September 1994

Berliner Anti-Nazi-Bündnis
auseinandergebrochen


Das von uns Jusos mitinitiierte Berliner Anti-Nazi-Bündiüs hat seine Arbeit beendet. Grund war nicht das fehlende Interesse an Antifa-Arbeit, sondern interne Auseinandersetzungen politischer Natur. Furioser Auftakt des Bündnisses war eine Demo am 25.08., dem Jahrestag der Solinger Morde.

Unser Hauptziel war die Konfrontation mit Nazis, wo immer sie auftauchen wurden. Soblockierten wir Info-Stände der Reps, verhinderten Wahlwerbung und betrieben Aulklärung über den faschistischen Charakter der Republikaner.
Großen Wert legten wir auf die Solidarisierung mit der übrigen Bevölkerung. Unsere "Braune Punkt"-Aktion (Rep-Material in Mülltüten) half dabei wesentlich. Oft sahen wir uns dabei auch mit staatlichen Organen konfrontiert. Momentan laufen zwei Ermittlungsverfahren gegen Antifaschisten, darunter ein Jusos, wegen "Beleidigung ei-
nes Reps" und angeblichen "Widerstand gegen Vollzugsbeamte".
Unsere Arbeitsweise wurde mit dem Nicht-Einzug der Reps ins Europaparlament bestätigt. Es gab meines Erachtens keinen Grund das Bündnis aufzulösen. Im Gegenteil, eine in Ansätzen stärker werdende Minderheit der Berliner Bevölkerung identifizierte sich mit unserer Antifa-Arbeit.
Auf einer Sitzung Ende Juli kam es dann zum Eklat. Es wurden eine Reihe von (teilweise berechtigten) Vorwürfen, unter anderem gegen uns JUSOS, erhoben, die leicht zu klären gewesen wären. Fehlender Wille zu einer Lösung und auch das politische Ziel der Zerschlagung gaben den Ausschlag für die Auflösung." Die treibende Kraft bei dieser Auseinandersetzung war die autonome Antifa der Humboldt-Uni (HU). In einem zeitgleich erschienenem Artikel in der autonomen Presse wurden wir als "hirnlose Idioten" usw. bezeichnet. Es waren jedoch nicht die unbedeutenden Fehler, u.a. hatten wir JUSOS das Bündnis als von uns dominiert bezeichnet, die das Anti-Nazi-Bündnis sprengten. Hintergrund war eine handfeste politische Auseinandersetzung.

Anfang Juli sollte die Haiderfreund Brunner vom "Bund freier Bürger" auf einem pol. Forum in der HU sprechen. Die HU-Antifa wollte mit Brunner diskutieren und ihn so entlarven. Hauptargument war, daß das intellektuelle Flair einer Uni eine solche Vorgehensweise erlaube. Wir waren anderer Meinung! In Hamburg wanderten einige Genossen nach einer Demo gegen eine Brunner/Haider Veranstaltung in U-Haft und bekamen ein Ermittlungsverfahren.
In Berlin sollte er keine Chance bekommen, als Demokrat neben SPD-und anderen Politiker aufzutreten. Unsere Vorstellungen von Antifa-Politik waren denen der Humboldt-Antifa, die alle erklärte Nicht-Mitglieder unseres Bündnisses waren, entgegengesetzt. Unsere Vorgehensweise schloß ihre von vornherein aus. Die Veranstaltung wurde jedoch abgesagt, so daß man lediglich über die Richtigkeit unserer Politik spekulieren konnte.
Leider ließen sich viele vom Verhalten der Autonomen anstecken. Die Sitzung endete mit der faktischen Auflösung des Bündnisses.
Den Versuch eines Neu-Beginnens soll die Vorbereitung zur bundesweiten Demo am 10.08. bringen. Ich denke, daß ein Anti-Nazi-Bündnis auch weiterhin eine fruchtbare Organisierung bedeutet. Das gilt speziell für die Zeit nach der Bundestagswahl, wo sich für Antifaschisten auf jeden Fall neue inhaltliche Aufgaben stellen werden.