Der Buchtip:
„Eine Jugend in Deutschland“ gehört zu den beeindruckendsten Büchern, die
ich jemals gelesen habe. Deshalb möchte ich das Buch vorstellen und Euch vor
allem motivieren, es selbst zu lesen.
Das
Buch ist eine Autobiographie, die Ernst Toller 1933 schrieb. Als deutscher Jude
wurde er 1893 im heutigen Polen geboren. Als 1914 der 1.Weltkrieg ausbricht,
marschiert der Journalist und Schriftsteller wie fast alle seiner Zeitgenossen
in ganz Europa begeistert in den Krieg. Dort, mit der Realität des Krieges
konfrontiert, wird er zum Pazifist und Sozialist. 1918/19 spielte Ernst Toller
eine herausragende Rolle in der Novemberrevolution und der Münchner
Räterepublik. Als rechtsradikale Freikorps und Söldnerheere die sozialistische
Münchner Räterepublik angreifen, nimmt er wieder die Waffe in die Hand. Jetzt
weiß er wofür. Als die Revolution schließlich besiegt ist, wird er mehrere
Jahre im Gefängnis eingekerkert. Damit endet das Buch.
Neben
dieser spannenden, bewegten Jugend in Deutschland, ist es auch die Art wie das
Buch geschrieben ist, die es so wertvoll macht. Es ist unglaublich emotional
und gefühlvoll geschrieben. In dem einen Moment muss man weinen, in dem
nächsten herzhaft lachen. Also, besorgt Euch das Buch und lest es!
Zum Schluss noch ein paar Textzeilen, die ich besonders wertvoll fand und das Weltbild Tollers verdeutlichen:
„In
meinem Innersten spüre ich eine Ruhe, die ist und mir Freiheit gibt. Ich weiß,
dass ich in größter Unruhe leben, dass ich gegen Schmutz oder unbeschränkten
Unverstand hitzig und erregt ankämpfen kann und mir diese innerste Ruhe doch
bleibt.“
„Ich
fasse das Leid nicht, das der Mensch dem Menschen zufügt. Sind die Menschen von
Natur so grausam, sind die nicht fähig, sich hineinzufühlen in die Vielfalt de
Qualen, die stündlich, täglich Menschen erdulden? Ich glaube nicht na die
<böse> Natur des Menschen, ich glaube, dass er das Schrecklichste tut aus
Mangel an Phantasie, aus Trägheit des Herzens. Habe ich nicht selbst, wenn ich
von Hungersnöten in China, von Massakern in Armenien, von gefolterten
Gefangenen auf dem Balkan las, die Zeitung aus den Händen gelegt und, ohne
innezuhalten, mein gewohntes Tagewerk fortgesetzt? Zehntausend Verhungerte,
tausend Erschossene, was bedeuten mir diese Zahlen, ich las sie und hatte sie
eine Stunde später vergessen. Aus Mangel an Phantasie. Wie oft habe ich
Hilfesuchenden nicht geholfen. Aus Trägheit meines Herzens.
Würden
Täter und Tatlose sinnlich begreifen, was sie tun und was sie unterlassen, der
Mensch wäre nicht des Menschen ärgster Feind. Die wichtigste Aufgabe künftiger
Schulen ist, die menschliche Phantasie des Kindes, sein Einfühlungsvermögen zu
entwickeln, die Trägheit seines Herzens zu bekämpfen und zu überwinden.“
„
… und wenn mich einer fragte, wohin ich gehöre, ich würde antworten: eine
jüdische Mutter hat mich geboren, Deutschland hat mich genährt, Europa mich
gebildet, meine Heimat ist die Erde, die Welt mein Vaterland.“
„Auch
der Sozialismus wird nur jenes Leid lösen, das herrührt aus der
Unzulänglichkeit sozialer Systeme, immer bleibt ein Rest. Aber soziales Leid
ist sinnlos, nicht notwendig, ist tilgbar.“
sk