September 1994

Bundeswehr: eine Armee wie jede andere?

 

Nach den jüngsten Beschlüssen des Verfassungsgerichts und den daraus resultierenden Plänen der Bundesregierung sind nicht wenige der Meinung, die Bundeswehr würde sich nicht mehr von anderen Armeen unterscheiden, einzelne Militärs freuen sich gar über die Rückkehr zur Normalität(!).

Davon kann und darf allerdings nicht die Rede sein, wenn es um eine deutsche Armee geht. deren Wurzeln geschichtlich einmalig sind und die die Bundeswehr bisher davor bewahrt haben, wie eine "normale" Armee behandelt zu werden. Bis ins Jahr 1989 war die Bundeswehr eine rein zur Verteidigung vorgesehene Streitmacht und der Einsatz deutscher Soldaten in Krisen und Bürgerkrieges irgendwo in der Welt war glücklicherweise unvorstellbar (einmal abgesehen von der Beteiligung deutscher Soldaten der NVA bei der Niederschlagung des Prager Frühlings). Ein eventueller Krieg zwischen den NATO-Ländern und denen des Warschauer Paktes hätte das Ende der Menschheit zur Folge gehabt, und war daher ebenso undenkbar. So war für deutsche Soldaten in Bundeswehr und NVA die Gefahr, in kriegerische Auseinandersetzungen zu geraten, faktisch nicht vorhanden.

Dies hat sich nun Schritt für Schritt geändert und junge Männer, die heutzutage zur Bundeswehr gehen, müssen ernsthaft damit rechnen, irgendwo in der Welt ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Denn mit den sogenannten Krisenreaktionskräften will Verteidigungsminister Ruhe Einheiten für Auslandseinsätze jeglicher Art schaffen, d.h. für Einsätze a la Somalia, Jugoslawien, Ruanda aber auch a la Golfkrieg in der Planung sollen allerdings Wehrpflichtige gefragt werden, ob sie zu solchen Einsätzen bereit sind. Mir ist aber ein Fall bekannt, daß ein Soldat aus Niedersachsen zur Teilnahme in Somalia gezwungen wurde.

Mit diesen Krisenreaktionskräften, die mit neuester Kriegstechnik auf Guerillaeinsätze und Bürgerkriegssituationen vorbereitet werden sollen (was vorher zumindest in der Bundeswehr nicht trainiert wurde), möchte die Bundeswehr eine normale Armee werden. Aber was heißt denn das überhaupt? Sollen also künftig deutsche Soldaten die Interessen ihrer Regierung in aller Welt vertreten, wie das die Armeen anderer Länder tun. Beispielsweise die USA und Frankreich scheuen sich nicht ihre Armeen zur Sicherung ihrer ökonomischen Interessen und aus reiner Machtpolitik einzusetzen. Viele Beispiele belegen dies (Golfkrieg, Panama, Grenada, Tschad, Ruanda usw.).

Oder will die Bundesregierung mit Hilfe der Bundeswehr nun endlich in den Kreis der Länder aufsteigen, die die Weltpolitik bestimmen?  Deutsche  Soldaten  im Auslandseinsatz als Voraussetzung für einen Sitz im Weltsicherheitsrat? Wir dürfen nicht zulassen, daß junge Menschen zum Spielball der Großmachtspolitik der Regierung gemacht werden. Auf zweierlei Art können wir etwas dagegen tun; im politischen Bereich müssen wir der zukünftigen Regierung klarmachen, daß nicht deutsche Soldaten zur Lösung der Probleme in die Welt entsandt werden, sondern daß wir Deutschen uns stark machen für friedliche Konfliktlösungen und eine demokratische Reform der UNO. Andererseits kann jeder einzelne seinen Teil dazu beitragen, in dem er den Dienst mit der Waffe verweigert und so den Regierenden klar macht, daß er für militärische Interessen nicht verfügbar ist.

Wir Pankower Jusos bieten daher weiterhin unsere bewährte Kriegsdienstverweigerungsberatung an, jeden ersten und dritten Montag im Monat im SPD-Büro (Breite Straße 8, ab 1.1 1994 in der Mühlenstr.83)'an. So können wir unseren persönlichen Beitrag dazu leisten, daß die eingangs gestellte Frage mit ja beantwortet werden kann. Wir Deutschen haben schon aus unserer Geschichte die Pflicht, unseren Einfluß in der Welt zu friedlichen Lösungen zu nutzen, und dafür zu arbeiten, den Traum einer entmilitarisierten Welt zumindest näher zukommen.

 

Michael