Januar 2002

 

Filz und Korruption in Berlin einst und jetzt

Autor Matthew Rose im „Roten Laden“ der PDS Reinickendorf

 

Am 9. Oktober 2001 war Matthew Rose, der amerikanische Autor des Buches „Berlin – Hauptstadt von Filz und Korruption“ zu Gast im „Roten Laden“ der PDS Reinickendorf. Er begann seinen interessanten Vortrag mit einem Film, in welchem die früheren Ereignisse der Berliner Filzlandschaft, die ihren Schatten bis in die Gegenwart werfen, illustriert wurden.

In seinem Vortrag ging Matthew Rose besonders auf die Rolle von Klaus Rüdiger Landowsky im Berliner Baukorruptionssumpf ein, der sich schon bei der „Anthes“-Affäre 1984 zum erstenmal der Öffentlichkeit offenbarte. „Wolfgang Anthes war bis 1985 Baustadtrat und Vorsitzender der CDU im Bezirk Charlottenburg. In seinem Amt als Baustadtrat bot er Investoren und Bauunternehmern kleine Gefälligkeiten an – gegen Bares, versteht sich (Verschiebung eines Grundstückes oder Baugenehmigungen). Bereits 1984 wurde ein Disziplinarverfahren gegen Anthes eingeleitet, weil er 2000 Senatswohnungen zum Sonderpreis von je 4.000 DM verkaufen wollte“, also so gut wie geschenkt (alle Zitate aus dem Buch „Berlin – Hauptstadt von Filz und Korruption“). Erstaunlich, aber auch symptomatisch: Dieses Sonderangebot stand im Zusammenhang mit einer Parteispende von einer Million Mark, wie der damalige CDU-Bezirksbürgermeister von Charlottenburg, Lindemann, zugeben musste.

Dieser erteilte seinem Parteifreund Anthes lediglich einen Verweis, womit das Disziplinarverfahren gegen ihn verhindert wurde. „Das es überhaupt zu diesem Verweis kam, war keine Selbstverständlichkeit ... Bezirksbürgermeister Lindemann wurde unter Druck gesetzt, das Verfahren einzustellen. Dahinter sollen der damalige Senator Kewenig, Finkelnburg und Klaus Rüdiger Landowsky gestanden haben, erzählte der Rechtsamtsleiter Lothar Gosten vor dem Untersuchungsausschuss.“

Der selbe Finkelnburg ist heute Präsident des Berliner Verfassungsgerichtes. Hier können wir sehen, wie sich die verfilzten Kreise der Berliner Politik von der Bezirksebene bis in die höchsten Kreise der Berliner CDU- Politik schließen, ein Sachverhalt, den wir bis in die heutige Situation hinein verfolgen können. In diesem Zusammenhang wies auch der Film auf die berühmt- berüchtigten Taschenkalender des Berliner Bauunternehmers Franke hin. Hier fanden sich Eintragungen von Kürzeln wie „12/ 82  25 Diep“, „2/ 83  10 Riebi“ oder „Kitt“. Im Klartext heißt das unter anderem: 1982 hatte Diepgen von Franke 25.000 DM erhalten und 1983 hatte Riebschläger (SPD) 10.000 DM erhalten. Insgesamt hatte Diepgen 75.000 DM, Riebschläger 130.000 DM erhalten und der Diepgen- Intimus Peter Kittelmann 145.000 DM. Damit hat Franke die Berliner CDU mit 500.000 DM gesponsert, und dass ohne Spendenquittungen, denn mit Wissen des damaligen Tiergartener Finanzstadtrates und CDU-Kreisschatzmeisters Michael Urban wurde diese Bargeldkasse als Schwarze Kasse bezeichnet und selbstverständlich ohne Kassenbuch geführt. Hier wird deutlich, dass nicht ohne Grund Kurt Franke in seinen Tiergartener Baugeschäften erfolgreich war, so dass der Bezirk den Spitznamen „Franke- Garten“ erhielt. Eine ähnliche Rolle spielten auch die Immobilien-Unternehmer Grothe & Graalfs, die über ihre guten Beziehungen zur Tiergartener CDU- BVV- Fraktion das Klingelhöfer-Dreieck in Tiergarten weit unter dem Immobilien-Verkehrsweg erhielten.

Die Wurzeln zu den heutigen, die Berliner Finanzsituation äußerst belastenden Ereignissen, reichen also weit zurück. So ist es also auch kein Wunder, dass der damalige CDU- Abgeordnete Klaus Hermann Wienhold, der 1995 wegen angeblicher Weitergabe von Parteiinterna an die Presse mit einem Parteiausschlussverfahren bedacht wurde, erneut in die Schlagzeilen gerückt ist. Er war es, der mit dem früheren CDU- Bundestagsabgeordneten Christian Neuling die bewusste AUBIS- Gruppe gegründet hatte, für deren Plattenbauvorhaben sich nach einer Parteispende kein Anderer als Landowsky mit einer Kreditbewilligung der Risikogruppe 3, also der höchsten Risikogruppe, gefällig zeigte.

Nach Betrachtung dieser nur wenigen, aber doch so folgenschweren Beispiele der Berliner Filz- und Korruptionslandschaft stellte sich der Runde natürlich die Frage, inwiefern Politik überhaupt in der Lage ist, sanierend einzugreifen. Auch wenn die anschließende Diskussion nicht zu einem einheitlichen Ergebnis kam, bleibt zu hoffen, dass eine fortschrittliche und demokratische Politik zumindest in der Lage sein kann, einen solchen Sumpf, wenn nicht schon trockenzulegen, so doch transparent werden zu lassen, damit entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Es ist zu hoffen, dass sich im „Roten Laden“ auch in Zukunft interessante Veranstaltungen dieser Art wiederholen.

 

Margarethe