August 2002

 

während des Jugoslawienkrieges (1999) entstandenes Plakat

Titelbild der Rotdornausgabe 33 (2002)

 

 

Die Qual der Wahl

 

Nun ist es wieder soweit. Wir haben die Wahl. Zeit mit der alten Regierung abzurechnen: Mit großen Hoffnungen (auch von unserer Seite aus) war sie 1998 gestartet. Nach 16 Jahren Kohlregierung sollte ein sozialer und ökologischer Neubeginn gelingen. „Deine Stimme für soziale Gerechtigkeit“ hatte der DGB plakatiert und sich damit ziemlich unverhohlen für die Wahl der SPD ausgesprochen. Die Sozialpolitik der rot-grünen Regierung stand jedoch schnell in der Kontinuität der Kohlschen Regierung (siehe auch „Umverteilung von unten nach oben“ von Oskar Lafontaine auf Seite 8). Die Steuerreform entlastete vor allem und zuallererst die Unternehmen und Reichen. Die Körperschaftsteuer wurde abgeschafft und die Vermögenssteuer nicht (wie versprochen) wieder eingeführt. Kein Wunder das Geld im Staatssäckel fehlt, wenn man es sich nicht dort holt, wo es zu finden ist. Erschrocken wird dann von leeren Kassen geredet und von Sparzwängen.

 

Dabei ist die Bundesregierung, im Gegensatz zur Landesregierung, durch mögliche neue Steuergesetze in der Lage sich Geld bei Denjenigen, die etwas erübrigen können, zu holen. Eben um dann Geld für Bildung, Arbeit, Kinder, Umwelt, Entwicklungshilfe usw. zu haben. Aber man holte sich dort kein Geld, sondern verteilte stattdessen Geschenke. Die gesetzliche Unterbindung der Steuerflucht durch Reiche, 1998 noch großes Wahlkampfthema der SPD, blieb aus. Die Senkung der Arbeitslosigkeit durch eine gesetzliche Herabsetzung der Arbeitszeit blieb aus. Das Bündnis für Arbeit blieb ein Flop, weil die Regierung nie bereit war auch gegen die großen Wirtschaftsunternehmen Entscheidungen zu fällen. So wurde Gerhard Schröder schnell zum Liebling der Unternehmer und nicht des kleinen Mannes, von dem man die Stimme bekommen hatte. Von einer sozialpolitischen Trendwende durch die neue Regierung konnte also nicht die Rede sein. Diese war auch spätestens nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines, als der Genosse der Bosse Gerhard Schröder allein regieren konnte, nicht mehr zu erwarten.

 

Sicherlich, man soll nicht nur mäkeln, sondern auch die positiven Dinge sehen. In der Tat gelang hier und dort ein progressives Reförmchen. Durch die ausländerfeindliche Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft der CDU zurückgepfiffen, führte man zwar nicht generell eben diese ein, aber wenigstens Kinder und Jugendliche kommen jetzt legal in diesen Genuss, bis sich die oder der Einzelne zwischen einer der beiden Kulturen die zu ihm oder ihr gehören entscheiden muss. Homosexuelle dürfen ein eheähnliche Verbindung eingehen. Wenn nicht in den nächsten 30 Jahren irgendeine Regierung die Entscheidung kippt (wovon eher auszugehen ist) haben wir nach 2030 den Atomausstieg. Benzin wurde teurer, aber anstatt, durch dieses Geld die Bahn und den ÖPNV zu subventionieren, verschwand es im großen Haushalt und wird für die Auszahlung von Renten verwand. Reisen wird so immer teurer und zum Privileg der Besserverdienenden (hoch lebe die schwer erkämpfte Reisefreiheit). Ach ja, das Kindergeld wurde um 30 DM erhöht und ein gesetzlicher Anspruch für einen Kindergartenplatz garantiert. Wirklich kinderfreundlich kann man trotzdem die Regierungspolitik und erst Recht nicht das gesellschaftliche Klima nennen. Selbstverständlich hätte eine CDU/FDP Regierung selbst diese Reförmchen niemals veranlasst. Jedoch sollte dies auch nicht der Vergleichsgegenstand sich vor nicht allzu langer Zeit linksnennender Parteien, wie SPD und Grüne, sein. Der dringend benötigte Neuanfang ist nicht bewerkstelligt worden.

 

Aber wirklich unverzeihlich war es, dass ausgerechnet die Partei, die aus der Friedensbewegung entstand, Die Grünen, gemeinsam mit der Partei, die 1982 wegen dem NATO-Doppelbeschluss die Regierungskoalition mit der FDP platzen ließ und 16 Jahre in die Opposition ging, die SPD, das Führen von Kriegen durch Deutsche wieder hoffähig machte. Über 50 Jahre war es tabu, dass Deutsche im Ausland Soldaten für was auch immer kämpfen ließen. Es musste erst eine rot-grüne Regierung kommen, um dieses Tabu zu brechen. Wirklich ein übler Treppenwitz der Geschichte. Die Friedensbewegung, wie die gesamte Linke war wie gelähmt. „Wenn Fischer zum Krieg gegen Jugoslawien aufruft muss etwas dran sein“. Nur eine kleine Minderheit ließ sich nicht vernebeln, als sogar behauptet wurde, Deutschland müsse ein neues Auschwitz verhindern. Welch ein infames Argument. Die Zustimmung der SPD und insbesondere der Grünen war der Tod der alten Friedensbewegung, die sich noch im Golfkrieg 1991 relativ stark gezeigt hatte. Gott sei dank, gab dieser Tod einer neuen Bewegung jenseits von Rot-Grün Gelegenheit zu entstehen. Eine endlich (!) wieder wachsende linke Bewegung ist entstanden, gegen Krieg, Sozialabbau, für einen Ausgleich der Kontinente, kurz: für eine gerechte und friedliche Welt. Diese Bewegung, gemein Antiglobalisierungsbewegung genannt, sollte auch im Parlament ein Sprachrohr haben (dem wohl am ehesten inhaltlich die PDS gerecht wird) ohne jedoch abhängig von irgend einer Partei zu werden. Also, vielen Dank Rot-Grün für die deutschen Angriffskriege (Deutschland wurde ja selbst zu keiner Sekunde von irgend jemand angegriffen, musste sich also nicht verteidigen, sondern griff selbst an). Lediglich die PDS war es, die bei jedem Bundeswehreinsatz geschlossen dagegen stimmte. Dafür hat sie es eigentlich verdient, gewählt zu werden.

Sicherlich, manche behaupten die Wahlen wären längst verboten, wenn sie etwas änderten. Aber dies ist wohl von dem Wahlergebnis selbst, von den gewählten Parteien, aber vor allem von dem Druck der Straße, den es für Veränderungen braucht, abhängig. Eine starke linke Opposition im Parlament verbessert die Bedingungen für eine linke außerparlamentarische Opposition. Sie kann und sollte deren Sprachrohr im Parlament sein.

 

sk