfallen. Zu diesem Zeitpunkt wollten dann einige von uns den Antrag zurückziehen, um unseren Protest zu verdeutlichen. Eine knappe Mehrheit setzte aber durch, daß wir weiter "kämpften".
Am Ende hatten wir u.a. durchgebracht, daß bei
Nichtausbildung gezahlt werden muß, daß Kuschelräume in Schulen
und Freizeitstätten eingerichtet und kostenlose Verhütungsmittel verteilt werden sollen.
Unsere Forderungen nach Einführung der Gesamtschule
als Regelschule, die Legalisierung der besetzten Häuser und von Haschisch und
Marihuana dagegen sind weggefallen.
Über den Erfolg dieser Aktion kann man geteilter
Meinung sein (und das sind die Jusos auch), nicht aber
darüber, daß die Jusos weiterhin hinter
ihren Forderungen des Jugendpolitischen
Programms stehen (und zwar hinter allen) -
davon wird uns eine Nichtübernahme durch die
SPD nicht hindern!
Wer mehr über das Jugendpolitische Programm erfahren will, kann bei den
Jusos Pankow BeiteStraße8, 13187Berlin(Tel.48 24 013 oder im Landesbüro der Berliner Juso,Müllerstr.l63,13553 Berlin (Tel.46 92
133/132)nachfragen.
Bianca