Januar 2002

 

 

 

„Waren unsere Großväter Verbrecher?“

 

Dies ist eine Frage, die Anfang Dezember diesen Jahres vielen Leuten durch den Kopf ging.

Auslöser des Ganzen ist die neue Wehrmachtsaustellung in der Berliner Galerie Kunst-Werke in der Auguststraße in Mitte. Die Ausstellung zeigt weniger Bilder, sondern beschränkt sich mehr auf Texte und Briefe, die immer wieder eines unterstreichen:

Die Wehrmacht hat als Armee des Dritten Reiches an den Verbrechen des Nazi-Regimes massiv mitgewirkt!

Dagegen wollte nun am 1.Dezember diesen Jahres die rechtsextreme NPD demonstrieren.

Ihr Argument gegen die Ausstellung, so ihr Bundesvorsitzender Udo Voigt in einer Presseerklärung, sei die zu einseitige Berichterstattung in der Ausstellung, schließlich seien im Stalinismus auch viele Verbrechen unter der Roten Armee begangen worden. Desweiteren sei die Wehrmachtsaustellung eine Verleumdung der „Heldentaten“ unserer Großväter sondersgleichen und gehöre geschlossen!

Am 1.Dezember 2001 sammelten sich daher ein Riesenmop von braunen Geistesgestörten am S-Bahnhof Friedrichsstraße, um gerade gegen diese sogenannte „Verleumdung“ zu demonstrieren.

Anläßlich der geplanten Route der NPD durchs Scheunenviertel, die Gott sei Dank dann letzten Endes doch dann umgeleitet wurde, und dem jüdischen Feiertag Sabbath erregte dieser Groß-Aufmarsch von Hunderten von Neonazis großes Aufsehen, nicht nur unter der Berliner Bevölkerung, sondern auch im Ausland. Die Rabbiner der Synagoge in der Oranienburger Straße kündigten schon im Vorfeld Protestaktionen gegen diesen Fascho-Aufmarsch an, indem sie sich gegebenfalls auf die Straße setzen würden, um den Nazis den Weg versperren zu wollen. Sie hatten die Absicht, sich notfalls von der Polizei wegtragen zu lassen, um damit in der ausländischen Presse den Eindruck zu erwecken, daß deutsche Polizisten Juden von der Straße wegtrügen, um Nazis passieren zu lassen!

Unterstützung erhielten die Rabbiner von einer Gegendemonstration der Antifaschistischen Aktion Berlin, die zu einer Demonstration unter dem Motto „Etwas Besseres als die Nation!“ gegen 10.30 Uhr am S-Bahnhof Hackeschen Markt aufrief.

Zeitgleich folgten viele Berliner dem Aufruf der Berliner Politiker, demonstrativ die Wehrmachtsaustellung in der Auguststraße zu besuchen.

An der Kreuzung Oranienburger Straße Ecke Tucholskystraße eskalierte dann die Situation, als die Antifa von der Polizei am Weitergehen gehindert wurde, da am Ende der Oranienburger Straße Ecke Friedrichstraße die NPD mit ihren 3000 Anhängern aus dem Tal der Ahnungslosen, angeführt von Udo Voigt und Horst Mahler, marschierte. Als einige Antifas durchzubrechen versuchten, eskalierte die Situation und nahm Züge der Ausschreittungen wie am 1.Mai in Kreuzberg an, da Wasserwerfer, Knüppel und Tränengas zum Einsatz kamen. Solidarisch setzte man sich vor der Synagoge mit den Rabbinern auf die Straße und wurde im Gegensatz zu den Rabbinern weggetragen! Die Polizei griff so massiv und brutal ein, daß erst Gregor Gysi von einem Polizeiwagen aus die Massen beruhigen konnte und zum demonstrativen Besuch der Wehrmachtsausstellung aufrief. Die NPD hielt ihre Abschlußkundgebung am S-Bahnhof Nordbahnhof ab und wurde mit Sonderzügen(!) der S-Bahn ins Umland gebracht, während sich auf der Straße die Lage trotz aufgestellter Barrikaden und einigen zerstörten Polizeifunkwagen beruhigte.

Ein trauriger 1.Dezember für diese Stadt, zumal die Wehrmachtsaustellung grad eben nicht die Unwahrheit erzählt, sondern zur vehementen Aufklärung der Verbrechen des „Zwölfjährigen Hitler-Reichs“ und seiner Armee beiträgt.

Zu beachten ist in diesem Kontext nicht nur, daß unser Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit mit Peter Strieder als Zeichensetzung die Wehrmachtsaustellung besuchte, sondern sogar die PDS Berlin ihren Landesparteitag in Schöneberg unterbrach und in geschlossener Runde (Stefan Liebich, Petra Pau, Harald Wolf und Gabi Zimmer) in der Ausstellung erschien!

Fazit: ein breites Bündnis von Gesellschaft und Politik setzte ein Zeichen gegen die NPD und wird es hoffentlich immer tun, wenn die NPD nochmals marschiert!

 

Patrice