April 1994

Frieden für Bosnien?


Handelt es sich hier nur um eine Vision oder um eine realistische Möglichkeit? Sicherlich wird irgendwann auch die Feindschaft zwischen Moslems, Kroa- ten und Serben ihre Brisanz verlieren, eine Art Wende scheint wohl das NATO-Ultimatum gewesen zu sein. Wobei der vorübergehende Rückzug der serbischen Truppen aus dem Raum Sarajevo und die damit einhergehende Verlegung der Soldaten auf andere Krisengebiete (Bihac und Maglaj zum Beispiel) eher auf das energische Drängen des "historischen" Freundes der Serben, also der Russen, zu-stande gekommen ist.


Eigennützige Staatsinteressen

Diese Momentaufnahme aus der nun über zwei Jahre dauernden Auseinandersetzung zeigt wieder einmal das in diesem Konflikt keinesfalls die Suche nach Frieden eine Rolle spielt, sondern die möglichst beste Umsetzung eigener Interessen. Die Länder der Europäischen Union haben im Vorfeld dieses Konfliktes wahrlich keine Gelegenheit ausgelassen, ihre Uneinigkeit zu zeigen. Erreicht wurde dadurch nichts, die einzelnen Kriegsparteien konnten im Gegenteil durch geschicktes Gegeneinanderausspielen eigene Position durchdrücken (ganz am Anfang in der Frage der Anerkennung zum Beispiel). Von herausragender Bedeutung ist wohl auch die Tatsache gewesen, daß zu Beginn des Krieges, anders als in Kuwait, "nur" Menschen bedroht waren, und nicht die ökonomischen Interessen der Industrieländer. Erst als der Krieg länger dauerte, und damit die Kosten für UN-Schutztruppen und Hilfstransporte größere Dimensionen annahmen, wuchs das Interesse am "Frieden" auf dem Balkan. Aber auch die Ereignisse in Rußland und das Eintreten islamischer Länder wie Pakistan und der Türkei (von diesen genutzt als her-vorragende Ablenkungsmanöver von eige-nen Problemen) für die bosnischen Moslems gab dem Konflikt größere Bedeutung.


Die Rolle der NATO und die Konßiktlösung

Für die NATO eine gute Gelegenheit, ihre Sinnkrise zu überdecken, statt atlantisches Verteidigungsbündnis (und damit Machtverlust nach der Wende) nun Eingreiftruppe bei allen möglichen Konflik-ten, die in irgendeiner Weise die Sicherheit und vor allem die Interessen der Mitgliedsstaaten bedroht. Sicherheit läßt sich aber nur gemeinsam schaffen, wie das Willy Brandt mit seiner Ostpolitik vorgemacht hat. In Bosnien müssen die Konfliktparteien durch ernstgemeinte Sanktionen und andere riedliche Instrumente zu einer Verhandlungslösung gebracht werden. Wir brauchen eine "Logik des Friedens", das dafür sinnvollerweise passende Instrument, die KSZE, muß also gestärkt werden. Statt Ausdehnung der Nato muß diese abgeschafft werden, weil die neue Situation in Europa mit den alten Feindbildern oder deren Stellvertreter nicht erfasst wird. Wir brauchen ein Sicherheitssystem, das den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen der Staaten gerecht wird und Vertrauen aufbaut. Aber der wichtigste Schritt in Richtung Frieden, nicht nur in Bosnien, ist die vollkommene Entmilitarisierung der Politik. Solange alle Welt den Eindruck hat, mit Gewalt lassen sich politische Probleme "lösen", werden die Menschen nicht in Frieden leben kön nen.


Unser Beitrag für eine friedliche Welt

Wir in der sogenannten ersten Welt müssen damit anfangen, unsere Gesellschaften zu entmilitarisieren: Konversion der Rüstungsindustrie, Verkleinerung und Abschaffung der Nationalarmeen, Abschaffung der Wehrpflicht und Abschiebeschutz für Fahnenflüchtige. Denn gerade aus Deutschland sollen Fahnenflüchtige in das ehemalige Jugoslawien abgeschoben werden, was für die meisten Folter und Tod, aber auf jeden Fall Kriegsdienst bedeutet.

Wir alle können unseren Beitrag leisten: setzt Euch für aktive Friedenspolitik ein und verweigert den Kriegsdienst! Wir Jusos helfen Euch jeden ersten und dritten Montagim Monat mit unserer KDV-Beratung im SPD-Büro, Breite Straße 8.

Michael