Mai 1994

Autotunnel und Innenstadtring im Prenzlberg abgewendet?

Verkehrspolitische Serie - Teil 3

Die SPD Prenzlauer Berg hat auf ihrer Vollversammlung am 18 .Februar 1994 die Pläne des Verkehrssenators zur Schließung des Inneren und Mittleren Ringes abgelehnt. Die geplante Trassenführung des Mittleren Ringes quer durch den Grünzug zwischen dem Volkspark Prenzlauer Berg und dem jüdischen Friedhof soll insbesondere wegen der Beeinträchtigung des Volksparks nicht hingenommen werden. So steht es im neuen Verkehrskonzept der SPD Prenzlauer Berg. Auf einen Antrag der Jusos hin sprach sich die Mehrheit der SPD gegen die Untertunnelung der Schönhauser Allee an der Kreuzung Dimitrofistraße aus. Ein Tunnel wie in der Hans-Beimler-Straße (Mitte) zerstört das Stadtbild. Soviel zum Stand im Bezirk, aber geht es wirklich nur um das Stadtbild? Berlin ist bekannterweise die Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte Europas (l 0.800 E/qm in der inneren Stadt, London 7.725 E/qm). Das heißt, wir müssen auch die größten Anstrengungen bei der (Individual)Verkehrsvemeidung machen. Der Platz im engbesiedelten Prenzlauer Berg reicht nicht dafür aus, daß ein jeder Haushalt ein Auto, geschweige denn einen Zweitwagen halten kann. (An dieser Stelle ein Dank an die Deutsche Bank, die in Berlin und auch in den Schaufenstern ihrer Prenzlauer Berger Filialen mit dem verlockenden Spruch "Wenn es bald ein zweites Auto sein soll..." für ihre günstigen Kredite warb. Das war ja wohl jenseits von gut und böse.)

Was ist soziale Verkehrspolitik?

Das Autofahren wird immer teurer werden. Die Mineralölsteuer wird in der Zukunft sinnvollerweise weiter ansteigen - egal ob CDU, SPD oder ein sprunghafter Anstieg im Rahmen der EG. Diese Notwendigkeit hat nun jeder begriffen und die Umsetzung bleibt eine Frage der Zeit. Das road pricing, also eine elektronische Abrechnung pro gefahrenem Kilometer durch in das Auto eingebaute Sender und Empfinger am Straßenrand oder aber erstmal eine Vignette für die Autobahnbenutzung wie in der Schweiz sind im Gespräch. BundesumweltministerTöpfer hat eine Steuer für Autos mit höherem Benzinverbrauch gefordert, wie sie seit Jahren in den USA schon erhoben wird ("gas- guzzler tax"). Berlin wird durch eine Parkraumbewirtschaftung im Innenstadtbereich über Parkgebühren die Kosten des Autofahrens erhöhen. Die Folge ist, das Autofahren immer mehr zu einem Privileg der Besserverdienenden wird. Soziale Verkehrspolitik kann nun aber nicht heißen: "Weil es sonst ungerecht wird, muß das Autofahren billig bleiben." Das wäre aus ökologischer Sicht nicht zu verkraften. Es gibt Lösungsansätze, die wirtschaflich und sozial und ökologisch sind. Für Berlin sind das: l .Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mußdasTaxigewerbe integriert werden. Gerade nachts und auf wenig frequentierten Strecken ist es überhaupt nicht einsehbar, warum Doppeldecker verkehren sollten. In Kopenhagen z.B. können Kleinbus-Sammeltaxis angerufen werden, die einen für etwa fünf Mark überall hinbringen. Auch in Belin hat das Auto, bzw. der Kleinbus Vorteile, die in der Kombination mit Bus und Bahn genutzt werden müssen. 2. Die Mitnahme von Fahrrädern im öffentlichen Nahverkehr muß generell erlaubt sein. 3.das Fahrradwegenetz muß ausgebaut werden. 4. Car-sharing-Projekte müssen staatlich gefördert werden. Das wäre eine soziale Verkehrspolitik, weil so Mobilität für Menschen mit weniger Geld auch in Zukunft gewährleistet werden könnte, Zum Nulltarif soll , der öffentliche Nahverkehr jedoch nicht zu haben sein, denn Mobilität ist immer mit Flächen-, Rohstoff- und Energieverbrauch verbunden, den unsere Umwelt nicht gren- zenlos verkraftet. Die Verkehrspolitik in Berlin ist unsozial und unökologisch, weil sich die Senatsverkehrsverwaltung weiterhin für teure Tunnelprojekte und den Autobahnausbau stark macht. So fehlt das Geld für eine Verkehrsstruktur, die auch Menschen ohne Auto - egal ob aus ökologischen oder finanziellen Gründen - Mobilität ermöglicht.

Car-Sharing am Prenzlauer Berg

In car sharing-Projekten teilen sich etwa 10 Leute ein Auto. Sie verzichten auf die Bequemlichkeit, immer ein Auto vor der Haustür stehen zu haben und nehmen dafür den Aufwand der Organisation in Kauf dafür, daß ein Auto da ist wenn es gebraucht wird. Carsharing verfolgt damit drei Ziele: l.Der Autobestand und -verkehr soll verringert werden (ökologisches Ziel). 2. Anschaffungs- und Organisationskosten werden durch Nutzungsgebühren gedeckt (Wirtschaftliches Ziel) 3 .Die Kosten teilen sich unter den Mitgliedern auf, so daß sie unter denen eines eigenen Autos liegen. Außerdem stehen auch Kleinbusse zur Verfügung, also etwas, was die, die nicht organisiert sind, nicht unbedingt haben (Soziales Ziel). In dem von den Jusos initierten Verkehrsprogramm der SPD Prenzlauer Berg wird die Unterstützung von car sharing gefordert. Seit einigen Jahren gibt es in Berlin die Car-sharing GmbH Stattauto (Tel.: 6113 527). In Prenzlauer Berg hat Stattauto eine Station mit 6 Wagen am Senefelder Platz. Außerdem gibt es in Friedrichshain und in der Bernauer Straße zwei weitere Stationen. Vor einem Jahr hat sich die car sharing-Organisation Mobilkonzept in der Schönhauser Allee 64 niedergelassen (Tel.: 4459704). Dort stehen 14 Wagen und bis jetzt zählt die Organisation 127 Mitglieder. Ein weiteres Beispiel für die unsoziale Verkehrspolitik: Paradoxerweise hat die Senatsverkehrsverwaltung den Antrag auf Stellplätze, die für car sharing reserviert werden sollten, abgewürgt. Dabei schafft eine Ausweitung dieses Konzeptes doch Straßenraum...

Demnächst: Warum wir nicht auf den Kat reinfallen dürfen? Was Autos mit dem Nord- Süd-Konflikt zu tun haben?

Niko